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Sowjetarmee im Blickfeld

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Mit einem scharfen Seitenblick auf das Pentagon ist es dem britischen Militärpublizisten Andrew Cockburn gelungen, hinter die dichten Kulissen der sowjetischen Militärmaschinerie zu schauen und so ein möglichst reales Porträt der heutigen Sowjetarmee zu zeichnen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen beurteilt der Autor selber wie folgt: „Dieses Buch behandelt die wahre Verfassung und Schlagkraft der sowjetischen Streitkräfte".

Andrew Cockburn hat bewußt auf „Strategie-chinesisch" verzichtet und verfaßte sein Buch nicht in erster Linie für NATO-Offiziere und andere im militärischen Fachjargon beheimatete Eingeweihte.

Cockburn ließ sich dabei von zwei Gedanken leiten: Erstens wollte er dem nicht immer gerechtfertigten Geheimhaltungskult der Sowjetmarschälle ein „Schnippchen" schlagen und unter Einbeziehung aller erreichbaren Militärliteratur aus Ost und West sowie auch der Befragungsprotokolle sowjetischer Ex-Militärs (jedes Jahr sind manche, die ihrem Land den Rücken kehren!) einen Bericht über die sowjetische Militärmacht vorlegen.

Zweitens verfolgte er das Ziel, gewisse Parallelitäten zwischen dem sowjetischen und dem amerikanischen militärisch-industriellen Komplex aufzuzeigen, wobei ihm bewußt sein mußte, daß die USA nur eine Verteidigung der jetzigen Positionen der demokratischen Welt im Auge haben und diese auch so gestalten, daß der Lebensstandard ihrer Bevölkerung durch die von den Sowjets aufgezwungene Mehr-Rüstung nicht zu leiden hat.

Wir finden dieses Buch gerade im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Nuklearraketen von großem Nutzen. Anschaulich wird dargelegt, daß die UdSSR zwar durch und durch militarisiert ist - aber in etlichen wichtigen Sektoren der Kriegsindustrie dem Westen keineswegs überlegen ist.

Im folgenden schildert Cockburn sehr ausführlich das „Schindersystem" in den sowjetischen Streitkräften, also die Ausbildung der Rotarmisten und die streng hierarchischen Strukturen in der Sowjetarmee, die kein „Volksheer" darstellt, obwohl die Sowjetmarschälle sich als solches anpreisen.

Weitere Kapitel des Buches beschäftigen sich mit der eminent wichtigen Rolle der „Rüstungselite" in der Sowjetunion, sowie mit den nicht unbedeutenden Mängeln bei Heer, Luftwaffe und vor allem bei der Kriegsmarine, die in der letzten Zeit ein „Lieblingskind" der sowjetischen Parteispitze geworden ist.

Ausgezeichnet sind die ins Buch eingestreuten Lebensläufe von hohen Militärs, wodurch die Karrieremöglichkeiten bei den sowjetischen Streitkräften gut dokumentiert werden.

Cockburns Verdienst liegt aber vor allem in der Fülle von Doku-mentations- und Anschauungsmaterial, das er geschickt zusammengetragen und ausgewertet hat. Das Buch ist ein Standardwerk auf dem Gebiet der Militärpublizistik.

DIE SOWJETISCHE HERAUSFORDERUNG. Von Andrew Cockburn. Scherz-Verlag, Bern-München 1983.382 Seiten, Pbck., öS 232,50.

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