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Solidarität mit den Brüdern Sehnsucht nach Einheit

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Mit der Wahl des Bischofs Josią Kibirą von der Evangelisch-lutherischen Kirche Tansanias zum neuen Präsidenten der großen Völker- und Konfessionsfamilie und einem Abschlußgottesdienst endete die 6. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Daressalam. Zum ersten Mal in der dreißigjährigen Geschichte dieses Bundes, der 95 Mitgliedskirchen zählt, vertritt ein Schwarzafrikaner 55 Millionen Lutheraner.

Der Tagungsort Afrika sollte auf die Probleme des schwarzen Kontinents aufmerksam machen, die Entwicklung im südlichen Teil des Kontinents war dann auch das politische Hauptthema. Mit einem Appell zu wirtschafte liehen Einschränkungen der Industrienationen zugunsten der Länder in der Dritten Welt wurde die Versammlung eröffnet. Prof. Mikko Juva aus Finnland, der Vorgänger von Bischof Kibirą, sagte, von der in der ganzen Welt bestehenden „schreienden Ungleichheit” sei der Unterschied zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern am empörendsten.

In einer Welt mit begrenzten Rohstoffquellen sei es nicht möglich, das wirtschaftliche Ungleichgewicht zu beseitigen, ohne den Lebensstandard der wohlhabenden Länder zu senken. Rassendiskriminierung, internationale Ungerechtigkeit und Ausbeutung, müßten deshalb yorrąpgįge Konferenzthemen sein, um sich mit den leidenden Brüdern und Schwestern zu solidarisieren.

Afrikanische Kirchenführer stellten sich in ihren Ansprachen hinter den Befreiungskampf ihrer Völker gegen Rassismus und Unterdrückung durch weiße Minderheiten. So forderte der Bischof Manas Buthelezi eine „neue Kirche” ohne historische, denomina- tionelle und konfessionelle Besonderheiten. Auf die Aufgaben der Kirche der Gegenwart eingehend, rief der schwarze Theologe auf, „in Christus zu einer neuen Gemeinschaft im Heiligen Geist” zu kommen.

Buthelezi befaßte sich außerdem mit Gemeinsamkeiten bei Gottesdienst und Bekenntnis und mit der Identifikation der Kirche mit den Unterdrückten dieser Welt. Er meinte, daß sich die „Missionare aus dem Norden” nicht mit den Unterdrückten, unter denen sie arbeiten, identifizieren. Was gemeinsame Gottesdienste anbelangt, könne keiner, der bewußt aus rassischen oder sonstigen politischen Gründen diese meide, behaupten, dennoch zu der einen Kirche zu gehören. Dies sei nicht nur Unvermögen, die Einheit zum Ausdruck zu bringen, sondern die Realität kirchlicher Uneinigkeit.

„Wenn die Uneinigkeit soweit geht, daß nicht nur das gemeinsame Einnehmen des Heiligen Abendmahles, sondern auch das gemeinsame Trinken einer Tasse Kaffee abgelehnt wird, hat die Kirche jenen konfessionellen Zustand erreicht, die eine Verfälschung der wesentlichen Glaubensinhalte bewirkt hat, die letztlich in der Zeit der Reformation zur Gründung einer neuen Kirche geführt haben. Ein solcher Gottesdienst, der einige Menschen auf Grund ihrer Rasse oder politischen Überzeugung bewußt ausschließt, kann sehr wohl der Kult eines spaltenden Gottes sein, der dem Gott, Vater von Jesus Christus, fremd ist. In einigen Ländern gehen Weiße in weiße Kirchen und Schwarze in schwarze mit den entsprechenden Folgen für alle, die diese Regeln übertreten. Es gilt noch immer als schreckliche Vision, sich einen Schwarzen als Pastor einer weißen Gemeinde vorzustellen.”

Zwischen Weiß und Schwarz gebe es nach Bischof Buthelezi erst nach der Befreiung eine Versöhnung. Leidenschaftlich sagte er: „Eine Kirche, die nicht mit den Unterdrückten ist, kann nicht damit rechnen, von diesen willkommen geheißen zu werden, wenn sie am Ende ihres Kampfes ihren Sieg feiert.”

Nach solch massiven Erklärungen der Bischöfe des Gastgeberlandes wollte sich der Amerikaner D. William Lazareth nicht hinter seinem bereits vervielfältigten Referat verstecken. Deshalb stellte er ad hoc seinen Vortrag unter den Titel: „In Christus - verantwortliche Sorge für die Schöpfung” und meinte: „Wir Lutheraner , haben nicht deutlich genug - weder in Wort noch durch die Tat- Zeugnis gegeben für die Offenbarung, die Befreiung und die Revolution.”

Schließlich wurde ein Sonderausschuß gebildet mit dem Ziel, die schwarzen und weißen Kirchen Südafrikas zu vereinen. Denn nur eine vereinigte Kirche könne aktiver als bisher gegen das herrschende Apartheidsystem kämpfen.

Mit der Parole „Die neue Gemeinschaft schließt auch Frauen ein”, wollte man für eine stärkere Beteiligung von Frauen in den Leitungsgremien des Lutherischen Weltbundes demonstrieren. Damit sollte auch auf den „kleinen Unterschied” aufmerksam gemacht werden, den die deutsche Publizistin Alice Schwarzer zum Schlüsselwort der weltweiten Frauenfrage gemacht hat.

Die Welt ist heute eine Schicksalsgemeinschaft, in der man nur noch gemeinsam leben oder sterben könne, wurde betont. Deshalb müsse diese neue Gemeinschaft in Christus nach Vergebung, Versöhnung und Befreiung suchen. Vergebung und Versöhnung, aber auch Befreiung sind für den von der Versammlung mit hohem Prioritätsanspruch geforderten Dialog mit der katholischen Kirche vonnöten. Neben Gesprächen über die Eucharistie und das Amtsverständnis will man über Vorschlag katholischer Theologen, besonders des Professors Schütte vom Einheitssekretariat, über die Anerkennung der lutherischen Bekenntnisschrift, der Confessio Augustana, sprechen.

Fragen nach der Wahrheit sowie die für beide Kirchen noch bestehenden Schwierigkeiten, dürfen nicht ausgeklammert werden. Weiters müssen die interkonfessionellen Gespräche allgemein verständlich gemacht und auch verdeutlicht werden, „wieso es möglich war, daß Punkte, die in der Vergangenheit getrennt haben, nicht mehr als trennend angesehen werden”.

Auch mit der Orthodoxie werde man offizielle Gespräche führen. Der Sorge mit der christlichen Rundfunkarbeit, die nach der Verstaatlichung des Senders „Stimme des Evangeliums” durch die äthiopische Regierung aufgetaucht war, sollte durch Suchen neuer Möglichkeiten in anderen Ländern Afrikas begegnet werden.

Waren die Anstrengungen der Organisation einer solchen Konferenz, war der materielle Einsatz gerechtfertigt, war es notwendig, nach Afrika zu gehen? Man wird mit Ja antworten müssen. Hier in Daressalam hatten sich die Vertreter der Dritten Welt in ihrer Umgebung zu artikulieren, und sie konnten es überzeugender in Afrika, als in einem anderen Kontinent. Die Anbahnung eines Dialogs mit der römisch-katholischen Kirche über die lutherische Bekenntnisschrift Confessio Augustana muß als ein Ereignis von weittragender Bedeutung genannt werden, wenn auch der sich anbahnende Prozeß noch dauern wird.

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