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So machen's nur wenige

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Unbegreiflich für uns Heutige, daß seit ihrer Uraufführung Mozarts komische Oper in zwei Akten „Cosi fan tutte“, im Herbst les Revolutionsjahres 1789 entstanden und am 26. Jänner 1790 m National-Hoftheater uraufgeführt, immer wieder „rehabili-iert“ werden mußte. Lange Zeit galt sie als ein Werk zweiter )rdnung, wurde vernachlässigt oder mit einem Ballett gekoppelt. Srst Gustav Mahler, der so viel Gutes, Bleibendes für die Wiener taatsoper getan hat, stellte sie seit 1900 an den ihr zustehenden 'latz im Repertoire: als ein Meisterwerk. Richard Strauss vor illem, und Clemens Krauss festigten diesen Rang...

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Unbegreiflich für uns Heutige, daß seit ihrer Uraufführung Mozarts komische Oper in zwei Akten „Cosi fan tutte“, im Herbst les Revolutionsjahres 1789 entstanden und am 26. Jänner 1790 m National-Hoftheater uraufgeführt, immer wieder „rehabili-iert“ werden mußte. Lange Zeit galt sie als ein Werk zweiter )rdnung, wurde vernachlässigt oder mit einem Ballett gekoppelt. Srst Gustav Mahler, der so viel Gutes, Bleibendes für die Wiener taatsoper getan hat, stellte sie seit 1900 an den ihr zustehenden 'latz im Repertoire: als ein Meisterwerk. Richard Strauss vor illem, und Clemens Krauss festigten diesen Rang...

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Wanrena aer letzten danrzennte wurde „Cosi“ als eine Art Experimentierstück behandelt, und zwar von Regisseuren und Ausstattern. „Doch sag ich nicht, daß dies ein FeWesr sei“, beweist .es doch die Quicklebendigkeit dieser Musik — und auch des raffinierten Librettos von Lorenzo da Ponte. „Ernst oder Scherz?“ — das war zunächst die Frage, und ich werde mich hüten, sie zu beantworten. Aber nur um „Partnerwechsel“, wie der Titel eines von einschlägigen zeitgenössischen Inseraten geschmückten Essays im umfangreichen, sehr instruktiven, fast gelehrten Programmheft lautet, ging es nicht. Zumindest nicht darum allein. Dagegen spricht Mozarts Musik: heiter und witzig, elegisch-gemütvoll, enigmatischer, je öfter man sie hört.

Sie fand in Dr. Karl Böhm, der ein Leben lang sich für „Cosi“ eingesetzt hat, einen idealen Interpreten, der eine geradezu ans Zauberische grenzende Balance zwischen Orchesterklang und Singstimmen zu realisieren vermochte. Dabei lief keineswegs alles mit mechanischer Präzision ab. Aber gerade auch solche ein wenig diskutable Stellen tragen zum lebendigen Reiz einer Aufführung bei. — Denn es handelt sich bei „Cosi!1 um ein äußerst heikles, empfindliches Werk, das zunächst einmal vier nicht nur gleichwertige, sondern auch stimmlich homogene Hauptdarsteller und Sänger verlangt. Den überlegen wirken sollenden Philosophen Don Alfonso und Despina in der Doppelrolle des Kammermädchens und des Notars nicht zu vergessen. Hier stand, zunächst, ein gesangliches Meisterquartett zur Verfügung, dessen einzelne Träger kaum vorgestellt zu werden brauchen: Gundula Janowitz als Fiordiligi, Brigitte Faßbänder — Dorabella, deren Verlobter, Peter Schreier ■*— und Bernd Weikl — der dennoch besonders hervorgehoben werden muß. Daß sie alle, trotz nicht immer günstiger Kostümierung, gut aussahen und wie geborene Italiener agierten, war ein weiterer Vorzug dieser Aufführung — über deren Partien mächtige Schatten schweben. Denken wir nur an Hilde Güden und Christa Ludwig; fast um eine Generation älter: an P. Schöffler als Philosophen, dessen Persönlichkeit Eberhard Wächter ein Wenig matt, zuwenig dominierend erscheinen ließ; erinnern wir uns auch an die graziöse Grazieila Sciutti, der Renate Holm nachzueifern schien. — Aber was bei

dieser Interpretation Outrage war, auch das Hineinhopsen der beiden Hauptaktricen in die Himmelbetten, geht auf Rechnung des Regisseurs. Otto Schenk. >rt Das waren.wieder einmal einige seiner. uavorhepsehbaT. ren Streiche, bei sonst sehr durchdachtem, in der Ausführung dezentem Regiekonzept. (Es hätte weit

