6926420-1982_13_04.jpg
Digital In Arbeit

Slowenisch gibt es keine Karte"

Werbung
Werbung
Werbung

Die Volksgruppen in Österreich und ihre Angehörigen genießen den Schutz der Gesetze; die Erhaltung der Volksgruppen und die Sicherung ihres Bestandes sind gewährleistet. Ihre Sprache und ihr Volkstum sind zu achten."

Doch die österreichische Realität, zehn Jahre nach dem Kärntner Ortstafelkonflikt, hält nicht ganz, was das Volksgruppengesetz vom 7. Juli 1976 einleitend verspricht.

Volksgruppenvertreter der Kärntner Slowenen, der burgen-ländischen Kroaten und der im Burgenland lebenden Ungarn sehen darin, wie sie am 27. März erneut bei einem Treffen in Bruck an der Mur formulierten, ein „unbrauchbares Instrument".

Zwar sind die spektakulären Konflikte in den Hintergrund getreten, an den Alltagskonflikten, die die tatsächliche Einstellung der Mehrheit gegenüber Minderheiten widerspiegeln, hat sich nur wenig geändert.

Im Kärntner St. Karizian wird, nachdem die Gemeinde in die Amtssprachenregelung nicht aufgenommen wurde, seit dem Volksgruppengesetz mit diesem Hinweis jede slowenische Eingabe abgelehnt; beim Versuch, in Klagenfurt Fahrkarten auf Slowenisch zu lösen, wurde die Polizei herbeigerufen; eine Firma in Sittersdorf gibt Slowenen grundsätzlich keine Arbeit; Störungen slowenischer Veranstaltungen werden als „Lausbubenstreiche" verniedlicht.

Diese und ähnlich alarmierende Fälle illustrieren in einer soeben erschienenen Publikation zur Soziologie der österreichischen Volksgruppen den Alltag jener, die, so der Buchtitel, „Am Rande Österreichs" leben.

Herzstück der Arbeit von Wilhelm Filla, Ludwig Flaschberger, Franz Pachner und Albert Reiterer sind empirische Befunde zur Situation der Slowenen in Kärnten sowie der Kroaten und Ungarn im Burgenland.

Wobei die Sprache als Identifikationsmerkmal der Volksgruppen eine ganz wesentliche Rolle spielt. Dem neuen Selbstbewußtsein sprachlicher Minderheiten steht teilweise bewußtes Desinteresse der deutschsprechenden Mehrheit gegenüber.

„Im Bewußtsein der Menschen", so die Studie, „gibt es eine Art .Sprachendarwinismus'.

.Starke' Sprachen setzen sich im Laufe der Zeit gegen die .schwachen' Sprachen durch." Daher lehne es auch die Mehrheit als „unnatürlich ab, gefährdete Sprachminderheiten zu fördern".

Vor allem in Kärnten ist die Ansicht weitverbreitet, daß daher auch Sprachminderheiten eigentlich keine Zukunft haben. „Die heutige gesellschaftliche Entwicklung bringt es mit sich, daß sich Minderheiten auf die Dauer nicht halten können", meinten bei einer repräsentativen Untersuchung im Bezirk Völkermarkt nicht weniger als 70 Prozent der Befragten.

Die Versuche, die Minderheitensprache aus dem öffentlichen Leben (trotz Volksgruppengesetz) zu verbannen und sie in die „Reservate Haus, Stall und Kirche" zurückzudrängen, sind freilich in Kärnten weit ausgeprägter als im Burgenland.

Bei den Kroaten ist es. außerdem nicht ungewöhnlich, daß zuziehende Deutschsprachige Kroatisch lernen (die sogenannte „umgekehrte Assimilation"), während dies im slowenischen Gebiet höchst selten vorkommt.

Nicht ganz unwesentlich für die Wertschätzung der Minderheiten in der Öffentlichkeit dürfte sein, wie sie sich selbst darstellen. Und hierzu liefert die Studie einige Aufschlüsse.

Etwa: „Die Organisationen der kroatischen Volksgruppe haben vorwiegend kulturellen Charakter. Die slowenische Minderheit verfügt dagegen auch über explizit politische Organisationen und es werden ihr zusätzlich Wirtschaftsbetriebe und Genossenschaften zugerechnet."

Haben wir also, stellt sich nun die Frage, nichts gegen Minderheiten als folkloristischen Aufputz für den Fremdenverkehr, wohl aber gegen jene, die ihren eigenständigen Weg gehen wollen? Dies sollte man auch vor einem anderen gesellschaftlichen Phänomen sehen: Die Einstellung Angehörigen anderer Volksgruppen gegenüber wird dann ablehnend bis gehässig, wenn es um Arbeit und Geld geht — das spürten die Polenflüchtlinge ebenso wie es jetzt in Krisenzeiten Gastarbeiter zu spüren bekommen.

AM RANDE ÖSTERREICHS. Ein Beitrag zur Soziologie der österreichischen Volks* gruppen.Filla/Flaschberger/Pachner/Reite-rer. Verlag Braumüller, Wien 1982.126 Seiten, kart., 5- 128.-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung