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Spannungsfeld Steiermark

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Die Struktur der steirischen Wirtschaft ist von Bergbau, Eisen und Holz bestimmt.

Der steirische Bergbau blickt auf eine lange Geschichte zurück. Noch heute lebendiges Brauchtum bezeugt, in wie hohem Maße der steirische Jahreslauf vom Bergmann und seiner Arbeitswelt mitgeprägt worden ist. Symbol für die Eisengewinnung und -Verarbeitung ist der steirische Erzberg, der „eiserne Brotlaib“ des Landes. Schmelzöfen und Hammerwerke, die schon vor Jahrhunderten um ihn entstanden sind, kennzeichnen den langen Weg, der zur modernen Eisenindustrie von heute heraufführt. Schon als norisches Eisen geschätzt, hat auch dieses Erzeugnis aus steirischem Boden eine lange Geschichte. — Als dritter Grundpfeiler der steirischen Wirtschaftsstruktur ist das Holz zu nennen: Die „Grüne Mark“ ist das waldreichste Bundesland. Es war daher nur natürlich, daß Betriebe, deren Erzeugung von diesem Rohstoff ausgeht, hier ihre Standorte gewählt haben.

Aber nicht nur die Rohstoffvorkommen, ebenso auch die topographischen Gegebenheiten des steirischen Landschaftsbildes waren für die Wahl vieler Standorte bestimmend. Dies gilt vor allem für die langen Talfurchen, die den obersteirischen Raum kennzeichnen. Lange bevor es ein ausgebautes Straßennetz gab, nahm schon der Verkehr durch diese Täler und Gräben seinen Weg. Und das Wasser, das durch die gleichen Täler seinen Lauf nahm, wurde zur wichtigen Energiequelle für mancherlei Betriebe, etwa für die Hammerwerke.

So zeigt noch heute die Struktur der steirischen Wirtschaft, wie sehr alles Wirtschaften in diesem Land mit dem heimatlichen Boden verbunden ist. Nur daraus sind die Probleme, Schwierigkeiten und Auflagen zu \**rs1ühen, die jede Stiwktu-relle Neuordnung beachten sollte. Als Beispiel sei die Eisen- und Stahlindustrie angeführt: nach jahrelangen Verhandlungen glaubt man nun eine Lösung gefunden zu haben, die den Unternehmungen eine bessere Standfestigkeit im Marktgeschehen von heute geben soll. Wie sich dabei die Schwerpunktverlagerung, die mit dieser Lösung verbunden ist, auswirken wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls verlegt sie die Entscheidung über manche Fragen, welche die steirischen Betriebsstätten betreffen, außerhalb des Landes. Für die obersteirische Eisen- und Stahlindustrie ergeben sich daraus Probleme, die, über das Tagesgeschehen hinaus, auf längere Sicht zu bedenken sein werden.

Die Erzeugung an Kommerzstahl hat im vergangenen Jahr eine merkliche Stabilisierung erfahren. Daß ein Großteil davon im Inland abgesetzt werden konnte, war einerseits in dem Bauboom, anderseits aber auch in einer günstigeren Auslastung der Eisenverarbeiter begründet. Weniger zufriedenstellend ist die Situation auf dem Edelstahlsektor, wo die Kosten nur mit Mühe in den Preisen untergebracht werden konnten.

Die Erzförderung auf dem steirischen Erzberg ist nach wie vor um weitestmögliche Rationalisierung bemüht. Diese ist Voraussetzung, um sich gegenüber den höherprozentigen Erzen ausländischer Herkunft behaupten zu können. Erfreulich ist, daß die Technik des Abbaues, auch an internationalen Maßstäben gemessen, keine Vergleiche zu scheuen braucht.

Der steirische Kohlebergbau konnte, dank des Bedarfes der kalorischen Stromerzeuger, seine Absatzprobleme in zufriedenstellender Weise lösen.

Der heimische Holzmarkt zeigt ein eher entspanntes Bild. Die Sägeindustrie konnte ihre Position auf den Auslandsmärkten trotz gestiegener Rundholzpreise einigermaßen halten. Für die Zellstoff- und Papierfabriken hat sich die Auftragslage, allerdings bei/ ziemlich gedrückten Preisen, etwas gebessert. Die unbefriedigende Ertragssituation ist um so bedauerlicher, als dadurch größeren Aufwänden, wie sie insbesondere von den Zellstoffabriken im Interesse des Umweltschutzes erwartet werden, enge Grenzen gezogen sind.

