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Slowenien plant Synode

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Slowenien, auch Kroatien und teilweise Bosnien und Herze- gowina galten in der Vergangen- heit als katholische Länder. Das stimmt heute aber nicht mehr. Das haben sowohl religionssoziologi- sche Studien als auch die kirchliche Statistik bestätigt. Obgleich es noch eine verhältnismäßig große Zuge- hörigkeit zum katholischen Glau- ben gibt, sind Religionspraxis und die Beachtung der Kirchennormen und Glaubenswerte im alltäglichen Leben ziemlich gering.

Als Faktoren, die die neue Lage der katholischen Kirche beeinfluß- ten, muß man erwähnen: die indu- strielle Entwicklung in den letzten fünfzig Jahren, die Sozialrevolu- tion und den Bürgerkrieg während der Okkupation im zweiten Welt- krieg, das marxistische System nach dem Krieg und die damit verbunde- ne Gottlosmachung des gesell- schaftlichen Lebens. Erst in den letzten Jahren sind wir Zeugen der Entstehung und Entwicklung des gesellschaftlichen und politischen Pluralismus, der der Kirche neue Aufgaben stellt.

Als die diplomatischen Beziehun- gen zwischen Jugoslawien und dem Heiligen Stuhl 1966 wieder aufge- nommen wurden, kam es zur Ent- spannung der politischen Lage und zu mehr Freiheit für die Kirche. In diese Zeit fielen die Erneuerung durch das Konzil, neue Formen der Pastoralarbeit wie Jugend- und Studentenpastoral, der Aufschwung der Kirchenpresse. Die Freiheit der Kirche blieb aber noch begrenzt.

Noch vor kurzer Zeit durfte die Kirche keine eigene karitative Tä- tigkeit organisieren, sie konnte die Soziallehre der Kirche nicht ver- mitteln, sie durfte keine kirchlichen Organisationen wiederherstellen. Alle einflußreichen Stellungen in Gesellschaft, Politik und Kultur waren gläubigen Menschen unzu- gänglich. Es gibt noch immer keine Religionssendungen im Fernsehen und Rundfunk. Die ersten freien Wahlen nach dem letzten Krieg, die in diesen Tagen im Gange sind, bringen auch den Gläubigen und der Kirche neue Möglichkeiten.

Die Folgen des vergangenen Zu- standes kann man auf verschiedene Weise noch heute spüren: in Verrin- gerung der Glaubenspraxis, die sich in geringerer Anzahl der regelmä- ßigen Kirchenbesucher, der Taufen und Firmungen, der kirchlichen Trauungen und so weiter zeigt. Auch die Anzahl der geistlichen Berufe und das Interesse für den Glauben sind geringer geworden. Nach Er- mittlungen slowenischer Meinungs- forscher waren 1978 nur 44 Prozent der erwachsenen Slowenen gläu- big. In den folgenden Jahren hat dieser Säkularisationsprozeß auf- gehört, ja sich sogar verringert. Das wurde dieses Jahr durch eine neue Erforschung der öffentlichen Mei- nung bestätigt: Mehr als 60 Prozent der Einwohner sind nach ihren Aussagen Gläubige.

Es gibt mehrere Gründe für einen solchen Umschwung; einerseits den Verfall der marxistischen Ideologie und des darauf basierenden Gesell- schaftssystems und anderseits die Bemühungen für die Glaubenser- neuerung, die die ganze Zeit inner- halb der Kirche im Gange ist. Die ersten Ergebnisse kann man schon erkennen: ein größeres Interesse für den Glauben und die Glaubenswer- te unter den Jungen, neue Formen der Familienpastoral, neue geistli- che Bewegungen, größere karitati- ve Tätigkeit. In letzter Zeit wurden der Slowenische Caritasverband und die Pfadfinder gegründet. Die Pfarrpastoralräte und die Laien übernehmen einige Aufgaben der Geistlichen. Die Gläubigen haben sich auch politisch organisiert.

Unter der Leitung der sloweni- schen Bischöfe, vor allem des Erz- bischof s und Metropoliten von Lai- bach (Ljubljana), Alojzij Sustar, sucht die slowenische Kirche neue Antworten auf die Zeichen der Zeit. In den einzelnen Diözesen sind Bemühungen für die Pastoraler- neuerung und neue Verkündigungs- formen im Gange. Es ist höchst wahrscheinlich, daß es noch vor dem Abschluß des Jahrzehntes zur all- slowenischen Synode kommen wird. Sie wird versuchen, neue Richtli- nien für die Arbeit und das Leben unserer Kirche im dritten Jahrtau- send zu finden.

Folgende Daten, die für das Jahr 1989 gelten, stellen die gegenwärti- ge Situation in der slowenischen Kirche dar. 25 Prozent der Slowe- nen besuchten regelmäßig die Sonn- tagsmesse, 70 Prozent der Neuge- borenen wurden getauft, etwa 90 Prozent der Täuflinge empfingen die erste Kommunion und 85 Pro- zent wurden gefirmt. 20 Prozent der Kinder setzen nach acht Jahren Religionsunterricht ihre Glaubens- vertiefung in Jugendgruppen fort. Ungefähr 55 Prozent der Neuver- mählten lassen sich kirchlich trau- ert und 80 Prozent der Gestorbenen werden kirchlich begraben. Noch immer sind es ungefähr 83 Prozent der Slowenen, die getauft sino.

Das durchschnittliche Alter un- serer Priester ist 51 Jahre, es gibt im Durchschnitt 23 Primizen jährlich, was für eine Kirche mit nur zwei Millionen Menschen noch immer ziemlich viel ist. Doch ist die An- zahl um zwei Drittel geringer als vor 20 Jahren (damals gab es 60 Primizianten). Auf der Theologi- schen Fakultät gibt es momentan 190 Studenten.

Jede dritte Ehe in Slowenien wird geschieden, darunter sind auch viele, die in der Kirche geschlossen wurden. Die Anzahl der Abtreibun- gen nähert sich der Anzahl der Geburten, und unter den Frauen, die sich für den Schwangerschafts- abbruch entscheiden, sind manche Gläubige.

Es gibt viele Aufgaben, die der slowenischen Kirche bevorstehen; die Umstände für die Verkündigung sind günstig, die Kräfte aber schwach. Die Hoffnung, die uns durch den Glauben gebracht wird, bleibt fest und stark. Slowenische Katholiken sollen die Worte des Psalmisten wiederholen: Der Herr ist unsere Stärke und unsere Ret- tung.

Der Autor ist unter anderem Herausgeber der slowenischen Kirchenzeitung „Druzina" (Familie).

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