6809726-1972_27_06.jpg
Digital In Arbeit

Spende für Androsch

19451960198020002020

DDr. Günther Nenning, einst Österreichs Falk-Fresser Nummer eins, schweigt. Er weilt im Ausland und liest offenbar keine österreichischen Zeitungen. Während sein Protest gegen die fast totale Monopolisierung des österreichischen Zeitungsmarktes durch die Vereinigung von „Kronenzeitung" und „Kurier" in der Hand Falks und seiner Geldgeber noch immer aussteht, hat er in einem anderen Fall voreilig gehandelt und damit zahlreichen österreichischen Journalisten ein unnötiges finanzielles Opfer — in einzelnen Fällen beträchtlichen Ausmaßes — auferlegt. Und weil der Fall exemplarisch ist, sei er hier dargestellt.

19451960198020002020

DDr. Günther Nenning, einst Österreichs Falk-Fresser Nummer eins, schweigt. Er weilt im Ausland und liest offenbar keine österreichischen Zeitungen. Während sein Protest gegen die fast totale Monopolisierung des österreichischen Zeitungsmarktes durch die Vereinigung von „Kronenzeitung" und „Kurier" in der Hand Falks und seiner Geldgeber noch immer aussteht, hat er in einem anderen Fall voreilig gehandelt und damit zahlreichen österreichischen Journalisten ein unnötiges finanzielles Opfer — in einzelnen Fällen beträchtlichen Ausmaßes — auferlegt. Und weil der Fall exemplarisch ist, sei er hier dargestellt.

Werbung
Werbung
Werbung

Ab 1. Jänner bekommen freiberufliche Photoreporter in Österreich ihre Autos billiger als die übrigen freien Journalisten. Aber auch das Benzin für berufliche Fahrten wird für die freien Journalisten, ebenso wie für Schriftsteller, wesentlich teurer sein als etwa für freie Pressephotographen. Dies sind einige der zahlreichen Auswirkungen einer geradezu phänomenalen Fehlleistung.

Günther Nenning, doppelter Doktor, aber leider nicht der Wirtschaftswissenschaft, blies die Siegesfanfare. In einem Rundschreiben an „alle Mitglieder der Sektion Journalisten" ließ er seinen freiberuflich tätigen Berufskollegen eine Frohbotscbaft zukommen, wie er selbst offenbar meint. Nämlich gänzliche Befreiung von der Mehrwertsteuer.

Die gleiche „Begünstigung" wurde den Schriftstellern und Komponisten zuteil. Zu spät erkannten sie, daß die Befreiung von der Mehrwertsteuer in Wirklichkeit die Befreiung von ihrem eigenen, sauer verdienten Geld bedeutet.

Das Verschulden an dieser Fehlleistung trifft, was die Journalisten angeht, nicht Nenning allein. Schriftsteller wie Journalisten fanden offensichtlich weder Zeit noch Gelegenheit, sich mit der komplizierten Mehrwertsteuermaterie vertraut zu machen und riefen unisono nach Befreiung, als sie hörten, daß sie ab 1. Jänner 1973 8 Prozent Mehrwertsteuer würden bezahlen müssen. Zu spät erkannten sie, was sie sich damit antaten.

Während sie heute, oberhalb einer Freigrenze von 60.000 Schilling pro Jahr, 55 Schilling von jedem eingenommenen Tausendschillinaschein als Umsatzsteuer abliefern, hätten sie nun um 8 Prozent mehr eingenommen, diese 8 Prozent aber nur zum Teil an das Finanzamt weitergegeben. Alle in ihren Betriebsausgaben enthaltenen Mehrwertsteuerbeträge wären in ihrer Tasche hängengeblieben.

Bereits ein freier Journalist, der mit einem Kleinwagen ganze 1000 Kilometer monatlich beruflich in Österreich unterwegs ist und in seiner Steuererklärung lediglich als (sozusagen an sich selbst ausgezahltes) Kilometergeld einsetzt, verliert nach dem jetzigen Satz (Erhöhung steht bevor!) rund 2000 Schilling pro Jahr. Denn laut Mehrwertsteuergesetz gelten 10 Prozent des Kilometergeldes als „Vorsteuer".

Wesentlich größer ist der „Befreiungsverlust", wenn die effektiven Kfz-Kosten (Tankstellenrechnungen, Reparaturrechnungen) nachgewiesen werden. Dann könnte nämlich — wäre man nicht „befreit" — der volle in diesen Rechnungen enthaltene Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent auf den Nettopreis als Vorsteuer von der eigenen Mehrwertsteuerverpflichtung abgezogen werden.

Die Konsequenzen der Fehlleistung werden von Jahr zu Jahr ärger werden. Denn in den nächsten fünf Jahren wird bei allen Investitionen von mehr als 2000 Schilling ein Teil des Mehrwertsteuervorteiles für Wirtschaftstreibende von einer Investitionssteuer, die einen Investitionsstopp vor der Einführung der Mehrwertsteuer verhindern soll, aufgefangen.

In der Praxis schaut das so aus: Ein freier Journalist zahlt für einen neuen Wagen für berufliche Zwecke 116.000 Schilling, der freie Photoreporter zählt für den gleichen Wagen 1973 nur 112.000 Schilling, fünf Jahre später aber nur noch 100.000 Schilling, während der freie Journalist noch immer 116.000 Schilling zahlt, falls die Preise nicht inzwischen gestiegen sind.

Dasselbe gilt für Schreibmaschinen, gilt für die bekanntlich ebenfalls mehrwertsteuerbelasteten Büromieten, gilt also für Schriftsteller wie für freie Journalisten.

Ein österreichischer Journalist, der, etwa als Auslandskorrespondent, sein gesamtes Einkommen aus dem Ausland bezieht, aber in Österreich wohnt und hier mit dem Wagen unterwegs ist, hätte alle in seinen Ausgaben enthaltenen Mehrwertsteuern (auch die 8000 Schilling beim Kauf eines Wagens für 58.000 Schilling nach dem Auslaufen der Investitionssteuer) vom Finanzamt bar rückerstattet (oder gegen eine etwa vorhandene Einkommensteuerschuld aufgerechnet) erhalten. Auch dieses Geld ist nun in den Rauchfang geschrieben.

Besondere Komplikationen erwarten jeden, der sowohl mehrwertsteuerbelastete als auch mehrwertsteuerbefreite Tätigkeiten ausübt, etwa freie Journalisten, die auch photographieren, oder Dichter, die sich ein Zubrot als freie Werbetexter verdienen. Falls sie nicht gesonnen sind, Geld zu verschenken, anderseits aber auch die Betriebsaufwendungen für ihre verschiedenen Tätigkeiten nicht klar auseinanderhalten können (was meist der Fall ist), müssen sie die gesamte Vorsteuerbelastung ihrer Betriebsausgaben ermitteln, um dann, auf Grund der Umsatzanteile, die abzugsfähigen und die durch die Mehrwertsteuer-„Be-freiung" sozusagen „verfallenen" Vorsteuern zu ermitteln

Ein Wahnsinn, der aus einem übereilten Lobbyisten-Schnell-schuß gegen ein übereilt durchgepeitschtes Gesetz resultiert. Alle Mehrwertsteuerfachleute griffen sich an den Kopf, als sie vom Befreiungswunsch der freien Journalisten, Schriftsteller und Komponisten erfuhren. Da er dem Finanzminister Geld einbringt, wurde er prompt erfüllt. Journalisten Vertreter Nenning dazu:

„Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß unsere zu einem so späten Zeitpunkt begonnene Operation in Sachen Mehrwertsteuer zum Erfolg geführt hat."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung