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So entstand die FURCHE Kein Papier für die Tageszeitung

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Als Friedrich Funder in den letzten Kriegstägen von Baden nach Wien kam, stand für ihn bereits fest, daß er sich wieder eine Zeitung als Sprachrohr schaffen würde. Fest ständen für ihn auch die Zielsetzungen und das Wesen dieses publizistischen Or-ganes, wenn auch noch nicht die äußere Beschaffenheit. Es sollte eine Frucht der in den Gefängnissen und Konzentrationslagern gesammelten Erkenntnisse werden. Das hatte sich Funder schon vorgenommen, lange bevor sich zum letzten Mal die Tore eines Gefängnisses hinter ihm geschlossen hatten: „Sollte noch einmal der Parteigeist das Gemeinwohl überwuchern, sollten noch einmal die Christen sich inmitten einer heidnischen Welt den Luxus erlauben, die Verschiedenheiten ihrer Bekenntnisse zu feindlichen Antithesen werden zu lassen, sollte noch einmal die Kleinstaaterei in Europa die Rechtlosigkeit und die Gefahr des Schwachen und Kleinen bestimmen?“ Die zu schaffende Zeitung sollte auf katholischer Grundlage fußen und der Sammlung aller aufbauwilligen, verständigungsbereiten Kräfte in Österreich und in Mitteleuropa dienen.

Vorerst dachte Funder allerdings an die Gründung einer Tageszeitung mit dem Titel „Die neue Reichspost“. Sie sollte durch die Wahl des Titels an ihre Vorgängerin anknüpfen, sollte alles das, „was an dem alten Blatte wesenhaft, wertbeständig und edel war, fortsetzen“. Aufgeschlossen für die Erfordernisse der neuen Zeit sollte sie in ihren Urteilen bestimmt sein und durch die christliche Uberzeugung ihrer Schöpfer, durch die treue Hingabe an die Sache des österreichischen Volkes und des Vaterlandes.

Es scheint als ziemlich sicher erwiesen, daß Funder auch der ÖVP anbot, eine Tageszeitung im christlichsozia-leh Sinn zu schaffen, was aber in „ziemlich brüsker Form“ abgelehnt worden war. Der damalige Generalsekretär Felix Hurdes bestand auf einer Parteizeitung, wenn Funder auf die der ÖVP von den Alliierten zugestandene Papiermenge Anspruch haben wollte. Funder aber wollte die Zeitung unbedingt parteipolitisch loslösen und stärker das Grundsätzliche betonen, als dies bei der „Reichspost“ der Fall gewesen war, die auch seiner Meinung nach zu eng mit der politischen Bewegung, mit der sie gemeinsam ihren Aufstieg erlebte, verschwistert gewesen war und so auch für Unzukömmlichkeiten und Mißstände innerhalb der christlichsozialen Partei verantwortlich gemacht wurde.

Es scheint Funder am Projekt der Tageszeitung mehr gelegen zu sein, als er später zugab ... Schließlich sah er aber ein, daß er und seine Zeitung nach Auffassung der ÖVP zu sehr „christlichsozial belastet“ waren; so machte er gewissermaßen aus der Not eine Tugend und freundete sich schnell mit dem Plan an, eine Wochenschrift zu schaffen.

Nach Aussage seiner Nichte soll Funder wegen der Tatsache, daß durch die Ereignisse der vorhergegangenen sieben Jahre das Wort „Reich“ einen üblen Beigeschmack bekommen hatte, von dem Namen „Reichspost“ abgekommen sein. Auf der Suche nach einem neuen Titel habe er zuerst an das französische Vorbild „La Croix“ gedacht. Es mag interessant erscheinen, daß auch Ernst Molden an die Gründung einer solchen Zeitschrift dachte, diesen Plan jedoch fallenließ, als er im April/Mai 1945 von Funders geplanter Wochenschrift erfuhr.

Schon in den ersten Treffen der Kaminrunde im April wurde dieser Plan erörtert, und schon in dieser Zeit warb er Dr. Georg Zimmer-Lehmann für den Eintritt in die Redaktion, so wie er auch die meisten seiner Mitarbeiter aus dieser Runde auswählte.

Ein Ergebnis dieser Erörterungen hegt in dem von Lambert Hayböck skizzierten „Vorschlag zum Programm des Blattes 1945“ vor, in dem für eine Wochenschrift, geführt als katholische Revue mit spezifisch mitteleuropäischer Sicht, plädiert wurde, die ohne eigentliche parteipolitische Bindun-

gen gedacht sei, was nicht ausschließen müßte, daß sich gewisse Ubereinstimmungen mit Gedankengängen einer bestimmten Partei ergeben könnten. Außerdem sollte der Verlag Herold auch ein Wochenendblatt herausgeben, das als Massenblatt gedacht war.

Im Kreis der „Kaminrunde“ tauchte als Titelvorschlag dann „Die Bauhütte“ auf, was aber verworfen wurde. Schließlich kam man auf den Namen „Die Furche“. Nach übereinstimmenden Aussagen soll es Funder selbst gewesen sein, der diesen Namen vorschlug.

Die Vorbesprechungen für das Zeitschriftenprojekt zogen sich über den ganzen Sommer hin, im Oktober 1945 war die erste Nummer, das Null-Exemplar, fertig. Ludwig Jedlicka, der sich ebenfalls im ersten Redaktionsteam befand, berichtet von den großen Schwierigkeiten, an Quellen und Zeitschriften heranzukommen, bis ein glücklicher Zufall einen Kontakt zu der amerikanischen Besatzungsmacht schuf, was die Beschaffung von Material fortan wesentlich erleichterte.

Um diese Zeit bemühte sich Funder noch immer, Oberst Walter Adam, seinen Chefredakteurstellvertreter von 1934, als Chefredakteur für die Furche zu gewinnen.

Für die zweite Novemberhälfte war das Erscheinen der Zeitschrift geplant. Die Herausgabe wurde dann aber verzögert, weil der eben anlaufenden Wahlkampagne zur ersten Nationalratswahl die geringen Papiermengen, die in Wien vor der Zerstörung gerettet worden waren, zur Verfügung gestellt werden mußten. Tatsächlich erschien die erste Nummer am 1. Dezember 1945. Neben Funder als Herausgeber umfaßte der Redaktionsstab noch Chefredakteur Emil Mika und Georg Zimmer-Lehmann, die beide aus der „Kaminrunde“ gekommen waren. Nach dem plötzlichen Tod Mikas 1946 übernahm Funder formell auch die Chefredaktion, unterstützt von Zimmer-Lehmann. Erst später traten Kurt Skalnik, Willy Lorenz, Helmut A. Fiechtner und Roman Herle in die Redaktion ein.

Die wirtschaftliche Basis dieser Zeitungsgründung war relativ günstig: Schon bevor Funder nach Wien zurückgekehrt war, hatten Prälat Fried und Viktor Kienböck namens des Vereins „Herold“ ihre Rechte auf das Verlagshaus geltend gemacht. Als Funder

sich nun wieder in Wien einquartierte -er hatte mit seiner Frau im Herold-Haus eine kleine Wohnung bezogen -, wurde er als kommissarischer Verwalter des Unternehmens bestellt. Das Haus war zwar erhalten geblieben, hatte aber doch durch Kriegsereignisse gelitten, insbesondere bei Plünderungen waren Einrichtungsgegenstände, die 44 Jahresbände der „Reichspost“, die Zeitungsregistratur, viele zeitgeschichtliche Akten und Dokumente und Korrespondenzen der Redaktion vernichtet worden. Es waren aber vier große Rotationsmaschinen und der ganze Setzmaschinenpark erhalten geblieben, so daß die Produktion anlaufen konnte und bald auch von anderen Verlagen Arbeiten übernommen werden konnten.

Schon im Juli 1945 wurde trotz vieler Hindernisse des Verkehrs-, Transport; und Materialmangels der „Bauern-bündler“ in Hunderttausenderauflage gedruckt und bald darauf auch das „Kleine Volksblatt“, das aber dem „österreichischen Verlag“ abgegeben worden war, einer Zeitungsexpositur der ÖVP, um die Herold-Druckerei vor dem Ausrauben der Maschinen zu sichern; außerdem hätte ein Privatunternehmen nicht das nötige Papier für die Herstellung erhalten (Aussage Funders). Noch im Mai hatte der Betrieb ein Monatsdefizit von 50.000 RM, wies aber schon im August 1945 eine aktive Monatsbilanz auf. Die „Furche“ konnte also ohne finanzielle- Schwierigkeiten starten.

