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Spiel der Götter

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Als sie ihre Stadt Tenochtitlan auf den Inseln inmitten des Texcoco-Sees im Hochtal von Mexiko gründeten, geschah es auf Geheiß ihres Stammesgottes Huitzilopochtli. Er wurde ihrem Glauben nach jeden Morgen von der Erdgöttin Coatlicue neu geboren und starb abends wieder: er verschwand in der Dunkelheit unter der Erde.

Den finsteren Eingang in die Höhle der Unterwelt stellt auch der weit aufgerissene Rachen einer Jaguarmaske dar, eines der ersten Exponate in der umfassenden Mexiko-Ausstellung, die bis zum 2. August im Oberösterreichischen Landesmuseum im Lin-

zer Schloß zu sehen ist. Glanz und Untergang der altmexikanischen Kultur wird an dieser größten Schau dokumentiert, die je zu dieser Thematik der europäischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, und die in Österreich nur in Linz präsentiert wird.

Für dieses grandiose und wahrhaft völkerverbindende Ausstellungsunternehmen ist das Museum umgebaut und in beleuch- tungs- und alarmtechnischer Hinsicht auf den neuesten Stand gebracht worden. So konnten nicht allein die 350 Exponate in konservatorisch vorbildlicher Weise untergebracht werden.

Eine kurze Einführung, die in hervorragender Weise die Ausstellung kommentiert, gibt ein Film, der von der Museumsleitung in Zusammenarbeit mit dem ORF-Landesstudio hergestellt wurde.

Eine wichtige Linie im Konzept der abwechslungsreichen Schau bildet die chronologische Abfolge, eine andere die von Olmeken, Totonaken, Zapoteken und anderen Völkern ausgeprägten religiösen Vorstellungen, die man nicht nach europäisch-christlichen Grundsätzen werten darf. Eine solche Beurteilung hat - in völliger Verkennung der Entwicklung andersartiger Kulturen - im Jahr

1521 zur Zerstörung des Aztekenreiches geführt.

Tiefen religiösen Ursprung besaß — und dafür gibt es in dieser Ausstellung eine erhebliche Anzahl an Kultgegenständen - das • altmexikanische Ballspiel, eines der ältesten Ballspiele überhaupt. Ausgetragen wurde dabei das Spiel der Götter mit den Gestirnen, und der runde Kautschukball symbolisierte die Sonne. Wenn der Ball die Erde berührte, bedeutete dies nicht allein den Untergang der lebensspendenden Kraft des Tagesgestirns, sondern des ganzen Universums. Der Ball

durfte weder mit Händen, noch mit Füßen, noch mit dem Kopf berührt werden — das erforderte große Gewandtheit. Die Verlierer wurden allerdings den Göttern geopfert, damit die Sonne ihren unterbrochenen Gang fortsetzen konnte.

Der Hauptteil der Ausstellung ist freilich den Azteken gewidmet, die in Tenochtitlan eine Stadtkultur von hohem Niveau entwickelt haben. Durch drei Dämme hatten sie die Verbindung zum Festland hergestellt und ihre Inselstadt in einen blühenden Garten verwandelt. Ihr Wissen und ihre Macht

wären ohne ihre Vorläufer allerdings nicht denkbar gewesen: sie nahmen sich in vielem ein Beispiel an der Stadtkultur von Teo- tihuacän, in der sie sich selbst als Archäologen betätigt hatten - wie man am Schmuck ihrer beiden Tempel und durch Grabungsfunde feststellen konnte. Auch den Hauptgott von Teotihuacan, den Regengott Tlaloc, nahmen sie auf in ihren Pantheon, nach Huitzilopochtli als zweitwichtigsten Gott.

Auf dem Ausstellungsplakat ist die Maske dargestellt, die ein bauchiges Gefäß schmückt, mit bril- lenförmigeri Augen und in der blauen Farbe des Regens. In rätselhaften, auch heute noch geheimnisumwitterten Formen begegnen dem Besucher die Götter und Göttinnen der altmexikanischen Kultur, monumental in Stein gehauen, als keramische oder mit Türkis- und Malachitplättchen besetzte Masken, im Goldschmuck symbolisiert. Sie erzählen auf ihre Weise von den faszinierenden Glaubensvorstellungen, wie die Mosaikmaske auf Holz, die dicht mit Türkis, Jadeit und Muscheln besetzt ist, eines der eindrucksvollsten und kostbarsten Stücke der Ausstellung. Sie wird dem Quetzalcoatl zugesprochen, dem Friedensgott und zugleich „Herrn des Windes“ .

Die Maske, bereits 1553 in einem Inventarbuch der Medici erwähnt, wurde von einem italienischen Museum zur Verfügung gestellt; weitere zweiunddreißig Museen sind an der Ausstellung mit wertvollen Exponaten beteiligt. Viele Objekte kamen bei Grabungen zwischen 1978 und 1982 in Mexiko-City ans Tageslicht, in der heutigen Hauptstadt, die an der Stelle des ehemaligen Tenochtitlan entstanden ist.

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