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So ist es richtig!
Seit Wochen liefert — nach oder neben der Causa Waldheim — die Verschlechterung der Budgetsituation unseren Medien den meisten Stoff für Berichte und Kommentare. Erstaunlich (und bezeichnend) ist jedoch, daß man in den Redaktionen durchwegs vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, und zwar gleichermaßen bei der wirtschafts- wie bei der innenpolitischen Behandlung des Themas:
Beschränkt hat sich die Wirtschaftsberichterstattung weitestgehend auf Einzelursachen des drohenden Zusatzdefizits von etwa zehn Milliarden und auf Einzelmaßnahmen zur Abwehr dieser Entwicklung. So etwa haben die öffentlichen Abgaben im Zeitraum Jänner bis Mai netto um 4,77 Prozent weniger als im Vorjahr abgeworfen. Gemäß Voranschlag hätten sie aber 1987 um 1,99 Prozent mehr eintragen sollen — ein gewaltiger Unterschied, auch in absoluten Zahlen: pro Monat über eine Milliarde, der sich nicht allein damit erklären läßt, daß gegenüber der Dezember-Prognose, auf der der Voranschlag beruht, die nominelle Wachstumsrate des Sozialprodukts von 4,7 auf 3,8 Prozent zurückgenommen werden mußte.
Eher liegt die Erklärung in der anhaltend hohen Angstsparneigung der Bevölkerung — von Jänner bis Mai ist trotz Lohnsteuersenkung und auch sonst kräftigem Reallohnanstieg das Aufkommen an Mehrwertsteuer nur um 1,42 Prozent höher gewesen als vor Jahresfrist — und in der unerwartet starken Inanspruchnahme der achtprozentigen Investitionsprämie vor deren Abschaffung. Ebensowenig reicht die Prognoserevision zur Erklärung des Umstandes aus, daß auch die Nicht- Steuer-Einnahmen des Bundes (OBB und so weiter) im ersten Quartal um 1,06 Prozent niedriger statt, wie veranschlagt, um 1,77 Prozent höher waren als im Vorjahr.
Noch mehr Platz eingeräumt wurde und wird den Maßnahmen, die die Regierung bereits ergriffen hat (Kürzung der Spar- und der Investitionsförderung) oder zu ergreifen beabsichtigt, um den drohenden Anstieg des Defizits zu verhindern.
Wo aber ist genügend deutlich herausgearbeitet worden, daß allein schon die Absicht, den im Ge-
folge einer Konjunkturabschwächung drohenden Defizitanstieg hintanzuhalten, eine totale Kehrtwendung der Budgetpolitik bedeutet?
Ohne daß die Wirtschaftsberichterstattung davon Notiz genommen hätte, verabschiedet sich damit (auch) Österreich von der antizyklischen Budgetpolitik, die hier fast vierzig Jahre lang (nämlich schon seit dem Karnitz-Budget 1958) betrieben worden ist.
Diese antizyklische Budgetpolitik hätte nämlich sogar in jener „kastrierten“ Variante, zu der sich Finanzminister Ferdinand Lacina noch vor wenigen Monaten öffentlich bekannt hatte, darin bestehen müssen, daß man die „automatischen Stabilisatoren“ wirken, also die konjunkturbedingten Steuerausfälle und die Mehrausgaben für Arbeitslose voll auf das Defizit „durchschlagen“ läßt.
Und eine konsequent antizyklische Budgetpolitik (die zu betreiben die früheren Regierungen seit 1974/75 besonders stolz gewesen waren; Stichwort „Mut zum Schuldenmachen“) hätte sogar erfordert, auf die Korrektur der Wachstumsrate nach unten mit einer Korrektur des Budgetdefizits nach oben zu reagieren, also etwa unverzüglich die 4,7 Milliarden für Mehrausgaben freizugehen, die im Konjunkturausgleichsvoranschlag 1987 vorgesehen sind.
Daß die neue Koalitionsregierung entschlossen ist, den gegenteiligen Weg der Defiziteindämmung trotz beginnender Rezession zu gehen, hätte aber nicht nur im Wirtschaftsteil der Zeitungen gebührend hervorgehoben und plausibel erklärt werden wollen (nämlich mit dem Verschießen der „Budgetmunition“ mit hohen Defizitausgaben auch in den Jahren guter Konjunktur).
Vielmehr hätte der Vorrang, den die jetzige Regierung nach wie vor dem Ziel der Budgetkon- solidierung einräumt, auch Anrecht darauf, in der innenpolitischen Berichterstattung gewürdigt zu werden:
Gewürdigt zu werden als die — bisher glänzend bestandene — Bewährungsprobe der Großen Koalition.
Nicht auszudenken wäre, wie eine in der Opposition befindliche ÖVP trotz grundsätzlichem Bekenntnis zur Budgetsanierung, geschweige denn eine in Opposition befindliche SPÖ über den jetzt eingeschlagenen Sparkurs hergefallen wäre!
Aber weil die Medien auch hier dazu neigen, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, genießen das Protestgeheul und die Drohgebärden der gegen die Budgetkonsolidierung demonstrierenden Verbände und Lobbies mehr Publizität als der von der Regierung einhellig bewiesene Mut zur Unpopularität. Sowohl der Mut wie die Einhelligkeit werden bei dieser Art von Medienecho von Tag zu Tag bewunderungswürdiger …
Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der „Finanznachrichten“.
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