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Solidarität mit bedrohter Umwelt

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Kardinal König fordert in der Umweltdiskussion den „Respekt vor der Überzeugung des jeweils anderen”. Trotzdem entzweit jetzt ein Volksbegehren Familien und Generationen: sogar die „Aufbaugeneration”.

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Kardinal König fordert in der Umweltdiskussion den „Respekt vor der Überzeugung des jeweils anderen”. Trotzdem entzweit jetzt ein Volksbegehren Familien und Generationen: sogar die „Aufbaugeneration”.

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„Die Erde ist entweiht durch ihre Bewohner; denn sie haben die Weisungen übertreten, die Gesetze verletzt, den ewigen Bund gebrochen.”

Spiegelt sich in diesen Worten des Propheten Jesaja nicht die brennende Sorge vieler Menschen von heute über die Verwüstung der Umwelt, über die Vergiftung von Luft, Wasser und Boden, über die Zerstörung der natürlichen Landschaft?

Wir können Angst und Sorge überwinden, wenn wir uns den Bedrohungen unserer Zeit wirklich stellen. Diese Bedrohungen erfordern ein gründliches Nachdenken über den Zustand des heutigen Menschen, über das gestörte Welt- und Menschenbild einerseits und über den Platz des Menschen in der Schöpfung andererseits.

Der erste Schritt zur Uberwindung der Umweltkrise besteht schon darin, die Position des

Menschen in der Schöpfung richtig zu sehen. Der Mensch ist nicht absoluter Herr, er ist nicht zum zerstörerischen Tyrannen berufen. Er ist selbst Geschöpf - und damit zur Solidarität mit seinen Mitgeschöpfen verpflichtet.

Aber die Natur andererseits ist nicht unantastbar. Sie ist keine mythische Größe. Der Mensch hat eine besondere Stellung im Ganzen der Schöpfung. Er darf alles in der Welt zu seinem Nutzen gebrauchen - aber er darf die Natur deshalb nicht mißbrauchen.

Das Verhältnis von Mensch und Natur ist gestört, aber es ist nicht zerstört. Im Korintherbrief schreibt Paulus den eindrucksvollen Satz: „Die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes.” Die Söhne und Töchter Gottes begegnen der Natur anders als der alte Adam:

# Sie bebauen und hüten die Erde, aber sie zerstören sie nicht und beuten sie nicht aus.

# Sie wissen sich in Solidarität mit der ganzen Schöpfung verbunden; ihre Haltung gegenüber allem Geschaffenen ist von Ehrfurcht geprägt.

• Sie sind sich der Verantwortung gegenüber der natürlichen Umwelt genauso bewußt, wie der Verantwortung gegenüber den Mitmenschen.

• SiekönnenMaßhalten.siesind fähig, ihre Ansprüche zu vermindern und einfacher zu leben.

# Sie wissen, daß der Wert des Menschen nicht davon abhängt, was er hat, was er besitzt, sondern davon, was er ist und wie er ist. 0 Sie sehen Natur, Welt, Leben nicht nur im Blickwinkel der Nützlichkeit, sondern vermögen sich an der Schönheit der Schöpfung zu freuen.

• Sie denken nicht nur an sich, sondern auch an die kommenden Generationen und deren Lebenschancen.

Ist dieser neue Mensch „nur Utopie”, ein schöner Traum? Ich glaube nicht. Viele Menschen spüren, daß die Lebensordnung des praktischen Materialismus, an die wir uns gewöhnt haben, dem menschlichen Dasein keinen Sinn gibt.

Umkehr der Herzen

Ja, wir stellen fest, daß eine materialistische Lebenshaltung letzten Endes auch die materiellen Lebensgrundlagen gefährdet. Der christliche Glaube will mithelfen, daß sich der „neue Mensch”, wie er im Korintherbrief anklingt, entfalten kann.

Die Sanierung der Umwelt beginnt notwendigerweise bei der Sanierung der Herzen und des Gewissens. Die Umkehr der Herzen ist die Voraussetzung dafür, daß eine Haltung entsteht, die in der Erde mehr sieht als ein schrankenlos ausbeutbares Reservoir.

In der heutigen Situation fragen viele — Gläubige und Nichtglau-bende: Was können die Christen, was kann die Kirche tun, um mitzuhelfen, daß der natürliche Lebensraum des Menschen gesichert wird?

Die Kirche hat als solche keine Kompetenz, für oder gegen einzelne Projekte Stellung zu beziehen. Sie kann eine ethische Grundposition aufzeigen: die der Ehrfurcht vor der Schöpfung, die der Solidarität mit der bedrohten Umwelt.

In der konkreten Anwendung kann es — auch unter überzeugten Christen — legitimerweise zu verschiedenen Auffassungen kommen. Auf jeden Fall sind dabei — und das gilt für alle, Christen wie Nichtchristen — drei Haltungen zu fordern: sorgfältiges Studium der Situation, ernsthaftes Uberlegen im Sinn einer ethischen Grundentscheidung, Respekt vor der Uberzeugung des jeweils anderen.

Aus der Predigt von Kardinal Franz König beim Gebetsgottesdienst zum Thema „Der Mensch - Gestalter und Hüter der Erde am 1. März im Wiener Stephansdom.

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