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Sohne der Westsahara

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Spielt Österreich bei der Anerkennung der „Republik Westsahara“ eine diplomatische Vorreiterrolle wie bei der PLO? Dazu ein Gespräch mit der ÖVP-Stadträtin Dolores Bauer.

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Spielt Österreich bei der Anerkennung der „Republik Westsahara“ eine diplomatische Vorreiterrolle wie bei der PLO? Dazu ein Gespräch mit der ÖVP-Stadträtin Dolores Bauer.

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FURCHE: Frau Bauer, Sie haben vor kurzem in einer Pressekonferenz die diplomatische Anerkennung einer Republik im Exil, die Anerkennung der demokratischen Republik Sahara“ (DARS), durch Österreich gefordert. Welche Motive hat die ÖVP-Stadträtin von Wien hinter diesem Begehren?

DOLORES BAUER: Ich habe diese Forderung nicht vordergründig als Stadträtin gestellt, sondern als Mensch, der sich seit vielen Jahren für die Probleme des Südens engagiert. Das ist meine Motivation, denn ich bin fest davon überzeugt, daß dieses Volk, so klein es auch sein mag, ein Menschenrecht auf sein Land hat.

FURCHE: Wollten Sie damit bewußt den vergessenen Krieg in der Wüste, wie er vielfach bezeichnet wird, auch den Österreichern wieder in Erinnerung rufen?

BAUER: Ja, denn er ist nur bei sehr wenigen im Bewußtsein. Doch für die Menschen in der algerischen Wüste ist das Leiden alltäglich.

Jeden Tag nur überleben zu können, wenn die internationale Gemeinschaft hilft, ist entwürdigend auf Dauer. Dies bedeutet nämlich, in die Position der aufgehaltenen Hand gedrängt zu werden und gleichzeitig zu wissen, dort ist mein Land, das ich aufbauen könnte und für das auch jeden Tag gestorben wird. Diese Situation stellt für uns eine Herausforderung, eine Verpflichtung dar.

FURCHE: Worin sehen Sie dieses Recht auf ihr Land, das die Sahrauis nun seit mehr als zehn Jahren fordern?

BAUER: Diese Menschen haben dort als nomadisierende Stämme gelebt, sie haben dieses Land bebaut, haben dort gefischt und hatten dort ein Staatsgefüge an sich gehabt, das ihnen eigentlich nie richtig gehört hat. Zuerst waren da die Spanier, dann die Mauretanier, und nun sind es die Marokkaner, und wie die ein Recht auf ihr Land haben, so hat auch das Volk der Sahrauis das Recht auf ein Land. Natürlich ist es als Volk erst in der Diaspora entstanden. Aber die Westsahara ist die Erde ihrer Väter.

FURCHE: Sehen Sie die Besetzung der Westsahara als eine gravierende Menschenrechtsverletzung Marokkos? Auch Marokko beruft sich auf die Geschichte und auf Verträge, etwa mit Spanien.

BAUER: So wie es auch andere Verträge gibt. Ich habe auch ein von General Franco unterzeichnetes Dokument gesehen, das den Sahrauis die Souveränität und die Sicherheit innerhalb der Grenzen garantiert.

Man kann immer irgendwelche Dokumente von der einen oder anderen Seite sehen. Die historisch eindeutig erwiesene Tatsache auch in ihrem Lebensvollzug ist, daß diese Menschen in der Wüste beheimatet sind. Im Gegensatz zu den jetzt dort ansässigen Marokkanern, die einfach vom Norden heruntergesiedelt werden und unglücklich darüber sind.

FURCHE: Für die völkerrechtliche Anerkennung eines Staates verlangt man ein Volk, ein Land, eine Sprache. Wer im Exil lebt, kann aber das Prinzip nach einem Land nicht erfüllen.

BAUER: Doch, da auch Teile vom Land direkt vorhanden sind,die sogenannten befreiten Gebiete. Die machen immerhin etwa 25 Prozent des Landstreifens aus.

FURCHE: Und davon konnten Sie sich auch persönlich überzeugen, oder ist das nur politische Propaganda?

BAUER: Ja, davon konnte ich mich auch persönlich überzeugen. Ich habe zwar nicht alle 2000 Kilometer geschafft, aber bei den mehr als tausend Wüsten-Kilometern war die Polisario (Front zur Befreiung von Sagial-al-Hamra und Rio de Oro) überall präsent.

FURCHE:Die restlichen 75Pro-zent des Landes schützt Marokko mit Hilfe des berühmt-berüchtigten Betonwalls. Dieser Wall, finanziert durch ausländische Hilfe, mit seinen Radaranlagen hat den Krieg zum Stillstand gebracht. Wie beurteilen Sie die heutige militärische Lage?

BAUER: Dieser Krieg ist nie zum Stillstand gekommen. Er ist heute vielleicht weniger blutig. Die Idee Marokkos, sich einzementieren zu können und die Soldaten schlafen zu lassen, diese Idee geht ja nicht auf. Die Sahrau-is bombardieren jeden Tag die Unterstände und überschreiten den Wall.

FURCHE: Zugegeben, die Sahrauis haben ein Ziel. Aber auch Marokko versprach vor zehn Jahren Teilen seiner Bevölkerung durch den sogenannten „Grünen Marsch“ Land und Wohlstand. Offensichtlich ist diese Saat nicht aufgegangen.

BAUER: Sie ist nicht aufgegangen, obwohl ich das nicht überprüfen konnte. Aber nach den Aussagen vieler Politiker sind die Mitläufer am „Marsch der Elenden“ nicht reicher geworden. Denn nicht die armen Marokkaner fischen an der Küste, sondern die großen multinationalen Konzerne mit ihren Fischfabriken wurden dazu eingeladen.

FURCHE: Die Polisario hat die volle Unterstützung der Organisation Afrikanischer Staaten (OAU). Auch innerhalb der UNO hat es eine ganze Reihe von wichtigen Resolutionen gegeben, und erstmals fanden auf sehr hoher Ebene Gespräche statt. Wie beurteilen Sie diese diplomatischen Bemühungen?

BAUER: Ich glaube, jetzt ist der Punkt erreicht, wo es auf Europa, und im speziellen auf Österreich ankommt, wenn es Österreich schafft, über seinen marokkanischen Schatten zu springen. Denn in dem Augenblick, in dem europäische Staaten ja zu diesem Volk und seiner Existenzberechtigung sagen, kann sich die UNO mehr um die legitimen Rechte dieses Volkes annehmen.

FURCHE: In Österreich wird immer wieder auf die Wirtschaftsbeziehungen verwiesen. Die Steyr-Panzer aus den siebziger Jahren wurden von Marokko noch immer nicht bezahlt...

BAUER: Die müssen sowieso von der Kontrollbank bezahlt und abgeschrieben werden...

FURCHE:Das heißt, Österreich brauchte keine Rücksichten mehr nehmen?

BAUER: Ich glaube nicht. Die Wirtschaftsbeziehungen, die man mit Marokko nicht abbrechen müßte, würden eine Zeit vielleicht getrübt sein. Aber das kann man aushalten.

FURCHE: Was hätte es nun für eine internationale Wirkung,würde Österreich die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) noch heute diplomatisch voll anerkennen?

BAUER: Das würde vor allem Wirkung auf jene Länder haben, die bereits ihre Bereitschaft bekundeten, die DARS diplomatisch anzuerkennen. Das wären Schweden, das unter Olof Palme sogar den Vorreiter gespielt hätte, dann Finnland, Italien und auch Spanien.

FURCHE: Die diplomatischen Überlegungen und Vorstöße haben noch nicht unmittelbare Auswirkungen in den Flüchtlingslagern. Dort nagt die Not. Was sind hier die Hauptprobleme?

BAUER: Vor allem die Versorgungsfrage. Hilfe kommt aber nicht immer dann, wann sie dringend benötigt wird. Hier sind die Österreicher natürlich zu mehr Engagement und Hilfe herausgefordert. Volkshilfe und Caritas leisten bereits großartige Hilfe, aber es ist noch viel zu wenig. Obwohl Österreich durch seine jahrelange Hilfe bei den Sahrauis besonders geschätzt wird.

Dolores Bauer ist Wiener Stadträtin der OVP. Mit Dolores Bauer sprach Stefan Schennach.

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