Am 1. Dezember 1945 stellte sich die erste Nummer der „Furche“ der Öffentlichkeit vor. „Zum Eingang“ legte sie in Kurzform ihre Zielsetzungen und ihr Programm dar: Sie wolle bescheiden, aber beharrlich der Heimat dienen, an der Wiedererweckung ihrer Lebenskräfte, am Frieden und am Wiederzusammenfinden der mißhandelten Menschheit arbeiten. „Zeitaufgeschlossen, auf das aktuelle Geschehen gerichtet, parteimäßig nicht gebunden, eine gesunde Demokratie bejahend, durch katholische Grundsätze bestimmt, will unsere Wochenschrift .“Furche' in dem zu bestellenden Grunde sein.“

Der Leitartikel „Erprobung“ befaßte sich mit dem Ausgang der Nationalratswahl vom 25. November, in 4er sich laut „Furche“ das österreichische Volk zu einem Programm der Mäßigung, für einen Weg der Mitte entschieden hatte. Das geschaffene Kräf-

teverhältnis solle vor allem zur Sicherung des inneren Friedens genützt werden.

Damit ist auch schon der Standpunkt der „Furche“ zur Koalition angedeutet, den sie so vehement in den folgenden Jahrzehnten vertrat, daß sie als „Koalitionsklammer“ bezeichnet wurde.

Genauer ausgeführt wurde die Programmatik der „Furche“ in der dritten Nummer, in der sie ihre Bereitschaft bekundete, „in voller Achtung vor der redlichen Uberzeugung Andersgesinnter“ als Forum zum Gedankenaustausch jedem offenzustehen, der denselben Zielen zustrebe, alle gesunden Kräfte zu sammeln zur Sicherung der naturrechtlichen Grundlagen der menschlichen Ordnung und zur Erneuerung an geistigem und ökonomischem Volksgut und zu sozialer und staatlicher Wohlfahrt beizutragen. Dem gegenseitigen Verstehen solle der Ideenaustausch in sachlicher und friedlicher Auseinandersetzung dienen. Wo Kritik nötig sei, werde sich die „Furche“ um die Sachlichkeit derselben bemühen. Einzugsgebiet der „Furche“, aus dem sie auch ihre geisti-

gen Quellen beziehen wollte, sollte besonders der Donauraum sein, sie sollte also auf jeden Fall über die Grenzen Österreichs hinausgreifen.

Als Themenkatalog, dem sich die Zeitschrift in besonderer Weise widmen wollte, wurden angeführt: soziale Aufgaben, Fragen des Erziehungswesens, Säuberung des verfälschten Geschichtsbildes, völkerrechtlicher Schutz des Weltfriedens, Orientierung über modernes Schrifttum, Filmwesen und Kunst und über die Erneuerung der kriegszerstörten Profan- und Kirchenbauten. Diese Schwerpunkte sind auch eingehalten worden.

Die Reaktion auf die Neuerscheinung war über alle Maßen positiv. Schon vierzehn Tage nach der ersten Ausgabe konnte Funder an Richard Schmitz, den späteren Generaldirektor des Herold-Verlages, berichten: „Die ,Furche' hat einen Erfolg errungen, auf den ich nicht gefaßt war, weit über unsere alten Kreise hinaus. Du magst Dir eine Vorstellung davon machen aus der Mitteilung, daß der Groß-zeitungsverschleiß Morawa in der Wollzeile, der für uns nur die Straßenstände, öffentlichen Lokale und Bahnhof-Verkaufsstellen . versorgt, 12.000 Stück pro Nummer für diesen Zweck allein begehrt hat. Wir haben in Wien und Niederösterreich allein die seinerzeitige Höchstauflage der .Schöneren Zukunft' bereits erheblich übertroffen.“

(Aus: Hedwig Pfarrhofer, Friedrich Funder, Ein Mann zwischen Gestern und Morgen. Verlag Styria, 1978)

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