6932665-1982_35_07.jpg
Digital In Arbeit

SpKtterbomben statt „Mischpoche'und „Zores"

19451960198020002020

Kritik an Begin: ja? Antisemitismus: dreimal nein! Wir versuchen es alle. Es ist sehr schwer. Nur ein Jude darf formulieren, wie Hans Weigel es tut. Nach Auschwitz ziemt uns anderen weiter Zurückhaltung.

19451960198020002020

Kritik an Begin: ja? Antisemitismus: dreimal nein! Wir versuchen es alle. Es ist sehr schwer. Nur ein Jude darf formulieren, wie Hans Weigel es tut. Nach Auschwitz ziemt uns anderen weiter Zurückhaltung.

Werbung
Werbung
Werbung

Damals zu Kaisers Zeiten und auch in der Ersten Republik — es war gewiß nicht ideal für die Mitbürgers mosaischer Konfession, aber es war andererseits doch eine Art idyllischer Symbiose. Der Antisemitismus konnte fürchterlich sein, aber er war nicht lebensgefährlich, und er war ebenso vielschichtig wie der Kreis seiner Opfer.

Adolf von Sonnenthal war ein gefeierter Burgschauspieler, Gustav Mahler war Operndirektor, die Jargon-Komiker erfreuten das Publikum durch heitere Selbstdarstellung. Es gab eine blühende Vielfalt von .jüdischen Witzen", in die Umgangssprache wurden Lehnwörter aufgenom-

men: Mischpoche, Untam, Gese-res, Zores.

In den Witzen und Scherzen der Minderheit steckte viel Selbstkritik und Selbstironie.

Der Zionismus, der in Wien entstanden war wie der Rassen-Antisemitismus, brachte — typisch zwanzigstes Jahrhundert! — auch in diese Sphäre das nationalistische Gedankengut.

So wie es in den Oststaaten politische Widerstandswitze gibt, gab es auch noch anno Hitler jüdische Antihitler-Witze. Als aber die

blutige Tragödie vorbei war, hatte man begründete Hemmungen, im Zusammenhang mit allem, was Jüdisch" war, Witze zu machen oder zu erzählen. Nicht nur die Opfer, auch die Uberlebenden wurden einer Art von Denkmalschutz teilhaftig. Nur das Vokabular blieb mit den Lehnwörtern durchsetzt: Mischpoche, Zores ...

Es gab auch über die jüdische Feigheit selbstkritische Witze, die bei einer imaginären jüdischen Armee spielten; das unmilitärische Wesen der „Hebräer" spielt eine entscheidende Rolle in Johann Nestroys „Judith und Holo-fernes".

Doch dann wurde der Staat Israel gegründet. Und alles war anders. Da gab es tapfere Soldaten. Da gibt es plötzlich selbstbewußte Juden, da konnte das Verdrängte normalisiert werden, da hatte ein selbstkritischer Humorist (Ki-shon) aus Israel überwältigende

Erfolge bei den Lesern deutscher Sprache. Da konnte Fritz Muliar ohne die geringste Gefahr der Taktlosigkeit seine Witze sprechen und lesen, da wurde Karl Farkas eine Schlüsselfigur unseres Unterhaltungsgewerbes.

Da lebten einige, aber doch etliche Zurückgekehrte oder Gebliebene unter uns, als Gleichrangige,

Gleichberechtigte, zum Beispiel Bruno Kreisky, zum Beispiel Gerhard Bronner, zum Beispiel der Hans Weigel - umstritten, gewiß, da und dort unbeliebt, wie auch andere Zeitgenossen in der Öffentlichkeit, aber doch durchaus integriert, im Genuß aller jener Freiheit, die uns allen gegeben ist.

Mein Gott, wie hat mich das glücklich gemacht und an Österreich glauben lassen, diese Selbstverständlichkeit! Die erste Premiere der Salzburger Festspiele 1982 wurde von Leopold Lindt-berg inszeniert und von Operndirektor Lorin Maazel dirigiert. Das Großartige dran ist sowohl die Tatsache wie die Erkenntnis, daß das niemandem aufgefallen ist!,

Natürlich gibt es Antisemiten, gibt es Terror-Symptome, aber wo gibt es sie nicht? Aber das alles ist keine Blutkrankheit der Österreicher (wie man's anno Hitler hätte prophezeien können), es ist

eine ekelhafte Hautkrankheit unserer heutigen Zustände.

Die relative, relativ ungetrübte Symbiose ist durch Adolf Hitler in den dreißiger Jahren liquidiert worden. Und nun, in den achtziger Jahren, ist sie leider von Menachem Begin kaputtgemacht worden. Und ich fürchte, daß im zweiten Anlauf eine Katastrophe stattgefunden hat, die Jahrtausend-Perspektiven haben wird.

Auch wenn Begin von dem verdienten Schicksal der großen Welthalunken Mussolini, Hitler, Beria, Eichmann ereilt wird: Ich glaube nicht, daß vergessen und „wiedergutgemacht" werden kann, was ein Staat, der Jerusalem als Hauptstadt beansprucht, auf dessen Staatsgebiet Golgatha liegt, je wieder das Image wird haben können, daß der Staat Israel von 1948 an geschaffen hat. Menachem Begin hat die Bibel für sich und sein Land außer Kraft gesetzt. Jetzt erst haben die Juden Christus wirklich gekreuzigt.

Und so schön es war, in den letzten Jahren wieder .jüdische Witze" zu hören, zu erzählen: Das hat aufgehört, das geht jetzt nicht mehr. Die hebräische Sprache ist die Sprache der Splitterbomben auf Frauen und Kinder. „Gese-res", „Mischpoche", „Täte", „Untam" und das ganze reichliche Inventar der einst geliebten Witze und Anekdoten; all das kommt aus dem Hebräischen....

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung