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Sowjet-Alltag

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Moskau-Bücher aus der Feder von Journalisten, scheint's, sind bei deutschen Verlagen derzeit „in”. Nach Lois Fisher-Ruges „Alltag in Moskau” (siehe FURCHE Nr. 7/85) präsentiert nun der TV-Journalist Klaus Bednarz seine „Notizen aus der Sowjetunion” in Buchform. Bednarz war vom Juli 1977 bis zum Juni 1982 ARD-Korrespondent in Moskau.

Treffend schildert er den Grundkonflikt, mit dem westliche Korrespondenten in sozialistischen Ländern konfrontiert sind: „Journalistische Arbeit in einem sozialistischen Land, darüber muß man sich klar sein, bedeutet: Arbeit in einem Land, in dem der Begriff Propaganda für die Herrschenden ein positiver ist. In ihrem Journalismus-Verständnis ist die Information lediglich ein Instrument der Propaganda und hat sich dem politischen Willen unterzuordnen.”

Der in Ostblock-Staaten akkreditierte Journalist sollte weder ideologischer Aktivist noch Diplomat sein, sondern Makler, der sein Bild vermitteln wolle: „Ein Bild, das nicht selten ein Kompromiß sein wird — ein Kompromiß zwischen dem, wie das Gastland sich selbst präsentieren möchte, und dem, wie der Korrespondent es sieht. Ein Kompromiß, der — wie Kompromisse es an sich haben, mal der einen, mal der anderen Seite nicht gefällt, dessen Grundintention aber immer das Bemühen um Fairneß sein soll.” Und um die hat sich Bednarz—wie seine „Notizen” zeigen — in der Tat redlich bemüht.

Die politische Analyse spielt in seinem Buch keine dominierende

Rolle, wenngleich die diesbezüglichen Aufzeichnungen sehr wohl zeigen, daß er auch diese Materie im Griff hat. Immerhin fielen in seine Zeit als Korrespondent Höhepunkte der deutsch-sowjetischen Besuchsdiplomatie, die Ankündigung der NATO-Nachrü-stung, der sowjetische Einmarsch in Afghanistan, der darauf erfolgte Olympia-Boykott westlicher Staaten usw.

Eine viel wichtigere Rolle spielt in diesem Buch der Alltag der Sowjetbürger, dem Bednarz in Moskau, auf der Wolga, im Baltikum, in Sibirien und Georgien nachspürte. Dabei ist die Sympathie unverkennbar, die Bednarz'den Menschen in der Sowjetunion entgegenbrachte: nicht nur „Iwan, dem Normalbürger” und dessen Kampf um ein halbwegs „normales” Leben.

Vor allem auch den Andersdenkenden, den Bürgerrechtlern und Dissidenten, die unter dem Druck des repressiven Sowjetregimes schmachten, galt seine Aufmerksamkeit und sein Mitgefühl. Freimütig bekennt er, als die Mathematikerin und Bürgerrechtlerin Tatjana Welikanowa verhaftet wird: „Ich bin nach Hause gegangen und habe geweint.”

„Mein Moskau” — im übrigen ein etwas irreführender Titel — ist flüssig geschrieben, liest sich deshalb auch sehr gut. Alles in allem ein 3ericht, den man politisch Interessierten nur wärmstens weiterempfehlen kann.

MEIN MOSKAU. Notizen aus der Sowjetunion. Von Klaus Bednarz. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1985. 264 Seiten, geb., öS 232,50.

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