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So ist kein Staat zu machen

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Am kommenden Sonntag wählen die Salzburger ihr neues Stadtparlament. Die Bürgerliste in der Festspielstadt darf der Papierform nach auf einen vollen Erfolg hoffen. Und die Stadt-Freiheitlichen zittern ums Uberleben im Gemeinderat.

Am vergangenen Sonntag verpaßten die Wähler bei den Landtagswahlen im deutschen Bundesland Hessen der FDP einen vernichtenden „Denkzettel”: die Liberalen flogen aus dem Landesparlament. Dafür konnten die Grünen ihren Stimmenanteil verdreifachen.

Und nichts ist es mit der absoluten Mehrheit, von der Hessens CDU geträumt hätte: Es gibt keine regierungsfähige Mehrheit, Christdemokraten und Sozialdemokraten liegen fast Kopf an Kopf. Ohne Grüne geht nichts.

So unterschiedlich die Voraussetzungen und Umstände auch sein mögen: Da wie dort erwächst den etablierten Parteien eine Konkurrenz, mit der sie nichts anzufangen wissen.

Denn eigentlich sind Grüne und Bürgerlisten Anti-Parteien, sind das Ventil außerparlamentarischer Protestgruppen früherer Jahre, die davon leben, das bestehende Parteiensystem und sein Kräftespiel der parlamentarischen Demokratie in Frage zu stellen. Und jetzt sitzen die Vertreter dieser Gruppierungen in den Parlamenten.

Die traditionellen Parteien bangen um die Regierbarkeit, fürchten um den Fortbestand der repräsentativen Demokratie.

Die Gefahr besteht, wenn die Vertreter alternativer Listen ihre Mitarbeit an demokratischen Entscheidungsprozessen verweigern, Opposition um der Opposition willen betreiben.

Gleichzeitig besteht aber auch die Chance, daß sich alle der Leistungsfähigkeit der repräsentativen Demokratie bewußt werden, die Unzufriedenheit zum Anlaß nehmen, vor der eigenen Tür zu kehren: Ist nicht so manches nur noch parlamentarisches Ritual, was demokratischer Entschei-dungsprozeß sein sollte? Haben sich Entscheidungen nicht überhaupt von den parlamentarischen Gremien wegverlagert? Ist nicht die Identität zwischen Exekutive und Legislative eine Verbiegung der Idee von Macht und Kontrolle?

Die etablierten Parteien sind sogar noch stolz darauf, wenn sie in den eigenen Lagern keinen Widerspruch spüren. Wer wundert sich da, wenn oppositionelle Geister außerhalb Unterschlupf finden?

Es sind die Schwächen der alten Parteien, die ihre neue Konkurrenz so stark machen. Umgekehrt zeigt die Entwicklung der Bürgerinitiativen zu Grünen und Bunten Listen, daß wir auf die etablierten Parteien noch lange nicht verzichten können: Ohne Weltanschauung, ohne gesellschaftspolitische Klammer ist auf Dauer kein Staat zu gestalten. Und kein Staat zu machen.

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