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Sowjetische Filmfestwoche

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Nach dem überraschend großen Erfolg der russischen Filmwoche vor drei Jahren (die auch ein Musterbeispiel für Auswahl und Organisation darstellte), fühlten sich irgendwelche Stellen — vielleicht der Sowexportfilm oder irgendeine Kulturabteilung der Botschaft? — bemüßigt, ihn nunmehr wiederholen zu müssen, allerdings ohne die nötigen Voraussetzungen ... Dazu gehören zunächst einmal die besonderen Filme, die keineswegs neuesten Datums sein müssen, aber irgendwelche spezielle Aspekte besitzen müssen (seien diese künstlerischer oder experimenteller Natur), und dazu gehört nun einmal der Geschmack der Auswahl, die Kenntnis des Filmangebots und auch des hiesigen Publikums.

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Nach dem überraschend großen Erfolg der russischen Filmwoche vor drei Jahren (die auch ein Musterbeispiel für Auswahl und Organisation darstellte), fühlten sich irgendwelche Stellen — vielleicht der Sowexportfilm oder irgendeine Kulturabteilung der Botschaft? — bemüßigt, ihn nunmehr wiederholen zu müssen, allerdings ohne die nötigen Voraussetzungen ... Dazu gehören zunächst einmal die besonderen Filme, die keineswegs neuesten Datums sein müssen, aber irgendwelche spezielle Aspekte besitzen müssen (seien diese künstlerischer oder experimenteller Natur), und dazu gehört nun einmal der Geschmack der Auswahl, die Kenntnis des Filmangebots und auch des hiesigen Publikums.

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Nun muß man von vornherein bescheinigen, daß es eigentlich wirklich keinen einzigen russischen Film gibt, der richtig „schlecht“ wäre, alle sieben im Rahmen dieser sogenannten Festwochen gezeigten Filme besitzen irgendeine Qualität, zumindest irgendein Merkmal, das ihn über den normalen Wochenfilmdurchschnitt heraushebt. Und sei es wie in „Des Mordes angeklagt“ nur der erschreckende Einblick in sowjetische Rechtsgepflogenheiten, der schon von Anfang an — wenn die kahlgeschorenen Angeklagten wie KZ-Sträflinge im Gerichtssaal aufmarschieren — Abscheu erregt. Aber ist dies ein Grund für eine besondere Veranstaltung? Die Dostojewski-Verfilmung „Schuld und Sühne“ ist genauso, wie man es von einer russischen Klassikerverfilmung erwarten kann und erwartet: überaus episch und breit, sehr milieuecht photographiert, sehr pathetisch gespielt — mit einem Wort sehr russisch“ — so wie „Die Brüder Kara-masow“, „Der Idiot“, „Anna Karenina“, „Krieg und Frieden“, wie jede Verfilmung eines russischen Dichters eben... In „Weij3e Sonne der Wüste“ zeigen die sowjetischen Filmregisseure, daß sie zwar den amerikanischen Western zu kopieren vermögen, daß aber der russische Bürgerkrieg doch nicht so „spannend“ und ergiebig ist wie der amerikanische und kirgisische Banditen nicht so effektvoll sind wie mexikanische.

Überhaupt ist Amerika immer als das große Vorbild zu entdecken: „Begegnung mit der Zärtlichkeit“ ist eine russische (daher weniger kitschige) Variante der „Love Story“, und die Komponistenbiographie über „Tschaikowski“ nicht minder breit, groß, pathetisch und musikalischoptisch verkitscht, als wenn es sich dabei um eine amerikanische Koproduktion handeln würde (als welche sie zunächst geplant war). Und die Tschechow-Verfilmung „Der Kronzeuge“ ist die holpernde Fingerübung einer Regiedebütantin in russischem Klassikerstil...

Bleibt noch der einzige Höhepunkt* Andrej Michalkow-Kontschalowskis Filmadaption von Turgenjews Roman „Ein Adelsnest“,. Wie hier vor allem in optisch unerhört eindrucksvollen Sequenzen und verschiedenen Techniken das Charakterbild des russischen Landadels der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in faszinierender Milieuechtheit aufgezeigt wird, gehört zu dem Besten, was auf diesem Gebiet seit Jahren zu sehen war. Nicht umsonst war Michalkow-Konltschaloski Drehbuchmitarbeiter von Andrej Tarkowski, dem heute interessantesten und bedeutendsten sowjetischen Filmregisseur, von dem er sichtlich viel profitiert hat. — Was mich zu der Abschlußfrage veranlaßt, warum noch immer nicht der seit Eisensteins Tod grandioseste und künstlerisch überragendste sowjetische Film bei uns, das heißt überhaupt im westlichen Ausland zu sehen ist, nämlich Andrej Tarkows-kis „Andrej Rjublow“? Dieser Film allein würde eine ganze solcher Festwochen aufwiegen...

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