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Spaltpilz im Nachbarland
Schon bald nach der Grenze springen den CSFR-Besucher die Wahlplakate an, die den gleichfalls relativ neuen Werbesprüchen kommerzieller Anbieter jetzt Konkurrenz machen. In der Slowakei fallen überdurchschnittlich viele Duböek-Plakate auf. Die unendliche Traurigkeit des matt lächelnden Begründers des „Prager Frühlings" vor 24 Jahren und heutigen Parlamentspräsidenten des Gesamtstaates CSFR wird auf einem Plakat bei der Stadteinfahrt von Preßburg durch den Klecks eines dagegengeschleuderten Farbbeutels noch melancholischer. Träumt er von einem Nachwahlbündnis mit dem Ex-Kommunisten Vladimir Meciar, dessen extrem nationalistische „Bewegung für eine demokratische Slowakei" als sichere relative Siegerin gilt? Oder hofft Duböek, als Slowake das Präsidentenamt des Gesamtstaates von Vaclav Havel zu erben, weil nur ein Slowake die Landeseinheit noch retten könnte?
Die Verwirrung ist groß. 19 Parteien bewerben sich um Sitze im tschechischen, 23 um solche im slowakischen Parlament, 35 Listen liegen im Rennen um die Zusammensetzung der beiden Kammern des Gesamtstaates vor. In der Slowakei haben die linken Kräfte die Nase vorn („Man hätte Meciar statt des Christdemokraten Carnogurs-ky in die Rolle des zur Abnutzung verdammten ersten Regierungschefs zwingen sollen", bekommt man oft zu hören), in der Tschechei wenigstens bis vor kurzem die Liberalen des CSFR-Finanzministers Vaclav Klaus.
Die Rechten in Böhmen und Mähren versprechen sich das Heil von noch mehr Kapitalismus noch rascher und purer. Die Linken in der Slowakei bauen auf eine gemischte Übergangswirtschaft mit sozial (Kritiker sagen: altkommunistisch) gebremsten Reformen. Das drohende Gespenst der Teilung des Landes in eine tschechische und eine slowakische Republik ängstigt Vernünftige in beiden Landesteilen, auch Carnogursky.
Vom einstigen Jugoslawien haben sich die vergleichsweise „reichen" Republiken Slowenien und Kroatien als erste losgesagt, weil sie es satt hatten, ihre Wirtschaftserträge mit den armen Vettern in Serbien und Montenegro zu teilen. Abtr von der CSFR will sich die arme Slowakei abtrennen - wozu soll das gut sein? Die Slowaken sehen das anders. 96 Prozent der seit dem Sturz der Kommunisten vorgenommenen Investitionen von 800 Millionen Dollar wurden in der Tschechei investiert, während die Slowakei sich mit sowjetorientierten Stahlwerken und veralteten Rüstungsproduktionen herurri-schlagen muß. Folge: Zwölf Prozent Arbeitslose hier, dort vier. Eigenstaatlichkeit wird mit der Hoffnung auf Herr-Sein über Produktionsziele und-mittel verbunden. Aber wer würde in ein Dubcek-sches „Altreich" Slowakei investierten?
Die katholischen Bischöfe beider Landesteile haben sich für einen Erhalt der gemeinsamen Republik ausgesprochen. Ob ihre Gebete erhört worden sind, wird man vielleicht am 7. Juni wissen.
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