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Sozialarbeit ohne missionarische Absicht

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Offiziell sind sie spinnefeind. Ihre gegenseitigen Attacken in der UNO füllen seit Jahren die Seiten und Sendezeiten der Massenmedien in aller Welt. Spätestens seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und den meisten Ländern der Dritten Welt scheinen die Kontakte in einem „Kalten Krieg” erstarrt zu sein. Der bisherige Höhepunkt dieser starren Fronten war die Resolution im Jahre 1974, die Israel unter dem Vorwurf des Rassismus aus der UNESCO ausgeschlossen hat.

Wie so oft, trügt der Schein und es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht. Im Gegensatz zu der offiziellen feindseligen Haltung haben sich die militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Israel und den Ländern der Dritten Welt sogar bestens entwik- kelt und, wenn es auch nicht an die Öffentlichkeit dringt: es bestehen sehr wohl politische Kontakte, oft allerdings in recht kurioser Weise.

Es wäre ja auch unverständlich, daß die Unterstützung, die Israel vielen Ländern durch Jahre hindurch gewährt hat, ohne Auswirkungen gebliebenseinsollte, meinteDr. Fritz Brass- lof zum Problem der Verständigung Israels mit der Dritten Welt. Als Vertreter des Jüdischen Weltkongresses im Internationalen Rat von Christen und Juden seit 194 7, hat Dr. Brasslof, der 1938 aus Wien emigriert ist und heute in Genf lebt, auch eine namhafte Position in der UNESCO und ist mit den Menschenrechten, mit christlich-jüdischen Kontakten und mit Fragen der Dritten Welt befaßt.

In den Jahren 1958 bis 1975 gab es in mehr als siebzig Ländern der Dritten Welt israelische Experten, rund 18.400 junge Menschen aus diesen Ländern haben in Israel studiert und gearbeitet, auch in Kibbuzim. In Tansanien etwa hat gerade die Kibbuz-Idee viele Anhänger gefunden, obwohl das Land antiisraelisch, ja sogar antisemitisch eingestellt ist.

Und so kommt es, daß trotz des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen im Jahre 1973 in Kenia beispielsweise eine Reihe israelischer Firmen arbeitet und daß die dänische Botschaft durch einen israelischen Repräsentanten die Interessen Israels in Kenia vertritt. Oder daß EL Al zweimal wöchentlich die Route Tel Aviv - Nairobi - Tel Aviv fliegt. Auch mit der Elfenbeinküste bestehen wirtschaftliche und politische Kontakte, ebenso mit Südafrika. Alles Beweise, daß die scharfen ,^nti”-Reden speziell der afrikanischen Staaten nicht so ernst zu nehmen sind, wenn es um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen geht.

Ein kleiner Abstecher in die Sowjetunion: Um den Schein der politischen Feindseligkeit zu wahren, werden die bestehenden wirtschaftlichen Kontakte mit Israel auf komplizierten Umwegen abgewickelt.

Sicherlich ebenfalls eine Folge der früheren guten Beziehungen zwischen Israel und der Dritten Welt ist ein verstärktes Interesse der jungen Kirchen für das Alte Testament und. das Judentum. Im überwiegend antisemitischen Lateinamerika finden regelmäßige Dialoge zwischen Christen und Juden statt. Und in Afrika, wo sich Israel besonders engagiert hat, gibt es neben einem zunehmenden Wettstreit zwischen Islam und Christentum in kirchlichen Kreisen oft starke Sympathien für Israel und großes Interesse für das Judentum. Sogar in Uganda, das fälschlich mit Idi Amin identifiziert wird.

Die starke antiisraelische Propaganda hat in vielen afrikanischen Staaten bei breiten Bevölkerungskreisen den gegenteiligen Effekt erzielt. Auch unter den Arabern sind viele gesprächsbereit, nur haben diese Tatsachen für die Medien natürlich nicht den Sensationswert wie Bombenattentate. Etwas schwierig ist die Situation ge genüber jenen asiatischen Ländern, die Israel immer vernachlässigt hat. In gebildeten Kreisen sind gewisse Kenntnisse vom Judentum vorhanden, aber das Interesse daran ist sehr gering. Ein unbeschriebenes Blatt in dieser Hinsicht ist China. Im 18. Jahrhundert hat es in China noch Juden gegeben, einige sollen sogar noch heute dort leben. Trotz seiner antiisraelischen Haltung ist Chinas Einstellung den Juden im eigenen Lande gegenüber jedoch völlig neutral.

Mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen hat Israel jede Art von Entwicklungshilfe eingestellt. Aber eine internationale jüdische Organisation, die ORT, die noch aus dem zaristischen Rußland stammt, ist in einer Reihe arabischer und südamerikanischer Länder, aber auch in Persien, aktiv. Ohne jede missionarische Absicht leistet die ORT in Form von Sozialarbeit echte Entwicklungshilfe in diesen Ländern und wird dabei auch von nicht-jüdischen Kreisen unterstützt.

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