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So macht's nur einer ...

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Die einzige Salzburger Mozart-Produktion, die musikalisch in jener großen Mozart-Tradition liegt, für die nach dem Zweiten Weltkrieg Salzburg und Wien berühmt waren, ist heuer „Cosi fan tutte“. Dr. Karl Böhm verwirklicht da mit Sängern, die fast durchweg seit der Premiere vor vier Jahren seine Intentionen und Wünsche in dieser Aufführung kennen, eine Mozart-Wiedergabe, wie Sie nicht idealer sein könnte. Ohne diese Musik zu verzärteln oder süßlich zu machen, ohne ihren blitzenden Pointen etwas vom Glanz zu nehmen, ohne Gefühle pathetisch wirken zu lassen, dirigiert er sie mit einer Gefühlstiefe, die in jedem Takt der Partitur angemessen ist.

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Die einzige Salzburger Mozart-Produktion, die musikalisch in jener großen Mozart-Tradition liegt, für die nach dem Zweiten Weltkrieg Salzburg und Wien berühmt waren, ist heuer „Cosi fan tutte“. Dr. Karl Böhm verwirklicht da mit Sängern, die fast durchweg seit der Premiere vor vier Jahren seine Intentionen und Wünsche in dieser Aufführung kennen, eine Mozart-Wiedergabe, wie Sie nicht idealer sein könnte. Ohne diese Musik zu verzärteln oder süßlich zu machen, ohne ihren blitzenden Pointen etwas vom Glanz zu nehmen, ohne Gefühle pathetisch wirken zu lassen, dirigiert er sie mit einer Gefühlstiefe, die in jedem Takt der Partitur angemessen ist.

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Denn Böhm weiß nur zu genau, daß „Cosi“ eigentlich keine Komödie, sondern eine psychologische Meisterstudie ist» der stellenweise sogar Melancholie anhaftet, die tiefe Traurigkeit über die Erkenntnis, daß in der Liebe es ohne Lüge nie ganz recht geht... Und diesen tieferen Sinn der kunstvollen Maskerade, um das „Cosi“ zu beweisen, arbeitet er immer wieder mit bewundernswertem Gespür für musikdramatische Feinheiten heraus.

Zur Seite stehen ihm Sänger, die in einer Zeit reisender Stars noch immer ein Ensemble ergeben, organisch zusammengewachsen wirken.

Aber nur so kann man Mozart aufführen, nur so einen Stil erarbeiten. Ein Ereignis ist zum Beispiel Gundula Janowitz als Fiordiligi. Wie sanft und voll Wohllaut sie ihre Arien singt, um wieviel ausdrucksvoller übrigens als bei der Wiener „Cosi“-Premiere. Oder Brigitte Faßbaender als Dorabella: Sie hat all ihre frühere Kühle verloren, wirkt jetzt temperamentvoll, sehr persönlich. Und erst Reri Grist als Despina: ein quicklebendiges Geschöpf, listig kokett, amourenfreudig. Und Darstellung und makelloser Gesang bilden bei ihr eine unschlagbare Einheit. Das ist eine Opernpersönlichkeit.

Auch die Herren stehen da nicht nach: Peter Schreiers Tenor (Fernando) überbietet sich an sanftem lyrischem Ausdruck, Hermann Frey (Guglielmo) und Rolando Panerai (Don Alfonso) brillieren mit umwerfender Komödienlaune.

Daß die Aufführung szenisch nicht ganz dieses fabelhafte Niveau hält, liegt teils an Regisseur Günther Rennen, teils an den Sängern, die nun nach vier Jahren glauben, outrieren und die Witze ad absurdum führen zu können. So viel Klamauk gab es in dieser Produktion bisher noch nie. Rokokohafte Stilisierung kippt stellenweise schon um in die Karikatur und läßt dadurch Ita Maximownas süßlich überkandidelte Ausstattung noch überladener wirken, als sie ohnedies ist. Ein Zurücknehmen all der Uberzeichnungen im nächsten Jahr könnte sich nur positiv auswirken.

Andre Previn, Seiji Ozawa und Dr. Karl Böhm waren die Dirigenten der Konzerte des London Symphony Orchestra in der zweiten Festspielwoche: Ein fulminantes Orchester, auf Bravour gedrillt, daß es praktisch keine technischen Schwierigkeiten kennt; unter den europäischen Orchestern zählt es zu den besten. Vor allem romantische Symphonik und klassische Moderne sind bei den Londonern gut aufgehoben. Perfekt, schlank und doch sehr markant klingt der Streicherkörper, glanzvoll die Blechbläserriege, die, in einer Reihe postiert, dem Orchester sonoren Rückhalt bietet und in den Solostellen erstaunliche Exaktheit zeigt.

Jeder der drei Dirigneten zeigte jedenfalls, wie weit man mit den

Anforderungen an dieses Orchester gehen kann: Previn zum Beispiel mit Prokofieffs 5. Symphonie „über die Größe des menschlichen Geistes“, die er klarlinig, mit sicherem Gespür für die Effekte dieser scharfkantigen motivischen Verarbeitung aufbaut, oder auch mit Edward Elgars pathetisch aufgedonnerter Cockaigne-Ouvertüre „In London Town“, einem allzu mäßigen Stück lärmender Programmmusik von 1901, das in England als „Staatsmusik“ geradezu populär ist, hierzulande aber wohl kaum Anhänger finden wird.

Gipfel artistischer Leistung: die Londoner unter Ozawa in der Felsenreitschule, wo sie Ravels „La Val-se“ und Tschaikowskys „Vierte“ mit unbeschreiblicher Zirkusartistik abschnurren ließen, aber an Haydns D-Dur-Symphonie „Hornsignal — auf dem Anstand“ eigentlich recht ärmlich versagten. Denn Ozawa ging ^s da nur um die glatte Oberfläche, um Effekte, um Show. Und für solche Spielereien eignet sich Haydn wenig. Umso glanzvoller die beiden anderen Stücke: Ozawa steigerte beide zu Lärmorkanen, ließ seine Musiker in Ekstase musizieren. Aber die Leere hinter diesem Spektakel war damit nicht zu kaschieren. Talmiglanz, der mit echtem Orchesterglanz wenig zu tun hatte.

Schließlich dirigierte auch Karl Böhm dieses ihm besonders sympathische Orchester. Programm: Mozarts C-Dur-Symphonie (KV 338),

Schumanns „Vierte“ und das Klavierkonzert (Solist: Emil Gilels). Und da klang alles mit einem Mal wie verwandelt. Virtuos, aber voll lebendigem weichen Glanz, schlank und geschmeidig.

Auch zwei Bariton-Liederabende waren zu hören, und /.war von Publikumslieblingen, denen ihre Fans wohl jedes Programm abnehmen würden: Dietrich-Fischer-Dieskau sang ein „Eichendorf “-Programm, Lieder von Mendelssohn-Bartholdy, Schumann, Hans Pfitzner, Hugo Wolf, aber auch von zwei „Outsidern“, dem Dirigenten Bruno Walter und dem 1904 geborenen Berliner Reinhard Schwarz-Schilling, Arbeiten, die romantisch-gefühlvoll, aber äußerst konventionell klingen. Und Hermann Prey präsentierte sich mit Schubert-Liedern auf Texte von Schiller und Goethe. Fällt für Fischer-Diskau auf, daß er noch immer ein Meister äußerster Perfektion, einer überintellektuellen Darstellung ist, so merkte man bei Prey, daß er diesmal als Operninterpret (in „Cosi“) bedeutend stärkeren Eindruck hinterließ. Beide verfügen über eine technisch perfekt eng gesetztes Stimmaterial, über ein wohllautendes Mezzavoce, über eine schlanke Höhe, eine überaus klare, kultivierte Diktion. Beide zeigen eine eminent kultivierte Phrasierung. Aber Fischer-Dieskau neigt noch immer zur Manier des Überzeichnens von Einzelheiten, tut oft einfach zuviel des Guten; Prey hingegen bleibt als Liedsänger oft im Klischee stekken: Zum Beispiel seine Wiedergabe der „Bürgschaft“ wirkte allzu flach, allzu vordergründig im Pathos.

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