6846664-1976_24_10.jpg
Digital In Arbeit

Späte Rehabilitierung

Werbung
Werbung
Werbung

Es scheint so, als habe für die österreichische Kunst seit der Jahrhundertwende, die nach dem Zweiten Weltkrieg allzu lange im allgemeinen Bewußtsein des Publikums nur aus Klimt und Schiele bestand, und insbesondere auch für die Kunst zwischen den beiden Weltkriegen, ein allmählicher Rehabili-tienungs- und Entdeckungsprozeß begonnen, der einem Bewußtwerden unserer eigenen historischen Vergangenheit entspricht. Dazu gehört das Werk einer so bedeutenden Malerpersönlichkeit wie Albin Egger, das eine seltene Ungunst des Zeitgeistes mit falschen Akzenten versah und das erst heute, in der richtigen zeitlichen Distanz, außer Streit gestellt und objektiv überprüft werden kann. Dazu bietet diese ausgezeichnet ausgewählte Ausstellung, der man nur eine übersichtlichere, chronologische Gliederung und eine weniger exzentrische Hängung wünschen würde, die den Wert einiger ihrer kapitalen Bilder nicht mindert, Gelegenheit.

Sie zeigfi überzeugend! den Weg und die Entwicklung Eggers,, die vom Genrebild der Münchner Studienzeit, vom Einfluß Dindenscbmitz's und Defreggers über das Historienbild zu einem eigenen Stil führte, der in dem epischen Atem der „Wallfahrer“ bereits da ist, in dem Reminiszenzen an „Das Begräbnis von Omans“ mit Gestaltungselementen des Seces-sionismus verbunden werden, die auch in den Kinderbildnissen 1905/ 07 und weiterhin zum tragen kommen. Nach der reichen, mit sparsamen farbigen Akzenten versehenen Tonmalerei der Akademiezeit und ihrer unmittelbaren Nachfolge entwickelte Egger einen nahezu monochromatischen Stil, der sich mit einer vereinfachenden rundplastischen Durchbildung der Figuren vor flächigen Raumangaben verband, in denen er hochgestellte Horizonte, Untersichten und angeschnittene Formen als Tiefenindikationen und monumentale Steigerung zu nutzen verstand. Gleichzeitig, mit dem Ziel auf eine monumental gedachte Wandmalerei, schränkte er seinen Themenkreis auf die schicksalhafte Existenz des Menschen im Sein,Werden und Vergehen vor allem im bäuerlichen Leben und der Arbeitswelt ein und entwickelte in der figuralen Darstellung vor dem Ersten Weltkrieg ein Pathos, das ihn in die Reihe der Expressionisten und neben Hodler stellte.

Mit den großen Kriegsbildern „Den Namenlosen“, dem „Toten Soldaten“, dem „Totenopfer“ und dem „Finale“ gelangen ihm, in seinem nicht von der Farbe, sondern von der Form her gesteigerten Expressionismus, gültige Leistungen, die heute noch stark berühren, wie übrigens auch in dem großartigen Bild der „Blinden“, von 1918, in dem ein Echo Breughels und eine ferne Verwandtschaft mit Dix und Grosz zu spüren ist. Das waren auch die Jahre, in denen Egger seinen plastischen Stil malerisch auflockerte, die Formen flächiger faßte und farbiger differenzierte. Von 1918 an entstanden noch, in immer knapperen Formulierungen, die Schicksalsrunen der „Kriegsfrauen“ und die epischen Bilder nicht nur bäuerlichen Lebens, wie „Die Generationen“, die schöne „Bauernstube“, die hervorragenden, vereinfachenden Landschaften von Sigmundskron und vom Kalvarien-berg bei Bozen, der unglaublich ein-dringilicha „Blinde“ von 1923, der „Tote Christus“ und die „Pietä“, die Linien zu Mantegna ziehen, wie im 1 Werk Eggers auch eine Parallele zu Constant Permeke, zu Masereel zu bestehen scheint.

Das sehr gewissenhaft gearbeitete Katalogvorwort ist um die Aufhellung der künstlerischen Herkunft Eggers sehr bemüht und sieht Egger richtig als Einzelgänger in der österreichischen Malerei mit einem Werk das auf größeren europäischen Zusammenhängen fußt und — wie die Ausstellung eindeutig beweist — mit seinem späteren Teil Dauer und Bestand haben wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung