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So lebten die Mönche vor 700 Jahren
Diesmal waren unter den Historikern, die sich in Krems an der Donau versammelten, besonders viele Ordensleute: aus Klosterneuburg, Lilienfeld, Göttweig, Geras, Salzburg, Maria Laach und vielen anderen Klöstern. Das Institut für mittelalterliche Realienkunde hatte zu einem Kongreß über „Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters“ eingeladen.
Abseits von der Geschichte der Dynastien und der Kriege, aber auch nicht direkt auf die Geistesgeschichte ausgerichtet, wird in dem Kremser Institut die Geschichte des Alltags erforscht. Die Klöster haben nicht nur religiöse Ausstrahlung, sie sind Entwicklungshelfer, Träger des
Fortschritts in vielerlei Hinsicht. Eine ständige Spannung zwischen Weltflucht und Weltoffenheit schlägt sich auch in Rechnungsbüchern, Inventar-Listen, Visitationsberichten nieder. Das Ideal der Zeitlosigkeit, das Streben nach Ewigkeit wird von Menschen getragen, die in ihrer Zeit leben, die sich gegen Sprache, Brauchtum, Lebensgewohnheiten ihrer Umgebung nicht ganz sperren können.
Durchforscht man die alten Archivalien nach den Gesichtspunkten der Realienkunde, dann geben sie plötzlich lebendige Auskünfte über Kleidung und Ausstattung der verschie-
denen Räume. Dann werden alte Anweisungen für den Küchenmeister zu Listen für Ernährungsweise und Speisenfolgen. Dann zeigen die Rechnungen an, daß man Unterschiede machte in der Nahrung für Ordensleute und Laien, für Kranke und Gäste. Beim „Oberessen“ des Augustiner-Chorherren-Stiftes Klosterneuburg bei Wien speisten mit dem Abt sehr hochgestellte Gäste (auf Kosten des Klosters).
Die Zisterzienser stellten das Bier mit dem höchsten Alkoholgehalt auf den Tisch des Abtes, die Mönche tranken das zweitbeste; das dünnste bekamen die Konversen - was gelegentlich zu Aufständen führte. Im ganzen waren die Speisezettel für heutige Begriffe karg und eintönig. Aber selbst die asketischen Zisterzienser kauften gelegentüch auf den Märkten in den Städten etwas Käse, öl oder Fisch zu ihren eigenen Produkten. Seit 1486 wurde auch das Verbot von Fleisch und Fett gelok-kert.
Schwierigkeiten und Kontroversen gab es immer wieder um den „In-gressus feminarum“. Konnte man Frauen in die Klosterkirche einlassen? Durften sie am Begräbnis von verwandten Klosterbrüdern teilnehmen?
Daß die Außenwelt auch auf die geistliche Musik im Kloster Einfluß nahm, wird aus der „Melker Reform“ erkennbar, die die gregorianische Einstimmigkeit wieder einführte. Aus den Visitationsberichten erfahren wir, daß die Ausübung der Kirchenmusik vielfach Laien gegen Honorar übertragen wurde, daß sogar italienische Tanzweisen Eingang ins Kloster gefunden hatten. Rückbesinnungen auf alte, strenge Tradition waren selten von lang anhaltender Wirkung. Immerhin führte die Melker Reform dazu, daß in vielen Klöstern die großen Notenblätter für den Chorgesang wertlos waren und zum Einbinden der Bücher verwendet wurden. In solchen alten Folianten kann man heute erstaunliche Entdeckungen machen. Joachim Angerer vom Prämonstratenser-Stift Geras und Dozent für Musikwissenschaft an der Wiener Universität konnte über umfangreiche Funde berichten.
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