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Sind Sie Curriculumersteller?

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Schreiberlinge - es gibt sie wie Sand am Meer. Man kann ihren stilistischen Eskapaden nicht entrinnen, am wenigsten als Lehrer, weil diese Sorte von Bundesangestellten geradezu prädestiniert erscheint, von den Schreiberlingen aufs Korn genommen zu werden.

Neuerlich bekam ich ein Blättchen in die Hand, in dem die Fremdwörtersucht geradezu Orgien feiert. Wenn man das alles durchliest, was ein paar flinke Federfuchser fabrizieren, könnte man meinen, die Kultivierung Afrikas habe gerade begonnen: Man muß den Unwissenden doch zeigen, was eine Harke ist. Nach Ansicht dieser Schreiberlinge gibt es außer ihnen anscheinend nur noch Halbwilde. Aber ich stehe nicht an, zu erklären, daß eigentlich sie die Halbwilden sind.

Da lese ich unter dem verheißungsvollen Titel „Kollege, sind sie nicht auch der Meinung ...", daß die Flut von Fachbegriffen und komplizierten Fremdwörtern nicht mehr verkraftbar sei. Schon möchte ich freudig zustimmen, aber da lese ich weiter: „Sie signalisieren oft einen ganzen Problemkomplex ..." Und nun wird es erst richtig interessant: „Natürlich wissen Sie, was .Transparenz' heißt. Bedeutende Politiker sind uns hier Vorbild, mit einem einzigen Wort eine umfassende spezifische Qualität professioneller Menschenführung anzudeuten..."

Also, abgesehen davon, daß ich keinen Politiker für so bedeutend halte, daß er mir in sprachlichen Dingen Vorbild sein kann, was mit seinen sonstigen Qualitäten überhaupt nichts zu tun hat, finde ich die Fremdwörtersucht dieses angeblich um die Reinheit unserer Sprache Besorgten geradezu alarmierend - besonders dort, wo er einen pseudowissenschaftlichen Zungenschlag bekommt: „Die Tendenz weg vom stofforientierten Lehrplan mit oft sehr vagen Zielangaben zu mehr Lernzielorientiertiertheit hin, wie sich dies in den Curriculumerstel-lungen und Lernzielanalysen abzeichnet, läßt mehr Transparenz erwarten: Es wird eindeutiger formuliert, was der Schüler konkret in ope-rationalisierten Zielangaben erreichen soll..." t

Genug geredet, möchte man mit Karl Kraus sagen, zumal es um die vom Verfasser so oft zitierte Transparenz restlos geschehen ist. Ein solches Gewäsch ist mir noch selten vor

Apropos FURCHE

Wir warten...

Wir warten. Wir warten noch immer darauf, daß das Salzburger Landestheater endlich einmal ein Theaterstück herausbringt, das in den Kulturspalten diskutabel ist. Seit zwei Jahren warten wir auf das entsprechende Stück und auf die entsprechende Inszenierung, und das Unbehagen wird mit jedem Theatersemester größer. Bald wird auch der letzte Hoffnungsschimmer geschwunden sein und die Bretter rechts der Salzach, die Bretter dieses einzigartigen österreichischen Kammertheaters, werden nur noch ein Rummelplatz des Dilettantismus sein.

Eine Operette jagt die andere, eine Geschmacklosigkeit übertrifft die andere. Ja, bei allem Verständnis, was ist denn Theater? Besteht es denn nur noch aus billigem, ausgeleiertem Amüsement? Wenn ja, dann soll es morgen schon zusperren!

(Thomas Bernhard in der FURCHE vom 3. Dezember 1955)

Augen gekommen, und es ist bezeichnend für den Byzantinismus des Artikelschreibers, daß er ständig auch „der Meinung ist". Er hat eben nicht Goethe gelesen, der von Meinungen überhaupt nichts hielt, weil es ihm hauptsächlich auf die Gesinnung ankam.

Liest man dann noch, daß „auf Grund der vielfältigen Probleme sogar Spezialisierungen innerhalb der Schülerberater erfolgen müßten", so wundert man sich über gar nichts mehr - am wenigsten darüber, daß

Nicht wahr,

bei Schnee riechen die an der Straßenecke frisch gerösteten Maroni besonders würzig? In der Luft treiben Schneeflocken wie in einem Kindertraum, und auf der mit Löchern versehenen Eisenplatte über glühender Holzkohle liegen in ihrer braun glänzenden Schale die Kastanien. Man bekommt sie in einer gespitzten Tüte verpackt und kann sie dann imGehen verspeisen.

Aber auch die gebackenen Erdäpfel und die heißen Burenwürste der Straßenverkäufer schmecken, in eine Dunstwolke gehüllt, würziger bei winterlichen Temperaturen; und sehr blau leuchten die aus Treibhäusern herbeigeschafften sündteuren Veilchen, nur von einem Leinenschirm gegen den Schneefall beschützt.

Es ist die Zeit, in der an den Schanktischen der Beisl mitunter ernsthafte Herren mit dem Schnapsglas in der Hand zu sehen sind. Ein wenig errötet treten sie dann auf die Straße hinaus, das Gesicht dem fröhlichen Wind preisgegeben und der frischen Kälte. Man muß den Winterfreuden zuliebe nicht gleich in die Berge fahren, nicht wahr? GS

die Schwierigkeiten der Bildungsberater zunehmen, wie aus dem Artikel hervorgeht. Eine leicht mißbrauchbare Wissenschaft wie die Pädagogik, in der das vernünftige Denken immer mehr durch an den Haaren herbeigezogene Fremdwörter ersetzt wird, verliert eben schon dadurch ihre „Transparenz".

Und natürlich auch dadurch, daß jeder Schreiberling nach Herzenslust in ihr herumpfuschen kann, wenn er nur „der Meinung ist".

Carl Spitzweg:

Lebensregel

Wenn dir's vergönnt je, dann rieht es so ein,

Daß dir ein Spaziergang das Leben soll sein!

Stets schaue und sammle, knapp nippe vom Wein,

Mach unterwegs auch Bekanntschaften fein,

Des Abends kehr selig bei dir wieder ein

Und schlaf in den Himmel, den offnen, hinein!

Zu guter Letzt

Lange schon sind die Kardinäle im Konklave versammelt - kein Ergebnis. Schließlich senden sie Boten zu Professor Hans Küng nach Tübingen, um ihn zu befragen, ob er zur Annahme einer Papstwahl bereit wäre. Nach kurzer Bedenkzeit kommt dessen Antwort:

„Danke, nein - denn dann wäre ich plötzlich fehlbar."

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