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Skepsis wich Hoffnung

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Eine gute Atmosphäre, keine um faulen Frieden bemühte Betulichkeit, ein bemerkenswerter Wahlvorgang und sensationell offene Worte des Wiener Erzbischofs, Kardinal Hans Hermann Groör - in Wien-Hernals könnte am 23. September mehr in Bewegung geraten sein, als vorher erwartet werden konnte.

Nur in der Erzdiözese Wien gibt es eine Glaubenskommission, aber auch nur in Wien gibt es nun ein Diözesanforum (FURCHE 38/1989), und das nicht nur für jene 215 Delegierten, die zur konstituierenden Sitzung in die Marienpfarre kamen. Das Forum soll in den nächsten Monaten über Dekanate und Pfar-

ren alle Gläubigen der Diözese einbeziehen. Diese sollen sich mit ihren Vorschlägen und Sorgen auch direkt an das Präsidium des Forums wenden können (eventuell nach dem Modell Sozialhirtenbrief).

Die Skepsis war und ist groß. Schon die Auswahl der Delegierten -165 Männer, nur 50 Frauen - stieß auf Kritik, wobei vielleicht übersehen wurde, daß es sich großteüs um gewählte Mitglieder diverser diöze-saner Gremien handelt. Daß Kardinal Groör sich nicht dazu durchringen konnte, unter die 20 von ihm ernannten Delegierten einführendes Mitglied des Forums „Kirche ist Gemeinschaft“ aufzunehmen, bleibt ein kleiner Schönheitsfehler. Falsch ist aber die Behauptung, diese für das Zustandekommen des Diözesan-forums sicher wichtige Gruppe sei nun nicht vertreten - rund 20 Delegierte stehen in enger Verbindung zu „Kirche ist Gemeinschaft“.

Den Mangel an Frauen im Plenum versuchte man bei den Wahlen ins Präsidium - für das von Amts wegen sieben Mitglieder, darunter als Präsident Generalvikar Rudolf Trpin, feststanden - auszugleichen. Dafür ging die im Plenum mit 92 Köpfen stärkste Gruppe, die Männer ohne Weihe, unter. Vier Frauen und drei Priester erhielten die meisten Stimmen. Aus diesen wurden mit viel Beifall die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Ingrid Klein, und der Pastoraltheologe Paul Zulehner zu Vizepräsidenten gewählt.

Mit Befremden konstatierten viele, daß Weihbischof Kurt Krennbald nach der Eröffnung das Forum verlassen hatte, um zu einer - nicht verschiebbaren? - Visitation aufzubrechen. Die erstaunlich direkte Frage nach der Notwendigkeit des 1987 ernannten vierten Wiener Weihbischofs kam aber erst am Ende der teils sehr konkreten und zukunftsweisenden Generaldebatte vom Weinviertier Pfarrer Thomas Vielnascher, und sie wurde von Kardinal Groer mit ebenso erstaunlicher Direktheit beantwortet

Der Kardinal betonte, er habe Krenn vor 1987 nicht persönlich gekannt und sei mit ihm in keiner Weise befreundet gewesen. Der Papst habe einen Weihbischof für die Bereiche Wissenschaft, Kunst und Kultur gewünscht, worauf er, Groör, „drei deutschsprachige Professoren“ vorgeschlagen habe und Krenn schließlich vom Papst gewählt worden sei. Sicher sei Krenns Wirken in Wien nicht „unproblematisch“ gewesen.

Dieser deutlichen Distanzierung von Aktionen seines Auxüiarbi-schofs ließ Groer einen eindringlichen Appell folgen, den Weihbischof als Mitmenschen zu verstehen und anzunehmen: „Wir sollten betenfür alle, auch für ihn, und sollten ihm Zeichen geben, daß er uns in dieser oder jener Hinsicht leichter entgegenkommen kann und das eine oder andere besser verstehen kann.“

Nicht nur, was der Kardinal in diesem Schlußwort sagte, vor allem, wie er es sagte, trug ihm den vermutlich bisher längsten Beifall außerhalb der ihm näher verbundenen Gruppierungen ein und ließ diese Sitzung erst hoffnungsvoll enden.

Der weitere Fahrplan des Diöze-sanforums sieht so aus: 23. Oktober erste Präsidiumssitzung mit Besprechung der weiteren Vorgangsweise. 10. März 1990: weiterer Gedankenaustausch der 215 Delegierten. Oktober 1990: dreitägige erste Session der Delegiertenversammlung, bis dahin Gespräche in und Rückmeldungen aus den Pfarren.

Welche Eigendynamik ein solcher Prozeß Wiedas Diözesanforumnoch entwickelt, ist nicht absehbar, vor allem nicht, wenn alle Teilnehmer (und das sind, wie gesagt, nicht nur die 215 Delegierten, sondern theoretisch alle Katholiken der Erzdiözese Wien) das biblische Leitwort ernstnehmen: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“ (Phil2,5)

Was Ingrid Klein zwei Tage später auf einer Pressekonferenz sagte, ist zu unterstreichen: „Es geht nicht um Beschlüsse, sondern um Signale. Das Forum ist geplant als geistlicher Vorgang, der nach innen wirken soll, es muß aber auch nach außen wirken. “Paul Zulehner ergänzte, das Forum sei eine weltweit einmalige Chance. Es müsse Schritte in die Zukunft (zum Beispiel auf den Gebieten Caritas und Wien als Brücke zu Osteuropa) setzen und unbedingt ein Schlußdokument produzieren, nur als „Müllabfuhr für bestehende Probleme“ habe es sein Ziel nicht erreicht.

Viele Delegierte scheinen sich darin einig, daß das Wegräumen von Schutt und zerschlagenem Porzellan, also das Beilegen von Konflikten wie dem um die Hochschulgemeinde, Minimalergebnis des Diö-zesanf orums sein müßte. Und sicher nicht nur für Zulehner ist es schlicht „absurd“, die Arbeit einer Diözese auf die Diskussion um einen Weihbischof zu reduzieren.

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