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SPÖ bringt alemannischen Frost in die Landstube

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Das politische Klima in Vorarlberg ist, um Landeshauptmann Dr. Kessler zu zitieren, „frostig“ geworden. Die Vorarl-berger Volkspartei konnte zwar nach den letzten für sie sieg- 1 reichen Landtagswahlen - nach anfänglichem Zittern - ihre absolute Mehrheit halten und den ihr unliebsamen SPÖ-Spit-zenkandidaten Ernst Winder aus der Landesregierung fern- : halten, doch scheint die Vorarlberger SPÖ nun mit allen Kräf- : ten einen stärker herausfordernden Kurs zu steuern. Erstes äußeres Anzeichen: Der als Nationalratsabgeordneter zu sehr 1 nach Wien orientierte Landes-Chef Heinz soll einen „aleman- ! nischen“ Nachfolger bekommen.

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Das politische Klima in Vorarlberg ist, um Landeshauptmann Dr. Kessler zu zitieren, „frostig“ geworden. Die Vorarl-berger Volkspartei konnte zwar nach den letzten für sie sieg- 1 reichen Landtagswahlen - nach anfänglichem Zittern - ihre absolute Mehrheit halten und den ihr unliebsamen SPÖ-Spit-zenkandidaten Ernst Winder aus der Landesregierung fern- : halten, doch scheint die Vorarlberger SPÖ nun mit allen Kräf- : ten einen stärker herausfordernden Kurs zu steuern. Erstes äußeres Anzeichen: Der als Nationalratsabgeordneter zu sehr 1 nach Wien orientierte Landes-Chef Heinz soll einen „aleman- ! nischen“ Nachfolger bekommen.

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Parteipolitisch gesehen ist in Vorarlberg die SPÖ der einzige ernst zu nehmende Gegner fü r die Volkspartei. Im Gegensatz zu den Freiheitlichen in manchen anderen Ländern und auf Bundesebene gibt sich die FPÖ im „Ländle“ ganz und gar nicht den Sozialisten zugetan, sondern eher liberalbürgerlich. Damit ist nicht gesagt, daß die FPÖ Vorarlbergs, die übrigens auch durch ihr Mißtrauen Friedrich Peter gegenüber bekannt ist, nicht in vielem sehr eigenständig wäre.

Vorerst bemüht sich die SPÖ, sich dadurch zu profilieren, daß sie „Ur-Alemannen“ an die Spitze der Organisation zu bugsieren versucht. Damit sollen die sogenannten „Innerösterreicher“, die bisher den Ton in der Partei angaben (der verstorbene Landesrat Jakob Bertsch, ein Grand-seigneur, war eine seltene Ausnahme), von den Schalthebeln der Macht eliminiert werden. Aus diesem Grunde hat sie auch den bisherigen Landes-parteiobmann Roman Heinz zum freiwilligen Rücktritt zu veranlassen vermocht, denn Heinz kann bis heute nur Wiener Dialekt, was in Vorarlberg nicht gerade als Empfehlung gilt. Zudem ist Heinz sehr konziliant und daher ein angenehmer Gegner aus der Sicht der ÖVP.

Zufolge ihrer doch sehr tragfänigen Mehrheit entscheidet die ÖVP des Landes, wie einst die Christlichsozialen, so ziemlich alles, was im öffentlichen Leben von Interesse ist. Der Volkspartei wird auch nachgesagt, sie gehe in der Handhabung ihrer1 Mehrheit bisweilen denn doch über die politischen Notwendigkeiten hinaus. So wäre es beispielsweise sicherlich nicht notwendig gewesen, in den Vorstand der Regionalplanung Bodensee ausschließlich ÖVP-Mandatare zu entsenden. Der SPÖ-Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz, Fritz Mayer, hätte dort wahrlich seinen Platz gehabt, der nun aber auf ÖVP-Wunsch durch den färb- und glücklosen Bregenzer Bürgermeisterkandidaten der Volkspartei, Alois Kaindl, besetzt ist.