Die Eisenverarbeiter bemühen sich mit Erfolg um die Entwicklung höherwertiger Produkte. Unverändertes Ziel bleibt, in immer weitere Finalbereiche vorzustoßen, eine noch höhere Wertschöpfung zu. erzielen und so dem österreichischen Export günstigere terms of trade zu sichern.

In den letzten Jahren wurde in der Grünen Mark die Ansiedlung neuer Betriebe nachhaltig gefördert. Dabei wurden die Standorte in der Erwartung gewählt, daß die erforderlichen Arbeitskräfte dort unschwer gefunden werden könnten. Diese Aussichten sind heute, angesichts eines vollends ausgeschöpften Arbeitskräftepotentials, längst nicht mehr gegeben. Es wäre daher zu überlegen, ob die hiefür gedachten Förderungsmittel nicht besser für den Ausbau vorhandener, bewährter Betriebe verwendet werden sollten, ob neben eine bisher vorwiegend quantitative nun auch die qualitative Förderung treten sollte.

In besonderem Maße ist von dem Arbeitskräftemangel das steirische Gewerbe betroffen. Das Gewerbe setzt daher alles daran, sich den notwendigen Nachwuchs zu sichern, und es bietet die Gewähr, daß dieser in der Meisterlehre auch bestens ausgebildet wird. Die öffentliche Hand aber sollte diesem Bemühen mehr Beachtung schenken. Denn es verspricht wenig Erfolg, die Jugend in alle möglichen Schultypen zu lenken, die oft erst neu geschaffen werden,wenn es an gewerblichem Nachwuchs fehlt. Man sollte nicht vergessen, daß gerade eine Wohlstandsgesellschaft am wenigsten auf individuelle handwerkliche Fertigung und persönliche Dienstleistung zu verzichten geneigt ist.

Arbeitskräftemangel und Nachwuchssorgen sind aber nicht die einzigen Probleme der gewerblichen Wirtschaft. In verschiedenen Bereichen zeichnen sich gesellschaftspolitische Entwicklungen und Tendenzen ab, die dem Gewerbe nicht gleichgültig sein können: etwa mit der Streichung des Freibetrages für den mitarbeitenden Ehegatten im neuen Einkommensteuergesetz, begleitet von dem unrealistischen Vorschlag, kleingewerbliche Familienbetriebe mögen nun ein Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten oder gar ein Gesellschaftsverhältnis begründen. Oder die Schwierigkeiten, denen sich das Gewerbe bei Kreditaufnahme gegenübersieht, selbst bei Kreditaktionen, die seinerzeit ganz gezielt für das Gewerbe geschaffen worden sind. Die gewerbliche Wirtschaft verfolgt diese Tendenzen mit der gebotenen Aufmerksamkeit.

Natürlich gehen auch die europa-und weltweiten Entwicklungen an der Steiermark nicht spurlos vorüber. Für einen kleinen Wirtschaftsraum, der allein in diesem Jahrhundert sehr verschieden ausgerichteten Großraumwirtschaften zugehörte und der sich nun auf einem größeren Markt erneut zu bewähren hat, gilt dies in besonderem Maße. Mit dem Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften werden weitere Um-orientierungen notwendig. Schon beim Eintritt in den größeren Markt mußte sich die Papier- ebenso wie ein Teil der Stahlindustrie damit abfinden, daß ihre sensiblen Produkte noch für längere Zeit mit höheren Zollbarrieren zu rechnen haben werden.

So steht auch die steirische Wirtschaft in jenem Spannungsfeld, das von Strukturproblemen bis zur Anpassung an einen größeren Markt, von der Betriebsverfassung bis zur Gesellschaftspolitik hinüberreicht. Der Wirtschaftspolitik, auf allen Ebenen, kommt dabei die Aufgabe zu, den Betrieben zu höherer Wertschöpfung und größerer Effizienz zu verhelfen.

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