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Sozialismus, durch Buddhismus gemildert

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Zur bundesdeutschen Botschaft in Rangun gelangt man durch zwei Gittertüren. Diese Schutzmaßnahme wurde eingeführt, nachdem am hel- lichten Tag eine Handgranate auf dem Botschaftsgelände explodiert war. Terrorismus also auch in Burma, einem Land, das sich seit seiner Unabhängigkeit von der Außenwelt abgekapselt hat. Für Fremde ist Burma nur auf dem Flug- oder Seeweg erreichbar. Die Straßen aus Bangladesch und Thailand sind nur in der Trockenzeit für widerstandsfähige Wagen passierbar. Banditenüberfälle sind nicht selten.

Jahreland erhielten Burma-Besucher nur ein Transitvisum für 24 Stunden. Jetzt können sich Touristen maximal 7 Tage lang im Lande aufhalten. Sie dürfen Rangun, Pegu, die ehemalige Königsstadt Mandalay und die großartige Ruinenstadt Pagan in Mittelburma, aber nicht die Grenzgebiete besuchen. Die Angehörigen ausländischer Botschaften müssen für Fahrten, die 50 Kilometer über Rangun hinausgehen, vorher eine behördliche Genehmigung einholen.

Einschränkungen dieser Art haben nichts mit Fremdenfeindlichkeit, um so mehr aber mit Staatssicherheit zu tun. Der Besucher wird von den Einheimischen mit schüchterner Neugier, nach näherem Kennenlemen mit spontaner Herzlichkeit aufgenommen; er kommt in ein Land, das sich trotz der Bezeichnung „Sozialistische Republik“ einen gemächlichen Lebensrhythmus und vięl Urwüchsigkeit bewahrt hat. Im Gegensatz zu dem brodelnden Leben in Bangkok ist Rangun eine verschlafene Stadt, ziemlich vernachlässigt und schmutzig, doch nicht von Hungernden, Bettlern und Obdachlosen bevölkert wie Dacca und Kalkutta.

Burma hat mit der Unabhängigkeit auch seine Bindungen zum Britischen Commonwealth gelöst. U Nu, Burmas erster Ministerpräsident, wollte ein Staatswesen auf genossenschaftlichsozialistischer Grundlage schaffen. Sozialismus und Buddhismus, so meinte er, brauchten einander nicht auszuschließen.

Die Philosophie des buddhistischen Sozialismus wurde zehn Jahre später von General Ne Win übernommen. Nach Neuwahlen entschied sich die Mehrheit des Volkes wieder für U Nu. Den zu Passivität neigenden Burmesen schien die milde Herrschaft U Nus und seine Vision vom Wohlfahrtsstaat besser zu gefallen als die strengere Militärregierung Ne Wins. Doch wirtschaftlicher Fortschritt wollte sich unter U Nu nicht einstellen, auch vermochte die Zivilregierung das Rebel- lentum im Osten und Norden Burmas nicht wirksam zu bekämpfen. 1962 verloren General Ne Win und seine Offiziere die Geduld: in einem unblutigen Staatsstreich setzten sie die Regierung U Nu kurzerhand ab.

Die „Sozialistische Republik der Union von Burma“ ist noch kein festgefügter Staat. Außer den Burmesen, die in der Ebene des Irawadi leben, umfaßt sie die Gebiete der Schan, der Katschin, der Kayab und der Karen. Diese Bergstämme gehören anderen Völkergruppen an als die den Tibetern Verwandten Burmesen; sie haben ihre eigenen Sprachen. Die Zentralregierung hat ihnen Verwaltungsautonomie innerhalb der Union zugestanden, doch damit geben sie sich nicht zufrie- • den. Sie wollen eigenstaatliche Rechte, und sie möchten ungestört den Opiumanbau betreiben. Seit der Unabhängigkeit kämpft die Regierung gegen terrorisierende Rebellen, gegen Schmuggler und gegen kommunistische Infiltration. Als im Ffübjahr 1975 zwei führende burmesische Kommunisten im Dschungel von Regierungstruppen gestellt und getötet wurden, rief Peking die Kommunisten Burmas in einem Beileidstelegramm zum bewaffneten Kampf gegen den„,Pseudosozialisten Ne Win und alle Reaktionäre“ auf.

Das Verhältnis Ranguns zu Peking schwankte in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwischen Freundschaft und Feindschaft. Burma fand sich dem rotchinesischen Nachbarn gegenüber zu einer Politik der Koexistenz bereit. Doch als Peking die Kulturrevolution nach Burma zu tragen versuchte, reagierten die Burmesen abweisend.

Die innenpolitischen Spannungen in Burma wurden im Sommer 1975 bei Arbeiter- und Studentendemonstrationen ersichtlich. Massenarbeits losigkeit, Inflation, untragbar niedrige Stundenlöhne veranlaßten die Arbeiter zu gewalttätigen Protesten. Die Studenten nahmen den Streit um die letzte Ruhestätte des früheren UN- Generalsekretärs U Thant zum Anlaß regierungsfreindlicher Ausschreitungen. U Thänt hatte dem gestürzten U Nu nahegestanden, aber wenig von Ne Win gehalten. Dessen sozialistisches Militärregime will die Bedürfnisse des Volkes gleichmäßig befried digen, bevorzugt aber recht eindeutig Offiziere und Soldaten.

Der Isolationismus Burmas hatte wirtschaftliche Stagnation, teilweise eine Rückentwicklung zur Folge, Burma, die einstige „Reisschüssel Asiens“, exportiert nur noch geringe Mengen Reis. Die Teakholzausfuhr ist ebenfalls zurückgegangen. Die Blei-, Zinn-, Wolfram-, Silber- und Ölvorkommen sind beträchtlich, werden aber noch zu wenig genutzt.

Dagegen hat Burma unter Ne Win den Ehrgeiz, seine Bevölkerungszahl von 30 Millionen bis zum Jahre 2000 zu verdoppeln, und zwar „aus Gründen der Sicherheit“. Burma liegt eingeklemmt zwischen den volksreichsten Staaten der Erde. Eine Wachstums- kontrolle wie Indien und China, meinen die Leute um Ne Win, könne sich ihr Land nicht leisten. Zu den bisherigen Errungenschaften zählen sie den kostenlosen Gesundheitsdienst und die Einschulung fast aller jungen Burmesen. Nachdrücklich wird versichert, niemand in Burma brauche zu hungern. Ausländer in Rangun pflegen zu betonen, Burma sei zwar keine Demokratie westlichen Musters, aber auch kein totalitärer Staat. Vielmehr lebe dieses Land im Geiste buddhistischer Toleranz.

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