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Soll Wien international Provinz bleiben?

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Wenn am 23. August das Internationale Zentrum Wien im Donaupark eröffnet werden wird, werden rund 3000 ständige Beamte der Vereinten Nationen in Wien tätig sein. Insgesamt leben knapp 50.000 Ausländer, Gastarbeiter nicht eingerechnet, in Wien. Österreich hat der UNO die Errichtung einer Internationalen Schule nach dem Muster von New York und Genf rechtlich verpflichtend zugesagt. Lehrer und Schüler sind längst vorhanden - um den 'Schulstandort wird seit Jähren in beschämender Form gerungen.

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Wenn am 23. August das Internationale Zentrum Wien im Donaupark eröffnet werden wird, werden rund 3000 ständige Beamte der Vereinten Nationen in Wien tätig sein. Insgesamt leben knapp 50.000 Ausländer, Gastarbeiter nicht eingerechnet, in Wien. Österreich hat der UNO die Errichtung einer Internationalen Schule nach dem Muster von New York und Genf rechtlich verpflichtend zugesagt. Lehrer und Schüler sind längst vorhanden - um den 'Schulstandort wird seit Jähren in beschämender Form gerungen.

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Mit diesem Artikel sollte ursprünglich vor allem eines bezweckt werden: österreichischen Eltern zu empfehlen, ihre Sprößlinge in die Internationale Schule Wien zu schicken, damit ihnen dort in jungen Jahren zuteil wird, woran es uns allen im Alter mangelt: Weltaufgeschlossenheit, kosmopohtische Weite, Bereitschaft zum Ausbhck über den rotweißroten Zaun hinaus.

Bei näherem Zusehen freilich muß man mit einer solchen Empfehlung leider zögern. Da ist einmal die schulische Seite. Die Internationale Schule Wien, hervorgegangen aus der früheren Englischen Schule, gilt rechtlich als Privatschule, hat allerdings schon ein Ansuchen um Zuer-kennung des öffentlichkeitsrechtes eingebracht und wird dieses sicher erhalten, sobald das Schulstatut fertig ist. Als Erfüllung der in Österreich vorgeschriebenen Schulpflicht gut ihr Besuch schon heute.

Probleme gibt es aber bei der Fächerwahl. Die Oberstufe der Internationalen Schule ist stark naturwissenschaftlich orientiert, sieht aber nur zwei Fremdsprachen als Pflicht vor. österreichische Eltern müßten also durch Nachhilfestunden dafür

-!-_-_sorgen, daß ihre Kinder entweder schon in oder knapp nach der Unterstufe in Latein Maturaniveau erreichen oder ihren Kindern in der Oberstufe zusätzliche Lateinstunden verschaffen, was vielleicht zu einer Vernachlässigung von Mathematik, Physik und Chemie führen und in einem dieser Fächer Nachprüfungen erforderlich machen würde.

Die Phase I der Internationalen Schule hat mit dem Unterrichtsjahr 1978/79 begonnen - mit einem Programm, das im wesenthchen dem in New York und in Genf angebotenen entspricht. Die Phase II beginnt im Herbst 1979 und sieht als Abschlußziel das Internationale Baccalaureat vor: ein akademischer Grad, der in Österreich unbekannt ist (im anglo-sächsischen Bereich der „bachelor“) und kraft internationaler Vereinbarung unserer Matura gleichgehalten werden soll, tatsächlich aber im naturwissenschaftlichen Bereich qualitativ eher darüber hegt. (Vor allem sind etwa 40 Prozent des Lehrstoffs der praktischen Arbeit in Labors gewidmet.)

15 Wochenstunden sind für Sprachen vorgesehen (aber nicht Latein). Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, Chinesisch stehen wahlweise im Vordergrund, aber auch Serbokroatisch und Arabisch werden gelehrt. „Bei uns kann man besser Arabisch lernen als etwa im Jemen“, meint dazu Direktor Maurice Pezet, der sich als Stellvertretender Direktor der UN-Schule in New York einen Ruf als hervorragender Pädagoge und Manager erworben hat.

Derzeit klingt in seiner Schulschilderung freilich immer wieder die Sorge um die Unterbringung durch. Was man versteht, wenn man die Schulgeschichte Revue passieren läßt: In der Grinzinger Straße 95, wo Kindergarten und Volksschule einst der Englischen, jetzt der Internationalen Schule untergebracht sind, wurde der Platz für die Mittelschule zu eng.

Daraufhin mußte man in ein schäbiges Amtsgebäude in der Liechtensteinstraße übersiedeln. Grinzing wurde renoviert, der „Mittelschul-teil“ kehrte im Februar 1978 dorthin zurück. Nach einem halben Jahr hieß es neuerhch ausziehen, weil der Schülerandrang zu groß war. Diesmal bot die Stadt Wien das Jugendgästehaus in der Pötzleinsdorfer Straße an, doch mußte zu Beginn des Semesters erst noch eine dreiwö-chige„Notlösung in einem Ausweichquartier in der Zollergasse eingeschoben werden.

Uber den endgültigen Standort brütet ein interministeriehes Komitee, in dem Vertreter des Außen-, des Finanz- und des Unterrichtsministeriums sowie der Gemeinde Wien sitzen. Gutachten über Kompetenzvorränge in dieser und jener Frage gibt es jedenfalls mehr als Schulgebäudeangebote.

Was man schon alles offeriert hat, war teilweise von beschämender Qualität. „Ich betrachte mich schon als Experten für leerstehende Gebäude in Wien“, sagt Direktor Pezet, der ansonsten bemüht ist, die Kooperation der österreichischen Stellen sehr zu loben. Österreicher können es sich leisten, unverblümter zu formulieren: Die Kleinlichkeit mancher Angebote und die Verschleppung der Entscheidung sind wirklich befremdend und mit dem amtlichen Hinweis, „Gigantomanie“ würde vom Steuerzahler nicht goutiert, nicht zu entschuldigen.

Für den Herbst wurde der FURCHE vom Außenamt ein „definitives Provisorium“ angekündigt, dem ein „endgültiges Definitivum“ folgen werde. Bis dahin werden Diplomaten und UN-Beamte, die bei der Wohnungssuche in Wien naturgemäß nach dem Standort der Schule entscheiden wollen, weiter die Antwort erhalten: „Jedes Semester woanders.“

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