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Sorge der Kleinen

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Daß im März 1938 als einziger Mitgliedstaat Mexiko beim Völkerbund gegen Hitlers Uberfall auf Österreich protestierte, hat man dieser Tage bei uns wie in Mexiko memoriert. Es soll unserer späten Dankesbezeigung keinen Abbruch tun, wenn wir uns das stärkste Motiv für diesen Protest in Erinnerung rufen.

Das stärkste Motiv, meinen Historiker, war nicht Sorge um das ferne Österreich. Das stärkste Motiv Mexikos war Sorge um die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit gegenüber den USA. „So soll ein Großstaat nicht ein Nachbarland behandeln“: Das war die Botschaft.

Diese Botschaft ist auch heute in Mittelamerika aktuell. Seit die USA eine Supermacht sind, haben sie die ,ßananenrepubliken“ Zentralamerikas so wie Plantagenbesitzer ihre Dienstboten behandelt — von gönnerhaft bis ausbeuterisch, je nachdem, wie dringend man sie gerade brauchte.

Unter den Präsidenten Kennedy und Carter gab es Ansätze für ein erstes Umdenken in Richtung Partnerschaft. Unter Reagan war rasch die Atmosphäre des Herren/Knechte-Verhältnisses wiederhergestellt.

Sicher war General Norie-ga von Panama, den die Regierung Reagan jetzt mit allen Mitteln loshaben will, ein übler Diktator und Rauschgif tschmug gier dazu. Aber auch mit solchen paktiert Reagan, wenn es ihm ins Konzept paßt. Nur einer, der nicht nach jeder Note tanzt, die in Washington gespielt wird, paßt nicht ins Konzept.

Auch eine marxistisch orientierte Regierung Nikaraguas, die einen mittelamerikanischen Friedensplan unterzeichnen will, paßt Reagan nicht ins Konzept. Er braucht blutrünstige Aggressoren, um vom Kongreß wieder Geld für das Schlachtfest der Contras zu bekommen. Notfalls werden Aggressionen erfunden oder provoziert.

Das ist kein Versuch, das Menschenrechtskonto der Sandinisten reinzuwaschen: Es ist schmutzig genug. Aber noch schlimmer ist das Bemühen, in Mittelamerika militärische Gefahren für die USA zu konstruieren. Die einzige Bedrohung geht von der permanenten Demütigung dieser Völker aus.

Was die Verzweiflung minderbehandelter Völker vermag, erfährt derzeit KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow in vielen Regionen seines Imperiums. Er scheint zu lernen. Reagan nicht?

Freilich: Moskaus Politik kann über Nacht vom ZK gestoppt werden. In einer Demokratie wie den USA erheben Politiker und Wähler des eigenen Landes Protest. Das“ ist der Unterschied, der Hoffnung macht.

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