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Sozialpartner auf Abruf?

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Die FURCHE-Diskussion über die geplante Einführung der Abfertigung auch für Arbeiter wird fortgesetzt: Nach Sozialminister Gerhard Weißenberg und dem christlichen Gewerkschafter Hans Klingler kommt diesmal der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, Wolfgang Schüssel, zu Wort.

Als nach der Regierungsklausur im Jänner 1979 Viezekanzler Hannes Androsch öffentlich erklärte, in Hinkunft müsse es'zu einem Einbremsen bei den Lohnnebenkosten kommen, wurde dies vor allem von der Wirtschaft als Zeichen der Einsicht in die Schwierigkeiten unserer Betriebe begrüßt.

Eine Woche später sah alles ganz anders aus: Sozialminister Gerhard Weißenberg ließ durch sozialistische Abgeordnete einen Initiativantrag für ein Arbeiterabfertigungsgesetz einbringen. Dieses Gesetz wird mit

,Sie glauben, damit einen Wahlschlager wie 1970 das Bundesheer-Thema zu haben“

Sicherheit noch vor dem 6. Mai 1979 von den Sozialisten durch das Parlament gepeitscht werden. Sie glauben, damit einen Wahlschlager wie 1970 das Bundesheer-Thema zu haben.

Gegen das Grundanliegen, eine schrittweise Angleichung der Rechtsstellung der Arbeiter an die der Angestellten herbeizuführen, hat sich die Wirtschaft nie gewendet. Umso heftiger kritisieren wir, daß ohne ausreichende Erörterung auf Sozialpartnerebene aus durchsichtigen wahltaktischen Überlegungen eine gesetzliche Regelung beschlossen werden soll, die einen neuerlichen Kostenschub und eine Erhöhung der Lohnnebenkosten auslöst.

Die Lohnnebenkosten haben in Österreich mit rund 87 Prozent des Bruttolohnes ohnehin schon ein kaum mehr vertretbares Ausmaß erreicht; das in Europa praktisch einmalige Institut der Abfertigung verschlechtert die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Betriebe gegenüber dem Ausland und beeinträchtigt das Verhältnis zwischen Direktlohn und Soziallohn weiter zuungunsten des Direktlohnes.

Damit wird eine kontinuierliche Entwicklung, Abfertigungsansprüche in den Kollektivverträgen zu re-

geln, und damit der Leistungsfähigkeit der Branche und den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, empfindlich gestört. Im Rahmen der Kollektiwertragspolitik wäre es möglich gewesen, die Abfertigung in ein einkommenspolitisches Konzept einzubauen; diese Möglich-

keit wird durch eine gesetzliche Regelung ausgeschlossen.

Die Betriebe werden durch das Gesetz unterschiedlich getroffen. Besonders belastet werden jene kleinen Gewerbebetriebe, die bisher noch überhaupt keine Regelung der Abfertigungsansprüche kennen. Ein einfacher Schneidermeister hat uns nach Bekanntwerden der sozialistischen Vorstellungen folgendes geschrieben: „Ich habe einen Arbeiter, mit dem ich seit 27 Jahren in einem Zimmer sitze. 150.000 Schilling habe ich mir nicht zusammengespart. Ich kann ihn aber doch nicht kündigen wegen dem Weißenberg, weil wir seit 27 Jahren miteinander arbeiten.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Den kleinen Betrieben wird nunmehr der politische Dank dafür präsentiert, daß sie in schwierigsten Zeiten oft unter persönlichen Opfern die Arbeitsplätze gehalten haben.

Auch im Handel und im Verkehr gibt es Wirtschaftszweige, die noch keine kollektivvertraglichen Abfertigungen vorsehen. Alle Unternehmen - auch die der Industrie, die zum Teil schon weitgehende Ansprüche

„Den kleinen Betrieben wird nunmehr der Dank präsentiert, daß sie in schwierigen Zeiten die Arbeitsplätze gehalten haben“

in den Kollektivverträgen aufweisen - werden massiv durch den Abfertigungsanspruch nach drei bzw. fünf Dienstjahren belastet. Insgesamt wird die gesetzliche Abfertigung für Arbeiter an die drei Milliarden Schilling kosten.

Die Sozialisten messen der Abfertigung immer mehr den Charakter des „vorenthaltenen Lohnes“ zu. Als Beispiel dafür mag gelten, daß einem Lehrling nach absolvierter Lehrzeit sofort ein Abfertigungsanspruch gebühre soll.

Der ÖGB will mit dieser These des „vorenthaltenen Lohnes“ offensichtlich sein Konzept eines zentralen Vermögensbildungsfonds durchsetzen und damit die Rechtssprechung

des OGH korrigieren, der in der Abfertigung richtigerweise - wie sich an der Entstehungsgeschichte deutlich zeigt - eine Versorgungs- und Anerkennungsleistung sieht. Auch aus diesem Grund war und ist die Wirt-' schaft vehement gegen einen Abfertigungsfonds, der ein weiteres hoch-

dotiertes dirigistisches Lenkungsinstrument darstellen würde.

Die sozialpartnerschaftlichen Spielregeln wurden von den Sozialisten diesmal eindeutig verletzt. Das gesetzlich verankerte Begutachtungsrecht der Interessenvertretungen wurde dadurch umgangen, daß das Gesetz im Wege eines Initiativantrages im Parlament eingebracht wurde. Der Einwand, daß es in der Vergangenheit bereits Sozialpartnerverhandlungen über Initiativanträge gegeben habe, vermag nicht zu überzeugen: Allein der Terminfahrplan beweist, daß die Sozialisten auf ernsthafte und gründliche Sozialpartnergespräche offenbar gar keinen Wert legen und jedenfalls gewillt sind, in einer so heiklen Materie den Konsensweg zu verlassen und von ihrer absoluten Mehrheit Gebrauch zu machen.

Damit stellt sich aber die Frage, ob nicht die Sozialpartnerschaft selbst aufs Spiel gesetzt wird, wenn es im Belieben einer Seite steht, einen jahrelangen Weg weiterzugehen oder zu verlassen.

Noch wäre es Zeit für eine vernünftige Lösung: Der Aiternati worschlag der ÖVP sieht nicht nur den Abfertigungsanspruch selbst vor, sondern enthält auch jene flankierenden Maßnahmen, die erforderlich sind, damit die Betriebe die Abfertigungsleistung auch wirtschaftlich verkraften können:

Die Wiederherstellung der Möglichkeit zur Bildung von Abfertigungsrücklagen wie vor dem 2. Abgabenänderungsgesetz, die Ermöglichung eines Rücklagenrücktrages und die steuerlich begünstigte Abfertigungsversicherung sowie die Inanspruchnahme von Arbeitsmarktför-derungsmitteln im Falle einer finanziellen Notlage sollen vor allem die Klein- und Mittelbetriebe vor einer drohenden Existenzgefährdung bewahren.

Sozialpolitik kann nur dann einen Sinn haben, wenn sie die Basis der Sozialleistung, nämlich die Wirtschaftskraft der Betriebe, nicht gefährdet. Wenn die Sozialisten die Arbeitsplatzsicherung wirklich ernst meinen, müßten sie der ÖVP-Alter-native vollinhaltlich zustimmen.

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