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Sonder-barer Straßenbau

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Hinter mir die Sintflut - ist das die neue Sekanina-Losung? Fragwürdige Sonderkonstruktionen ersetzen im Bautenministerium immer mehr die vernünftige Finanzplanung.

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Hinter mir die Sintflut - ist das die neue Sekanina-Losung? Fragwürdige Sonderkonstruktionen ersetzen im Bautenministerium immer mehr die vernünftige Finanzplanung.

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Es begann in den sechziger Jahren, als die Welt noch neu und nett war, das Wirtschaftswachstum hoch und die Kreditzinsen niedrig.

Die 38 Kilometer lange Alpenautobahn über den Brenner kostete damals 3,4 Milliarden Schilling, zuzüglich 2,6 Milliarden an Finanzierungskosten. 1972 wurde sie fertiggestellt.

Fast zehn Jahre später, 1981, durchschnitt Bautenminister Karl Sekanina das Band für die

Scheitelstrecke der Tauernauto-bahn — rund doppelt so lang (77 Kilometer), aber fast viermal so teuer, 23 Milliarden Schilling in Beton und Stahl gegossen.

Ein würdiger Anlaß zum Umdenken. Sekanina dachte um.

Er gründete 1982 die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finan-zierungs AG (ASFINAG) die fortan in großem Stil das „Kleingeld” für den Autobahnen- und Schnellstraßenbau über Anleihen und Direktkredite auf dem freien Kapitalmarkt heranschaffen sollte.

Von den Straßenbausondergesellschaften für Brenner, Arl-bergtunnel, Pyhrn- und Tauern-autobahn übernahm die ASFINAG 25 Milliarden Schilling an Schulden.

Der gesteckte Kreditrahmen von 45 Milliarden Schilling zuzüglich weiterer 45 Milliarden Schilling Finanzierungskosten war von Beginn an knapp bemessen.

Zu knapp wie sich nun herausstellt. Noch im Jänner dürfte eine Aufstockung auf 120 Milliarden, also gleich um ein Drittel, beschlossen werden, was nicht verwundert, bedenkt man, daß allein 1984 fast zehn Milliarden Schilling für Bauausgaben und Zinsen benötigt wurden. Mit 13 bis 15 Milliarden Schilling jährlich beginnt das im wesentlichen aus der Mineralölsteuer gespeiste Straßenbaubudget zunehmend den Anschluß an die Höhenflüge der ASFINAG zu verlieren, um so mehr als der Anteil, der für die Erhaltung der bestehenden Bundesstraßen nötig ist, progressiv steigt. 1985 werden hiefür bereits sechs Milliarden aufgewendet werden müssen.

Die flotte Streichung von fünfzig Autobahnkilometern und 600 Kilometern Schnellstraße im Rahmen einer ebenfalls demnächst zu beschließenden Bundesstraßennovelle hat nicht nur die Bundesländer verärgert. Man vermißt integrierende Bestandteile des Hochleistungsstraßennetzes wie den Teil der Südautobahn über den Griffener Berg, den Ausbau des Schoberpasses und die Strecke Sattledt — Win-dischgarsten.

Aber schon hat der Minister die nächste Sondergesellschaft kreiert Die Wiener Straßenplanungsgesellschaft, die kürzlich mit einem Grundkapital von vier Millionen Schilling von Bund und Gemeinde Wien gegründet wurde, soll zwar laut Ministerium nur planen, doch fragt man sich, wie sie das Geplante realisieren wird, denn Experten vermissen für Gürtellösung und Westeinfahrt die nötigen Finanzmittel. Weder die ASFINAG noch das Straßenbaubudget kommen dafür in Frage. Der Schluß liegt nahe, daß auch hier ein neuer Schuldentopf entsteht.

Trotzdem hält Sekanina eisern an der „Ausgliederungspolitik” fest. Seine neueste Idee, die Hochbauvorhaben des Bundes in einer Sondergesellschaft unterzubringen und damit ein neues Faß ohne Boden zu schaffen, hat wegen der damit verbundenen teilweisen Entmachtung der Landesbaudi-rektionen scharfen Protest der Bundesländer hervorgerufen.

Sekanina dürfte dies kaum stören, betreibt er doch mit seinem 17köpfigen Ministerbüro auch in Wien gezielte Personalpolitik, vielfach an den Beamten vorbei und mit wenig Rücksicht auf fachlich-technische Kompetenzen.

Als Beispiele nennt man den kometenhaften Aufstieg des Seka-nina-Mannes Heinz Talirz zum Doppel-Generaldirektor von AS-TAG (Arlberg-Straßentunnel AG) und PAG (Pyhrn-Autobahn AG) und die Designierung des Se-kanina-Mannes Alois Schedl zum Leiter der Planungsgesellschaft Wien.

Aber es geht nicht nur um Politik und Geldmangel allein im Baubereich. Beton ist „out”, und die Bauwirtschaft, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer enger denn je zusammengerückt sind, steht an zweiter Stelle in der Insolvenzstatistik. Sie ringt mit einer schweren Strukturkrise.

Damit verstärkt sich zwangsläufig der Druck auf die Politiker. Ein Vergleich mit der Energie-Wirtschaft wird von den Straßenbauexperten zurückgewiesen, dennoch ist es unübersehbar, daß auch hier eine starke Baulobby notwendige Strukturbereinigungen durch politischen Druck und mit dem Argument der Arbeitsplatzsicherung aufschieben will.

Ebenso unübersehbar ist freilich auch, daß Gewerkschafter nicht nur in der Au ihre Probleme mit neuen Vorstellungen von Demokratie haben. Auch im Bautenministerium übt sich ein Gewerkschafter in der Kunst, die niemand kann, nämlich es allen recht zu tun und dabei die eigene Machtfülle stets als oberstes Ziel im Auge zu behalten.

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