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Spielball Menschenrechte

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FURCHE: Die 47. Session der UNO-Menschenrechtskommission in Genf findet in einer Phase nach Beendigung des Kalten Krieges statt. Wie machen sich diese Veränderungen bemerkbar?

FELIX ERMACORA: Insbesondere zeigen sie sich in den Beziehungen zur sowjetischen Delegation, mit der es viel weniger Konfrontationen gibt als früher. Und dies, obwohl die baltische Frage in den Stellungnahmen der Delegierten natürlich eine Rolle spielt.

Seit den Vorkommnissen in Vilnius hat es immer wieder Diskussionen um eine Resolution gegen die Sowjetunion gegeben. Nun soll nach langen Verhandlungen mit der UdSSR der Präsident der Kommission, Enrique Benales, eine abgestimmte Erklärung zur Frage des Baltikums abgeben, die auch von der Sowjetunion gutgeheißen wird. Man nimmt Bezug auf eine Erklärung eines Mitgliedes des Obersten Sowjets, in der auf die von Moskau eingesetzte Untersuchungskommission verwiesen wird. Die Sowjetunion wird jedoch aufgefordert, die Menschenrechte zu achten.

FURCHE: Ein Thema beherrscht hier die Szene: Das Wüten der Iraker in Kuweit. Wie kann der Irak seiner Menschenrechtsverletzungen wegen belangt werden?

ERMACORA: Es gibt keinen Tag ohne Erklärungen der Kuweiter -und diese haben wieder Gegenerklärungen des Iraks zur Folge. Derzeit läuft der Entwurf über eine Resolution zur Menschenrechtslage in Kuweit. Man plant auch eine Überprüfung der Menschenrechtsverletzungen durch einen Sonderberichterstatter. Ähnliche Bemühungen sind auch in bezug auf den Irak im Gange. Doch die arabische Welt bemüht sich, ihren irakischen Bruder, wie ungesellig er auch sein mag, abzusichern. Daher weiß ich nicht, ob es zu zwei Berichterstattern und zu zwei Resolutionen -sowohl in Kuweit als auch im Irak -kommen wird.

FURCHE: Die Mißachtung der Menschenrechte im Irak ist ja nichts Neues. Trotzdem ist der Irak in der Vergangenheit nie auf die Tagesordnung der Menschenrechtskommission gekommen.

ERMACORA: Das hat mit den Spielregeln zu tun, die in dieser Kommission und in den Vereinten Nationen herrschen. Damit etwas auf die Tagesordnung kommt, bedarf es des Willens eines Staates und der Bestätigung der Kommission. Bislang hat man den Irak eher zurückhaltend behandelt. Heute hat sich natürlich die Position in der Kommission wesentlich verändert.

FURCHE: Auf Drängen moslemischer Länder soll es zu einer dritten Resolution kommen, die die Born- • bardierung der alliierten Streitkräfte verurteilen soll.

ERMACORA: Persönlich bemühe ich mich um eine ausgewogene Resolution, die grundsätzlich die Achtung der humanitären Regeln in der Kriegsführung ausspricht; aber damit bin ich bis jetzt auf wenig Gegenliebe gestoßen.

Von österreichischer Seite ist schon seit Wochen ein Text in Vorbereitung, der beide Seiten an den Respekt für das humanitäre Recht erinnert. In dem Text wird an die Achtung der Genfer Konvention und des Genfer Protokolls erinnert, und besonders auf einen Punkt aufmerksam gemacht, der in der ganzen Diskussion bis heute nicht sichtbar gemacht wurde: daß diese Regeln ohne Gegenseitigkeit zu handha-. ben sind. Das Gegenteil bedeutete, man achtet die humanitären Regeln nur, wenn dies die Gegenseite auch tut. Das heißt, die Haltung des Iraks, zu erklären, man wolle das Rote Kreuz nur zu den Gefangenen lassen, wenn die Alliierten ihre Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung einstellten, ist absolut falsch. Staaten haben unabhängig vom Verhalten ihrer Partner die Pflichten zu erfüllen.

FURCHE: Irak und Kuweit stehen im Vordergrund. Kommen jetzt Menschenrechtsverletzungen ifi anderen Ländern - beispielsweise im Iran, in der Türkei, in Afghanistan -zu wenig in den Blick?

ERMACORA: Wenn ich an die Situation in Afghanistan denke, über die ich erneut einen Bericht verfaßt habe, muß ich sagen, daß das Weltinteresse auf einen Nullpunkt heruntergesunken ist. Es gibt nur wenige Medien, die darüber berichten. Und dies, obwohl es immer noch mehr als fünf Millionen Flüchtlinge gibt. Nur die UNO hält noch irgendwie das Feuer glimmend.

FURCHE: Österreich setzt sich seit 20 Jahren für die Palästinenser ein. Hat sich seit Ausbruch der akuten Krise diesbezüglich etwas verändert?

ERMACORA: Die österreichische Delegation betont nach wie vor, daß die Araber in den besetzten Gebieten gemäß den Menschenrechten behandelt werden sollen. Wenn den Resolutionen dennoch verschiede-nenorts keine Zustimmung gegeben wird, so hängt das von bestimmten Formulierungen arabisherseits ab, die von unserer Seite nicht akzeptiert werden können.

FURCHE: Haben Sie damjr ein gespanntes Verhältnis zu Israel?

ERMACORA: Das stimmt. Die israelische Vertretung ist nicht sehr begeistert, wenn Österreich derartige Resolutionen unterstützt oder Erklärungen für die Rechte der Palästinenser abgibt.

FURCHE: Kommt einem neutralen Staat wie Österreich bei dieser Menschenrechtskommission eine wichtige Rolle zu?

ERMACORA: Ich denke schon. Ich glaube, die Tatsache, daß Österreich außerhalb der paktgebundenen Staaten steht und ein immerwährend neutraler Staat ist, gibt ihm gerade im Bereich der Menschenrechte eine gewisse Resonanz. Das zeigt sich auch darin, daß die Mitglieder der österreichischen Delegation immer wieder herangezogen werden, um ausgleichend die Verhandlungen zu führen. Und daß immer wieder unsere Mitglieder als Spezialberichterstatter gerade wegen ihrer Herkunft ausgewählt werden. Man kann sagen, daß in der gesamten Menschenrechtspolitik Österreich einen guten Stand hat.

Mit dem Österreich-Vertreter bei der UNO-Menschenrechtskommission und UNO-Men-schenrechtsberichterstatter FELIX ERMACORA sprach in Genf FELICITAS VON SCHÖNBORN.

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