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Spekulatives Patt

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Obwohl es Herr Österreicher am Abend des 5. Oktober ganz genau wissen wird, lohnt es sich, am Ende des Wahlkampfes noch einmal die Papierform zu errechnen, und zwar nicht auf der Basis fragwürdiger Meinungsforschung.

Die Bilanz der Regionalwahlen 1972—1975 zeigt für die ÖVP ein durchaus optimistisches Bild. Dafür spricht vor allem die Tatsache, daß die Landtagswahlen im Zeitraum 1967—1970 überraschend genau das Nationalratswahlergebnis 1970 angezeigt haben. Der Einwand, Landtagswahlen und Nationalratswahlen könne man nicht vergleichen, stimmt nämlich nur bedingt, da nicht nur anläßlich der Landtagswahlen immer wieder bundespolitische Themen eine mehr oder weniger große Rolle spielen und Bundespolitiker am Wahlkampf teilnehmen, sondern auch analog, im Falle von Nationalratswahlen, selbstverständlich auch die Landespolitiker stark in den Wahlkampf eingreifen und die Themenpalette regelmäßig um spezifisch landespolitische Farben bereichern.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen sind im wesentlichen noch in Erinnerung, doch verdienen einige Spezialuntersuchungen Beachtung. Während nämlich die ÖVP nunmehr 212 der insgesamt 444 Landtagsmandate innehat, ist die SPÖ auf 208 und die FPÖ auf 24 Mandate abgesunken; 1970 stand es immerhin noch 209 SPÖ, 194 ÖVP, 26 FPÖ, 3 DFP, bei damals insgesamt 432 zu vergebenden Mandaten.

Die Untersuchung weist des weiteren darauf hin, daß von den bei ollen neun Landtagswahlen gezählten gültigen Stimmen die ÖVP 45,6 Prozent, die SPÖ 45,9 und die FPÖ 6,8 Prozent erhielt. Die SPÖ büßte insgesamt also 263.504 Wähler ein! Diese Ziffern werden durch eine zusätzliche Untersuchung verfeinert: die ÖVP gewann in Bundesländern mit ÖVP-Landeshäuptmann 3,2 Prozent dazu; in den Ländern, in denen die SPÖ dominiert, betrug der Zuwachs immerhin 0,9 Prozent. Die SPÖ hingegen verlor in den „ÖVP-Bundesländern“ 2,2 Prozent und konnte sich in „ihren“ Ländern nur um 1,8 Prozent verbessern. Dieses Ergebnis, das im wesentlichen auf den Wiener Landtagswahlen beruht, zeigt besonders deutlich, in welch hohem Ausmaß das Wiener Ergebnis für die Nationalratswahlen ausschlaggebend sein wird.

Was die FPÖ betrifft, so verlor diese in den Ländern mit ÖVP-Landeshauptmann besonders viel, nämlich 6,2 Prozent, während sie sich in den SP-Ländern nur geringfügig (plus 0,4 Prozent) verbessern konnte.

Auch die landläufige Meinung, die Parteien hätten gerade in ihren

Hochburgen die größten Verluste zu verzeichnen, kann nicht bestätigt werden. Ein Vergleich der 58 österreichischen Städte über 10.000 Einwohner mit dem ländlichen Raum zeigt, daß die ÖVP in beiden Bereichen jeweils 2,4 Prozent gewinnen konnte, während die SPÖ in den Städten geringfügig gewann (0,4 Prozent, im ländlichen Raum jedoch zwei Prozent verlor. Die FPÖ hatte in beiden Bereichen Verluste zu verzeichnen.

Beim Versuch, aus den neun Landtagswahlergebnissen ein mögliches Ergebnis der Nationalratswahlen abzuleiten, muß jedoch auch die Tatsache berücksichtigt werden, daß sich auf Grund der letzten Volkszählung im Jahre 1971 die Mandatsverteilung erneut zugunsten des Wahlkreisverbandes I verändert hat. Danach hat der Computer (ohne Berücksichtigung des Tiroler Wahlergebnisses) ein Ergebnis 85:85:13 errechnet. Abgesehen von dem numerischen Patt der beiden Großparteien, würde dies bedeuten, daß insbesondere die FPÖ profitieren könnte. Dennoch sind die Wahlstrategen betont vorsichtig, denn schon oft haben sich auf Grund der Wahlarithmetik Mandatsgewinne als Pyrrhussiege herausgestellt, da nämlich der knappe Gewinn eines Grundmandates den Verlust von zwei Mandaten im Reststimmenverfahren bedeuten kann.

Es sei noch einmal festgehalten, daß an derartige Zahlenspielereien nur mit größter Vorsicht herangegangen werden darf. Dies trifft vor allem auf diesen Wahlkampf zu, der ja zum Teil unter Voraussetzungen geführt wird, die in den Landtagswahlergebnissen nicht berücksichtigt sind. HERWIG MEISNER

Persönlich garantiert

Darf man auf die Goldwaage legen, was ein Bundeskanzler während des Waihlkampfes sagt? Soll man es nicht? Muß man es nicht? Nun, dann hätten wir ja ein neues Thema für semantische Studien. Welche Bedeutung hat die Erklärung eines Politikers, er „garantiere“ für dieses oder jenes, die Auszahlung von Renten etwa, „persönlich“?

Heißt es, daß er im Falle des niedagewesenen Falles etwa ausfallende Beträge von seinem Privatkonto an die Betroffenen überweist? Dafür müßte er reicher sein, als er ist. Heißt es, daß er glaubt, ein solcher Fall könne nie eintreten? Heißt es, daß er dieser Überzeugung ist? Heißt es, daß er es weiß?

Wenn ja — warum „^garantiert“ er „persönlich“? Ein Mann so großer und so leerer Worte war er früher doch nicht? Wenn wir auf die Goldwaage legen, was da gesagt wurde, wenn wir den Zungenschlag in Rechnung stellen — dann ist das Ärgerliche dieser Garantie die unangemessene Größe des gewählten Wortes.

Man wird, und das sollten sich gerade Politiker gesagt sein lassen, ja auch von Vertretern, Verkäufern und so weiter durch überproportionierte Treuherzigkeit, durch den allzu ehrlichen Augenaufschlag verstimmt.

Niemand glaubt, daß es soweit kommt, daß der Staat die Pensionen nicht mehr auszahlen kann. Wenn der Kanzler gesagt hätte: „Derlei glaubt nicht einmal Herr Koren“ — o. k.! Seine „persönliche Garantie“ war das klassische Quäntchen Zuviel im Verkaufsgespräch.

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