Nicht sehr demokratisch war es auch, die Sozialisten nur unter der Bedingung in die Landesregierung aufzunehmen, daß sie nicht den - in Form und Tonfall nun wirklich nicht sehr konsensfreudigen - Abgeordneten Ernst Winder nominiere. Keine Partei kann es sich gefallen lassen, daß man ihr vorschreibt, wen sie zu nominieren hat, wenn ihr eine Position zusteht.

Beim Versuch, anläßlich der nächsten Landtagswahlen die absolute Mehrheit der ÖVP zu brechen, bedient sich die SPÖ vornehmlich jener Positionen und Institutionen, die sie auch in Vorarlberg traditionell im Griff hat. Dazu zählt insbesondere das Landesarbeitsamt, das als Anhängsel eines SPÖ-Ministeriums unangefochten von SPÖ-Mitgliedern regiert wird, allen yorap SPÖ-Landtagsabgeordneter

Sagt' die Händelskammer, daß die Wirtschaftslage nicht gerade rosig ist, so teilt das Arbeitsamt in den (gediegen gestalteten) „Arbeitsmarkt-Informationen“ mit, daß die Lage selten zuvor so großartig war, wie gerade jetzt. Ebenso erweist sich das Arbeitsamt als „Feindbild“ der Gastarbeiter und der Grenzgänger. Daß man die Gastarbeiter nicht liebt, ist verständlieh, wählten sie doch bei der letzten Arbeiterkammer-Wahl das schwarze Paradepferd Bertram Jäger. Und die Grenzgänger sind mehrheitlich auch keine SPÖ-Parteigänger.

Neuerdings versucht die SPÖ auch, in jenen Bereichen, wo sie den Fuß schon in der Tür hat, ihren Einfluß auszuweiten. So etwa an den höheren Lehranstalten (an der Pädagogischen Akademie zählt bereits ein ansehnlicher Prozentsatz der Lehrer zur SPÖ) und vor allem in den Bundesbetrieben.v

Gleichzeitig baut die SPÖ ihre Herrschaft in jenen Gemeinden aus, in denen sie über absolute Mehrheiten verfügt. Dies gilt gleichermaßen für die einstige ÖVP-Domäne Bludenz wie auch für Bregenz. Bludenz ist für die ÖVP bei den letzten Gemeindewahlen verlorengegangen, weil sie dem SPÖ-Kandidaten Hermann Stecher mit dem braven, aber nicht sehr attraktiven Bundesrat Hans Bürkle keinen geeigneten Gegenkandidaten entgegenzusetzen vermochte. Solange Hermann Stecher in Bludenz die SPÖ anführt, dürfte seine Partei sich weiter zementieren, da sie erfolgreiche kommunalpolitische Arbeit leistet. Ähnlich ist es in Bregenz: Bürgermeister Mayer versteht es, seine Mehrheit, die er nicht zuletzt wegen der unglücklichen Haltung des früheren ÖVP-Bürgermeisters Dr. Tizian in der Autobahnfrage erhalten hatte, geschickt auszubauen. Dies, obwohl er mit dem neuen Bregenzer Festspielhaus mega-lomane Ideen verwirklicht.

Neben verschiedenen Funktionären der Jungen Generation in der SPÖ, die als Scharfmacher agieren, überbieten sich die SPÖ-Abgeordneten Dr. Kek-keis, Häfele und Neururer sowie Winder im Ausrufen von Kampfparolen. Ob im alemannischen Ländle allerdings innenpolitischer Frost, wie ihn die SPÖ zu etablieren versucht, ein Erfolgsrezept ist, muß füglich bezweifelt werden. In Vorarlberg war nämlich bisher immer das „mitenand“ statt des „gegenenand“ eine politische Erfolgsmaxime.

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