Schlimmeres passieren können ...) *

Wir sprachen eingangs von „Cosi“ als Experimentieroper. Man insze-r nierte sie zunächst wie jedes andere Bühnenwerk von Mozart. Dann kam, wohl schon zu Beginn der dreißiger Jahre, das Konzept von der „symmetrischen Parabel“ in Mode, das nicht ohne Reiz war, aber auch nicht institutionalisiert werden durfte. Günther Rennert hat erstmalig, wenn wir uns recht erinnern, damit gebrochen. Doch er beließ auch in der letzten Neuinszenierung von 1966 an der Staatsoper die diesem Konzept entsprechenden lichten Farben, das Durchsichtig-Zarte des Dekors, das Leny Bauer-Ecsy so überzeugend realisierte. — Aber Otto Schenk hat, unterstützt von Jürgen Rose, jene artistische Manier nun endgültig durch eine sich mehr dem Realismus nähernde Art aufgegeben. Und er fand in seinem Bühnen- und Kostümbildner, dessen Fähigkeiten und dessen Ästhetizismus wir sehr zu schätzen wissen, einen hervorragenden Helfer.

Zwar wurden in den vielen Bildern richtige (und aufwendige!) Kulissen aufgebaut — über die man anfangs ein wenig erschrak. Aber Rose stattete alles mit soviel Schönheit und Geschmack' aus, daß man sich nicht

nur überzeugen ließ, sondern auch seine Freude daran haben konnte. Dieser sein Geschmack ist von eklektischer Natur — das wissen wir spätestens seit seiner „Salome“-Ausstat-tung im Jugendstil. In „Cosi“ gab es zunächst einen kleinen Patio, dahinter eine quasi skelettierte Barke vor lichtblauem Himmel. — Dann ein weiträumiges Gemach, mit sechs Tafelbildern geziert und drei Bogenfenstern abgeschlossen. Dann sah man einen lichtüberfluteten Innenhof mit einer Gartenmauer und phantastischen Bäumen im Hintergrund, davor leuchtende Zitronen (oder waren es Orangen?).

Und in allen Bildern ein freundliches, südliches Licht. Was für eine Wohltat! Es sollten sich einige Meisterregisseure und Bühnenbildner gegen die Dunkelheit auf unseren Bühnen verschwören, das wäre ein erstrebenswertes Ziel. Man kann sogar einen „nächtlichen Gatten““, wie er in meinem Bild verlangt wird, durch sechs völlig unrealistische Kerzen-appliken und einen dunkelblau leuchtenden Himmel freundlich gestalten

— ein wahres Meisterstück!

Was tut es da, wenn man bei vielem (es beginnt mit dem Zwischenvorhang) bei Jürgen Rose oft das Gefühl des „dejä vu“ hat? In illustrierten Werken, auf dem Umschlag und im Inneren von Dichteralmanachen aus Mozarts Zeit, auf vielen kolorierten Stichen bei Poussin und Lorrain haben wir Ähnliches — aber eben doch wieder nicht ganz das gleiche — gesehen. Wir erkennen die großen Vorbilder und freuen uns trotzdem an den schönen hellen Farben. — Wenn die genialen Dunkelmänner, deren Ideal ' schwarze Scheinwerfer zu sein scheinen, wüßten, um wieviel eine hellerleuchtete Bühne das Lebensgefühl steigert und die Freude am Geschauten erhöht... Sie würden sich vielleicht bekehren lassen.

Und die Philharmoniker, die Philharmoniker unter Dr. Böhm? Da möchte der Kritiker den Hut abnehmen. Aber da er keinen bei sich hatte, tut er sich im nachhinein vor beiden verbeugen. Unseren Respekt

— und unseren Dank, den das Publikum — wiederholt auch auf offener Szene — läuthals vorwegnahm.

(Die Aufzeichnung dieser Produktion ist am 15. Juni um 20 Uhr in Ö 1 zu hören.) •

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