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Sorge um Familien

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„Die Familie in Europa auf dem Weg in das Jahr 2000" war das Thema eines Kongresses, der die Familienorganisationen unterschiedlichster Weltanschauungen aus vielen europäischen Ländern vom 15. bis 17. November in Wien zusammengeführt hat.

Die Abschlußberichte der neun Arbeitskreise machten deutlich, daß selbst die magische Zahl 2000 die Teilnehmer nicht zu einer großen Vision von der Funktionsweise und dem Stellenwert der Familie am Beginn des neuen Jahrtausends inspiriert hatte. Man schien sich auch nicht recht im klaren darüber gewesen zu sein, welche Trends in den kommenden Jahren das Aussehen der Familien in Europa am stärksten prägen würden.

Univ.- Prof. Rita Süssmuth aus der Bundesrepublik Deutschland faßte dies in ihrem Schlußreferat zusammen: Sie stellte fest, es seien mehr Fragen, Sorgen und Wünsche geäußert als Antworten gegeben worden.

Gemeinsam war allen Teilnehmern offenbar die Sorge um die Folgen der sich verschärfenden wirtschaftlichen Krise. Sie dürfe, wurde häufig geäußert, keinesfalls zu einem Abbau sozialversicherungsrechtlicher Vorteile der Familie führen und nicht durch Entlassung von Frauen auf deren Kosten bekämpft werden.

Der Arbeitszeitverkürzung wurde im allgemeinen Sympathie entgegengebracht, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie nicht mit Einkommenseinbußen verbunden sei.

So sehr die wirtschaftliche Entwicklung einerseits als Bedrohung gesehen wurde, kam doch auch zum Ausdruck, daß einigen Tendenzen positive Aspekte abzugewinnen seien. Univ.-Prof. Peter Hall aus Großbritannien beschäftigte sich in seinem Einführungsreferat ausführlich mit der Entstehung überschaubarer Einheiten.

Die technische Entwicklung -insbesondere im Bereich der Mikroelektronik — könnte die Bildung kleinerer Organisationsformen fördern. „Dieser Strukturwandel könnte tiefgreifende Folgen für die Familie haben. Viele neue Aktivitäten könnten auf der Basis einer gewerbsmäßigen Heimarbeit verrichtet werden",; stellte Hall fest.

Für eine Rückbesinnung auf die Leistungsfähigkeit der Familie plädierte auch Univ.-Prof. Rita Liljeström von der Universität Göteborg: „Familie funktioniert besser als Institutionen, aber sie braucht von Organisationen Hilfe."

Am Beispiel der Betreuung alter Menschen, die nicht mehr imstande sind, ganz allein für sich zu sorgen, wurde diese Feststellung verdeutlicht: Die derzeitige Lösung, alte Menschen in Altersund Pflegeheimen unterzubringen, ist in vieler Hinsicht problematisch. Einerseits kommt es in diesen eher anonymen Institutionen zur Vereinsamung, zu echten menschlichen Tragödien. Andererseits wird in allen Ländern deutlich, daß institutionelle Betreuung die ohnedies, angespannten öffentlichen Budgets überfordert.

Als Ausweg bietet sich an, den Familien einen Anreiz zu geben, diese Aufgabe wieder eher selbst zu bewältigen. Finanzielle Begünstigung von Familien, die ihre alten Eltern betreuen, käme billiger als teure Heime zu bauen. Allerdings müßten vom Wohnbau her Voraussetzungen für ein solches Zusammenleben mehrerer Generationen geschaffen werden.

Obwohl also eine Fülle von Sorgen die Teilnehmer verband, waren doch hinter den allzu vorsichtigen Formulierungen in den Schlußberichten und in vielen Wortmeldungen ideologische Meinungsverschiedenheiten zu spüren.

Sie traten etwa dort zutage, wo es um die Bewertung der heutigen Trends geht: Die einen begrüßen sie als Prozeß der Emanzipation. Die anderen bewerten sie als Zeichen der Auflösung der Familie.

Für die einen ist Familie nur mehr Außenstelle der Gesellschaft. Sie soll möglichst gut gesellschaftlich notwendige Leistungen erbringen. Für die anderen ist Familie immer noch primärer Ort der Lebensgestaltung. Es entstand sogar der Eindruck, daß die unterschiedliche Sicht so weit geht, daß kein Konsens darüber herrscht, was Familie eigentlich ist: In einem Arbeitskreis wurde ernsthaft die Frage aufgeworfen, ob nicht miteinander lebende Homosexuelle auch als Familie zu betrachten seien.

Uber solche Gedanken sollte man sich nicht lustig machen. Nach allem, was wir in der Vergangenheit an Liberalisierung miterlebt haben, muß man solche Äußerungen ernst nehmen. Für Christen stellen sie eine Herausforderung dar, ihre eigene Position klarzustellen und sie so zu formulieren, daß sie für Andersden-. kende attraktiv ist.

Daher kann man den Wert solcher Großveranstaltungen auch nicht so sehr an der Prägnanz von Schlußresolutionen ablesen. Er liegt vor allem in den persönlichen Gesprächen, zu denen sie Gelegenheit bieten. Man gewinnt neue Einsichten, lernt den ideologischen Gegenspieler besser verstehen, sieht den eigenen Standpunkt klarer.

Das könnte uns vor einer drohenden Sprachlosigkeit bei einer weiteren Vertiefung der weltanschaulichen Unterschiede bewah-. ren.

Uber ein Gespräch mit dem Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familie Bischof Francisco Cox Huneeus wird die FURCHE in der nächsten Nummer berichten.

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