6919380-1981_39_05.jpg
Digital In Arbeit

Sire,gebt Sendefreiheit!

19451960198020002020

Vor zwei Jahren hat Kanzler Bruno Kreisky in der Regierungserklärung die Einsetzung einer Medienkommission angekündigt, die sich der Frage des Rundfunkmonopols hätte annehmen sollen. Bis heute gibt es diese Kommission nicht. Doch rund um uns geht die Entwicklung weiter. Geht sie an Österreich vorbei?

19451960198020002020

Vor zwei Jahren hat Kanzler Bruno Kreisky in der Regierungserklärung die Einsetzung einer Medienkommission angekündigt, die sich der Frage des Rundfunkmonopols hätte annehmen sollen. Bis heute gibt es diese Kommission nicht. Doch rund um uns geht die Entwicklung weiter. Geht sie an Österreich vorbei?

Werbung
Werbung
Werbung

Die europäische Rundfunkszene - ehedem durch öffentliche Monopole geprägt - ist in Bewegung:

In Italien tritt der private Rundfunk, dessen Zulassung vom italienischen Verfassungsgericht durch zwei bahnbrechende Erkenntnisse in den Jahren 1974 und 1976 erzwungen wtirde, allmählich in eine Konsolidierungsphase ein; in Großbritannieij wird gerade eine zweite private Fernsehkette gestartet; in der Schweiz geht man daran, nach dem Kabelrundfunk nunmehr auch den lokalen und regionalen Hörfunk versuchsweise privater Initiative zu öffnen; auch in der Bundesrepu-

blik Deutschland scheinen jetzt (wenn auch mühsam) die groß angelegten Kabel-Pilotprojekte Realität zu werden.

Es besteht kein Zweifel, daß auch in Osterreich der lokale und regionale Bereich für eine rundfunkmäßige Erschließung reif ist.

Wohl gemerkt: Es geht nicht um die nationale Programmversorgung mit qualitativ hochstehenden Universalprogrammen, die nach wie vor zweckmäßigerweise durch eine öffentliche Anstalt zu besorgen ist. Es geht darum, den lokalen und regionalen Rundfunkmarkt privater Initiative zu erschließen und lokale und regionale Kommunikationsbedürfnisse durch Rundfunk zu befriedigen.

Denn gerade der Hörfunk ist prädestiniert dafür, regionale und lokale Kulturvielfalt lebendig zu machen und zu erhalten.

Die technischen Voraussetzungen dafür wären gegeben: Nach verläßlichen Angaben sind derzeit im Wiener Raum bereits über 50.000 Haushalte an das Kabelrundfunknetz angeschlossen; 1983 sollen es schon mehr als 100.000 Haushalte sein.

Im UKW-Bereich sind genügend Frequenzen für eine Rundfunk-Nahversorgung vorhanden. Auch die Sende- und Kameratechnik ist nicht stehengeblieben: Die neue Generation der Videokameras ermöglicht Fernsehaufnahmen mit relativ geringem Personal- und Kostenaufwand. Und ebenso die Senderautomatisie-. rung ist weit fortgeschritten.

Warum also in Osterreich kein Privatrundfunk?

1974 hat sich bekanntlich das Parlament per Verfassungsgesetz die volle Kompetenz und damit auch Verantwortung für die Weiterentwicklung des Rundfunkwesens vorbehalten.

Nach dem Rundfunkverfassungsgesetz ist jede programmschöpferische Veranstaltertätigkeit in dem sehr weit gezogenen Rundfunkbereich von einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung (zusätzlich zur feriimelde-behördlichen Konzession) abhängig. Das Parlament — und erst in zweiter Linie die Post - soll entscheiden, wer unter welchen Voraussetzungen wann Rundfunk veranstalten darf oder nicht.

Die vermeintliche Rundfunksouveränität des Parlaments ist freilich nur eine relative. Auch die Rundfunkpolitik hat sich in den Rahmen der Grundrechte einzufügen: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit, das gemäß Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch im Rundfunkbereich gilt, liefe auf eine verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung zugunsten einer äußeren Vielfalt von öffentlichen und privaten Rundfunkveranstaltern hinaus.

Der Gesetzgeber stünde damit unter Verfassungszwang, Meinungsvielfalt im Rundfunkbereich durch die Zulassung privater Veranstalter neben dem ORF

zu gewährleisten, soweit dem nicht zwingende technische Gründe (Frequenzmangel etwa) entgegenstehen.

Stimmen private Messungen im Wiener Raum, wonach hier im UKW-Bereich noch Platz für mindestens zehn brauchbare Frequenzen mit lokaler Reichweite vorhanden sein sollen, so widerspräche es den Verfassungsgeboten der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt, diesen lokalen Rundfunkmarkt privaten Initiativen zu verschließen.

Gleiches gilt (mit den nötigen Abänderungen) auch für die Kabelrundfunknetze.

Deshalb hat ja auch das italienische Verfassungsgericht in seinem Urteil des Jahres 1976 ausgesprochen, daß bei Wegfall des Frequenzmangels im lokalen Bereich der einzig legitime Grund für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Monopols hinfällig sei.

Unbelastet vom Dogmenstreit für und wider Monopol treibt aber beispielsweise die Schweiz inzwischen die Entwicklung des Rundfunks imd die Öffnung des Marktes auf pragmatische Weise voran.

Schon 1978 wurde eine Versuchsordnung für programmschöpfenden Kabelrundfunk erlassen. Vor einigen Wochen ist vom eidgenössischen Verkehrsund Energiewirtschaftsdepartement der Entwurf einer Verordnung über lokale und regionale Hörfunkversuche zur Begutachtung ausgesandt worden:

Durch die Erteilung von auf fünf Jahren befristeten Sendelizenzen sollen Erfahrungen gesammelt werden; die Programmstrukturen und Organisationsformen werden dabei weitgehend der Initiative der Bewerber überlassen.

Warum sollte man nicht auch in Osterreich, anstatt auf die „große Lösung" eines Privatrundfunkgesetzes zu warten, auch den Weg des kontrollierten Experiments gehen?

Sire, gebt Sendefreiheit!

Heinz Wittman ist Autor des einschlügScen Buches: RUNDFUNKFREIHEIT - OF-FENTLICHRECHTLICHE GRUNDLAGEN DES RUNDFUNKS IN OSTERREICH. Forschungen aus Staat und Recht, Band 55; Springer Verlag. Wien 1981. 250 Seiten, brosch.. öS öS 770.-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung