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So wird es nie Gesetz

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Das Volksbegehren gegen Hainburg liegt auf dem Tisch. Es ist mehr als nur ein Volksbegehren gegen ein Kraftwerk in den Donauauen unterhalb Wiens geworden. In der Form eines Bundesverfassungsgesetzes werden hier ein Grundrecht auf Umweltqualität proklamiert, die leidige Frage des Nationalparks Hohe Tauern gewissermaßen im Vorbeigehen mit einer Reihe anderer geforderter Nationalparks „gelöst", ein umfassendes Verbot von umweltbelastenden Kraftwerken normiert (Zwentendorf wird dabei durch das Verbot von Kraftwerken, die radioaktive Abfälle erzeugen, mitgenommen) und als vorrangige Ziele der Politik die Verhinderung des Waldsterbens und die Schaffung der „größten Zahl von Arbeitsplätzen durch umweltsichernde Maßnahmen" angepeilt.

Man kann fragen, ob es sehr sinnvoll ist, ein Anti-Hainburg-Volksbegehren in diesem Ausmaß zu befrachten. Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren ist jedenfalls in das Prokrustesbett eines formellen Gesetzentwurfes gepreßt. Das verlangt die Bundesverfassung. Aber schon der Titel verrät mehr Originalität als Bemühen juristischer Präzision.

Auch jeder Jurist, der an der Formulierung mitgewirkt hat, muß gewußt haben, daß ein Gesetz in dieser Form nie beschlossen werden wird und gar nicht beschlossen werden könnte. Darüber hilft auch die Form eines Bundesverfassungsgesetzes nicht hinweg, mit der man an sich formelle Schranken, die die Bundesverfassung der Bundesgesetzgebung vorgibt, außer Kraft setzen kann.

Es sind aber nicht nur eine Fülle solcher verfassungsrechtlicher Schranken (z. B. eine Reihe von Kompetenzen der Länder), sondern allgemeiner Grundsätze jeder Gesetzgebung, die hier nicht beachtet wurden. Der Aufschrei aller Verfassungsjuristen über ein solches Verfassungsgesetz wäre ganz ungeheuerlich.

Erwähnt sei nur die Bestimmung über das Grundrecht auf Umweltqualität, das man beim Verfassungsgerichtshof einklagen können soll. So wie dies hier formuliert ist, würde das „Grundrecht auf Umweltqualität" auf dem Papier bleiben, weil für eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs alle notwendigen rechtlichen Kriterien fehlen.

Daran ändert auch der Verweis auf ein besonderes Bundesgesetz nichts. Und der Wald wird nicht zu sterben aufhören, nur weil seine Rettung im Artikel III dieses Entwurfs als Ziel der Politik proklamiert wird, wenn nicht — auch gesetzlich — etwas mehr getan wird.

In Wahrheit enthält dieses Volksbegehren in dem von der Bundesverfassung vorgeschriebenen Korsett eines Gesetzentwurfs ein umfassendes, freilich auch etwas vages Programm der Umweltpolitik, dessen Realisierung einer Fülle einzelner Gesetze, sowohl des Bundes als auch der Länder bedürfte. Diese politische Kleinarbeit kann das Volksbegehren nicht ersetzen, und es wird hoffentlich dadurch nicht die Illusion geweckt, daß dies so möglich wäre.

Der eigentliche Sinn dieses Volksbegehrens kann es nur sein, alle maßgebenden Stellen — Nationalrat, Bundesregierung, Landesregierungen, /Landtage und vor allem die politischen Parteien — zu einer Uberprüfung ihrer bisherigen (fehlenden?) Umweltpolitik zu drängen. Wer dies wünscht, kann das Volksbegehren unterschreiben.

Niemand kann aber ernsthaft erwarten, daß dieses Volksbegehren, so wie es formuliert ist, auch vom Nationalrat beschlossen werden wird.

Die Frage bleibt, ob nicht ein auf Hainburg beschränkter, juristisch präziser formulierter Entwurf mehr Chancen gehabt hätte, auch so vom Nationalrat beschlossen zu werden.

Der Autor ist Professor des öffentlichen Rechts an der Universität Wien, Institut für Staats- und Verwaltungsrecht

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