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Spitzenfilme

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Die diesjährige „Viennale“ — schon die fünfzehnte seit ihrem Debüt im Künstlerhauskino 1959 — findet vom 29. März bis 5. April statt; und diese Wiener Filmfestwoche, von Wiener Filmjournalisten initiiert, hat sich im Lauf der Jahre schon zu einer Veranstaltung von internationaler Bedeutung entwickelt, die heuer sogar vom internationalen Produzentenverband voll anerkannt wurde. 15 Jahre ist das Alter der Pubertät — doch die Viennale ist ein „frühreifes Kind“: sie hat dieses kritische Stadium bereits überschritten und präsentiert sich 1973 in einer Reife, oder schöner gesagt, mit einem künstlerischen Anspruch, der das Herz jedes Filmfreundes (sprich: Cineasten) höher schlagen läßt.

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Die diesjährige „Viennale“ — schon die fünfzehnte seit ihrem Debüt im Künstlerhauskino 1959 — findet vom 29. März bis 5. April statt; und diese Wiener Filmfestwoche, von Wiener Filmjournalisten initiiert, hat sich im Lauf der Jahre schon zu einer Veranstaltung von internationaler Bedeutung entwickelt, die heuer sogar vom internationalen Produzentenverband voll anerkannt wurde. 15 Jahre ist das Alter der Pubertät — doch die Viennale ist ein „frühreifes Kind“: sie hat dieses kritische Stadium bereits überschritten und präsentiert sich 1973 in einer Reife, oder schöner gesagt, mit einem künstlerischen Anspruch, der das Herz jedes Filmfreundes (sprich: Cineasten) höher schlagen läßt.

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Die Auswahl der heuer gezeigten Filme, insgesamt 23 abendfüllende Spielfilme, läßt erkennen, mit welcher Sachkenntnis (und nicht von modischen oder politischen oder politischen Strömungen beeinflußt) und filmischer „Liebe“ die Veranstalter das Programm auswählten und sorgsam zusammenstellten.

Als festliche Eröffnung wird der neue Truffaut-Film „Une belle fille comme moi“ präsentiert — und wann hätte jemals Frangois Truf-faut, der „Rene Clair unserer Tage“ enttäuscht! An den folgenden Tagen werden dann jeweils um 14.30, 17 und 20 Uhr (in einer Vorstellung) Filme aus 15 Ländern vorgeführt, so am Freitag, dem 30. März, Ermano Olmis „Durante Testate“, eine chap-lineske Liebesgeschichte voll Menschlichkeit und Wärme, hierauf „Minnie and Moskowitz“ von John Cassa-vetes, eine ebenso groteske wie originelle, aber auch sozialkritisch-naturalistische „Reflexion des Lebens zu zweit“ (im heutigen Amerika), und schließlich abends die großartige Verfilmung eines Roma-nes von Michail Bulgakow „II mae-stro e Margherita“ durch Ileksandar Petrovic — ein Film, der in Jugoslawien verboten ist.

Am 31. März wird zunächst wieder die Verfilmung einer modernen chinesischen Oper vorgeführt, „Die Erstürmung des Tigerberges“, hierauf der belgisch/französische Beitrag „Lonely Killers“ (die authentische Begebenheit von zwei jungen Burschen, die zu Beginn des Jahres zehn Tage lang eine Gegend in Frankreichs terrorisierten) und abends die hinreißende schwedische Naturschutzkomödie „Der Apfelkrieg“ von Tage Danielsson, in der sich Gestalten aus der schwedischen Volkssage touristischer Profitgier entgegenstellen, fürwahr ein köstliches Vergnügen! Am 1. April wird zuerst Claude Chabrols neustes Opus „Juste avant la nuit“ präsentiert, hierauf „Ostia“, der Erstlingsfll<m des langjährigen Pasolini-Assistenten Sergio Citti, ganz im (früheren) Stil seines Lehrer gestaltet, und .um 20 Uhr dann die ebenso erschütternde wie großartige Studie des Scheitems eines Individuums in unserem Gesellschaftssystem „Family Life“ von Kenneth Loach.

Am Montag folgt dann wieder ein belgischer Beitrag, „L'amoureuse“ von Christian Mesnil, hierauf Rainer Werner Fassbinders vorjähriger Venedig-Beitrag „Der Händler der der vier Jahreszeiten“ und um 20 Uhr Ephraim Kishons neueste Tragikomödie „Der Polizist“. Dienstag um 14.30 Uhr wird (bei freiem Eintritt) als Informationsvorstellung der belgische Film „Rolande met de bles“ von Roland Verhavert gezeigt, anschließend die kafkaeske Schweizer Geschichte um einen jungen Mann, der auf der Suche nach einer Selbstidentiflkation ist, „Hannibal“ von Xavier Koller und abends der mit dem Hauptpreis der Filmfestspiele in Karlovy Vary ausgezeichnete polnische Beitrag „Im Schleudern“ von Jan Lomnicki nach einem Drehbuch von Jerzy Skolimovsky.

Ein überaus interessantes Programm bietet dann der Mittwoch, 4. April: Nach der Informationsvorstellung (wieder bei freiem Eintritt) „Verstehst Du jetzt, warum ich weine?“ aus den Niederlanden von Louis van Gasteren wird um 17 Uhr die brasilianische Ballade über einen modernen Machtkampf zwischen Industrie und Großgrundbesitzer „Os Senhores da terra“ von Paulo Thiago gezeigt und abends der sensationelle, bereits anläßlich der Filmwoche Mannheim 1972 besprochene japanische Film „Werft eure Bücher weg — geht auf die Straße“ von Shuji Terayama, ein Meisterwerk des modernen Filmschaffens. Der letzte Tag, der 5. April schließlich beendet die diesjährige Viennale mit einem Werk des tschechoslowakischen Altmeister Karel Stekly „Der Räuber Legenda“, einer Vorführung der modernen griechischen Verfilmung von Aristophanes „Lysistrata“ durch George Zervoulakos in Musical-Form und dem faszinierenden Filmereignis „Fellini Roma“ um 20 Uhr — ein wahrhaftes kinematographisches Erlebnis, über das wir in der Vorwoche bereits in einem Beitrag des Regisseurs berichtet haben.

Erwähnt man noch, daß an Samstag, dem 31. März, in einer Nachtvorstellung um 22.30 Uhr Bernardo Bertoluccis ebenso gerühmter wie umstrittener Film „Le dernier tango ä Paris“ (mit Marlon Brando) gezeigt wird, daß das Französische Kulturinstitut im Rahmen der Viennale im Studio Moliere eine hochinteressante Retrospektive über das Schaffen des französischen Altmeisters Marcel Carne (in dessen persönlicher Anwesenheit) veranstaltet und als offizielle Retrospektive der Viennale eine Vorführungsreihe „Der amerikanische Western 1898 bis 1960“ im Filmsaal der Albertina stattfindet, fällt es nicht schwer, schon von vornherein der diesjährigen Wiener Filmfestwoche Anerkennung und Lob auszusprechen. Hoffentlich wissen dies Wiens Filmfreunde auch zu würdigen ...!

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