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Digital In Arbeit

Sinn-volles Management

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Die Arbeit von vielen Menschen ist heute nur mehr auf den betrieblichen Zweck ausgerichtet. Aber ohne Sinn für die Betreffenden. Eine Herausforderung für Manager.

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Die Arbeit von vielen Menschen ist heute nur mehr auf den betrieblichen Zweck ausgerichtet. Aber ohne Sinn für die Betreffenden. Eine Herausforderung für Manager.

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Wenn ein Fußballspieler trotz einer Verletzung ein Spiel durchsteht, weil vielleicht kein Ersatzmann auf der Reservebank mehr sitzt; wenn ein Arbeiter Jahr um Jahr durchhält, obwohl ihm der Schichtdienst schwer zu schaffen macht; wenn ein Konstruktionsteam ein neues, erfolgreiches Verfahren entwickelt hat, obwohl die eigenen Mittel viel geringer waren als die der mächtigeren Kon-

kurrenz; wenn ein Mitarbeiter trotz 38 Grad Fieber zur Stelle ist, weil es ohne ihn an einem ganz bestimmten Tag nicht geht; wenn jemand seinen Kollegen nicht „aufplatzen“ läßt, obwohl der andere äußerst fahrlässig gehandelt hat - dann bringt jemand Leistung:

• Leistung ist mit Anstrengung verbunden, mit Selbstüberwindung, mit Freiwilligkeit.

• Leistung macht stolz und selbstbewußt;

• Leistung ist nicht auf Anerkennung angewiesen;

• doch Anerkennung steigert Leistung.

Dies macht deutlich, daß Leistung Einsicht in den Sinn des Handelns voraussetzt. Nur im Bewußtsein uneingeschränkter Sinnhaftigkeit ist Leistung möglich — oder anders ausgedrückt: Wer Leistung fordert, muß Sinn bieten!

Um des Gesamtunternehmens willen, das vor allem bei Großunternehmen weitgehend abstrakt bleibt, reißt man sich im allgemeinen kein Bein aus (die Fälle etwa von freiwilligem Lohnverzicht im Notfall sind selten, eher streikt man noch im letzten Augenblick für einen Sozialplan). Auch der Unternehmenszweck der einzelnen Abteilungen übt noch keinen unmittelbaren Motivationseffekt aus. Ob aus Arbeit Engagement und Leistung wird, darüber entscheidet allein der Sinn, den der einzelne Mitarbeiter

seiner ganz persönlichen Tätigkeit beimißt.

Bei einem Unternehmen birftch einem Schichtleiter begegnet, bei dem tatsächlich alles klappt: Er verfügt immer rechtzeitig über alle Personal- und technischen Informationen, so daß er sich auf denkbare Zwischenfälle, vor allem in der Nächtschicht, einstellen kann. Er hat sich selbst ein Informationssystem aufgebaut, das zwar eine Menge Arbeit macht, aber die Mühe auch wert ist: „Offiziell klappt nämlich gar nichts! Aber ich habe einen Ruf zu verlieren — der Chef baut auf mich!“

Dabei beruhte alles mehr oder weniger auf Zufall. Eines Tages lobte ihn der Werkleiter (im Grunde gar nicht einmal besonders ernst): „Na, wenigstens einer, bei dem es klappt“, sagte er, denn nebenan war gerade wieder etwas schiefgegangen. Von diesem Tage an klappte es dann wirklich bei dem Schichtleiter, und zwar nicht nur aus Zufall. (Bei jenen, die sich nie in ihrer Arbeit besonders wahrgenommen fühlen, geschweige denn gelobt worden sind, klappt es auch heute noch nicht.)

Daß nicht jede Arbeit für jeden Mitarbeiter alle individuell gewünschten Sinnmöglichkeiten enthalten kann, liegt auf der Hand. Doch andererseits kann jeder Arbeit so viel Sinn gegeben werden, daß es nirgendwo zu nachhaltigen Frustrationen - und damit zu Produktivitätsabbau — kommen muß. Es ist nicht nötig, jeden Arbeitsvorgang lückenlos mit Sinnangeboten zu füllen. Denn das Gefühl, sinnvolle Arbeit zu tun, hängt erfahrungsgemäß für den einzelnen nicht davon ab, daß alle ihn interessierenden Möglichkeiten realisiert worden

sind; es genügt, wenn er die für ihn entscheidenden Elemente vorfindet.

Wird eine Arbeit einem Mitarbeiter nicht gerecht, weil sie zu wenig Herausforderungen enthält, und ist ein Jobwechsel im Unternehmen nicht möglich, so lassen sich dennoch Kompensationen schaffen: Um den demotivierenden Einflüssen der Arbeitsroutine entgegenzuwirken, verordnete ein Produktionsleiter dreien seiner Mitarbeiter je eine Sonderaufgabe, und zwar ohne daß je zuvor über eine Arbeitsroutine gesprochen worden war. Der Werkmeister hatte es einfach im Gefühl, wie es um seine Leute stand: Einen der älteren Facharbeiter machteer zum Ausländerbetreuer. Da sich auf diesem Gebiet beinah jeden Tag irgend etwas ereignete, hatte der lange Zeit Frustrierte plötzlich wieder alle Hände voll zu tun.

Ein anderer avancierte zum Ausbildungsbeauftragten der Abteilung und mußte sich nun um die Lehrlinge kümmern; einen dritten zog er heran, wenn es um das Registrieren, Verteilen und Vervollständigen der Arbeitsunterlagen ging; dieser Mann hielt auch den Kontakt zur Arbeitsvorbereitung. Wichtig war, daß die einzelnen sich wahrgenommen fühlten und eine Verantwortung zu tragen hatten.

Andererseits können Dispositionsfreiheit, das Einräumen kreativer Spielräume, Selbstkontrollen und all die anderen probaten Motivationstechniken für manche Mitarbeiter geradezu Alpträume sein. Nicht jeder will und nicht jeder kann Verantwortung tragen. Mancher möchte bei seiner Arbeit vor allem in Ruhe gelassen und so wenig wie möglich mit irgendwelchen Anforderungen behelligt werden, weil er keinesfalls in der Arbeit die Sinnerfüllung seines Lebens sieht. Mit dem Geld, das er verdient — dem Zweck seiner Arbeit —, kauft er sich anderswo das, was er zur Sinnverwirklichung in seinem Leben braucht.

Wiederum einem anderen bedeutet alles andere nichts, wenn er sich nicht auch — oder sogar vordringlich - in seiner Arbeit sinnvoll verwirklichen kann. Zum individuellen Führen und damit zum individuellen Motivieren gibt es deshalb keine Alternative - Wer Leistung fordert, muß Sinn bieten!

Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Referat „Die Kunst zu motivieren im Rahmen des Management-Congresses 88 in Wien. Der Autor ist Leiter des Bielefelder Institutes für Logotherapie und Psychologie der Arbeitswelt.

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