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SPÖ hält den Konflikt aus

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Rudolf Weiler beleuchtet allgemein das Verhältnis dör Kirche zu den Parteien. Gerhard Steger beschreibt das Verhältnis speziell aus der Sicht der Sozialistischen Partei.

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Rudolf Weiler beleuchtet allgemein das Verhältnis dör Kirche zu den Parteien. Gerhard Steger beschreibt das Verhältnis speziell aus der Sicht der Sozialistischen Partei.

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Die Ergebnisse der Nationalratswahlen 1975 und 1979 zeigten, daß viele Katholiken Österreichs den Sozialisten trotz deren Konflikten mit wesentlichen Teilen von Kirchenhierarchie und organisiertem Katholizismus die politische Vertretung ihrer Interessen anvertrauten.

Dies signalisiert eine nicht unbeträchtliche gesellschaftspoliti-

sehe Entfremdung zwischen Teilen von je Kirchenhierarchie und Kirchenvolk: Für unser Thema bedeutet das, daß . Differenzen zwischen Kirchen- und Parteiapparat nicht automatisch identisch sind mit einem Abwenden maßgeblicher Teile der Katholiken Österreichs von der SPÖ.

Noch schärfer formuliert: Die SPÖ kann, wenn sie das für unumgänglich hält, heute gegen gesellschaftspolitische Auffassungen wesentlicher Teile der Kirchenhierarchie und des organisierten Katholizismus Politik machen, ohne automatisch mit dem Verlust der absoluten Mehrheit rechnen zu müssen.

Für maßgebliche Teile der österreichischen Katholiken sind allfällige Konflikte zwischen ihrer Kirche und der SPÖ offenbar kein hinreichender Grund für eine politische Abkehr von der SPÖ, solange die Sozialisten in anderen Politikbereichen, etwa der Wirtschafts- und Sozialpolitik, Legitimationsverluste vermeiden können.

Im österreichischen Katholizismus sind heute sehr unterschiedliche gesellschaftspolitische Strömungen vorhanden. Das Spektrum reicht vom eher in der Tradition des politischen Katholizismus der Ersten Republik stehenden Reichsbundes bis zur Katholischen Arbeiterjugend, die die Politik der sozialistischen Bundesregierung in der Regel von „links“ her kritisiert

Andererseits kann man auch innerhalb der Sozialdemokratie unterschiedliche Positionen gegenüber dem Dialog mit der Katholischen Kirche ausmachen. Während die dominierende Strömung in der SPÖ Konflikte mit der Kirche möglichst begrenzen möchte,

werden da und dort, insbesondere im Bereich sozialistischer Jugendorganisationen, Forderungen etwa gegen das Abmeldeprinzip im Religionsunterricht laut.

Somit kann man heute von keinem einheitlichen Verhältnis zwischen der SPÖ und der Katholischen Kirche sprechen.

Innerhalb beider Institutionen gibt es unterschiedliche Vorstellungen über die Art und Weise, wie das Verhältnis zueinander zu gestalten sei, wobei die ausschlaggebenden Kräfte in beiden ^Organisationen bestrebt sind, möglichst friktionsfrei miteinander auszukommen. Gerade an der Spitze von Kirche und Partei gibt es einen mehr oder minder regelmäßigen Gesprächsfluß, sei es in Gestalt eines Kontaktgremiums zwischen der SPÖ und der Katholischen Aktion, sei es im Wege von Gesprächen zwischen einzelnen „Spitzenfunktionären“ beider Institutionen.

An der Basis versuchen aufgeschlossene Parteikreise, vor allem die Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus, und am Dialog interessierte Kirchenkreise, insbesondere im Bereich der Arbeiter- und Jugendpastoral, Kontakte zu knüpfen und Gespräche zu führen, da und dort auch Aktionen miteinander zu gestalten, letzteres vor allem in Fragen der Friedenspolitik, wo sich so etwas wie eine gemeinsame Stoßrichtung im Engagement katholischer und sozialistischer Organisationen vor allem aus dem Jugendbereich herausgebildet hat.

Es sind dies Ansätze einer Koalition jener innerhalb von Kirche und Partei, aber auch über beide hinaus, die sich mit den herrschenden gesellschaftlichen Zuständen nicht abzufinden bereit sind, neue Wege suchen und dabei durchaus in Konflikt mit gleichermaßen kirchlichen als auch parteipolitischen Autoritäten gelangen können.

Für das Verhältnis von SPÖ und Kirche insgesamt scheinen sich aber nach den Problemen um die Strafrechtsreform und den mittlerweile durch die Einigung der beiden Großparteien entschärften Differenzen in der Schulreform in absehbarer Zeit keine vergleichbar großen Konfliktstoffe abzuzeichnen.

Auseinandersetzungen wie jene um die Äußerungen Bundeskanzler Kreiskys Anfang 1982 zur Rolle der katholischen Kirche in Polen und bei der Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie in Österreich haben eher Intermezzocharakter und dürften kaum nachhaltige Wirkungen ausüben.

Es dürfte daher — gleichbleibende Rahmenbedingungen, nämlich die parteipolitische Neutralität der Kirche und die weltanschauliche Pluralität in der SPÖ vorausgesetzt — in absehbarer Zeit zu keinen signifikanten Verschlechterungen im Verhältnis von Kirche und Partei kommen. Eher ist eine Weiterführung des Verständigungsprozesses zwischen den einstmals verfeindeten Institutionen zu erwarten.

Der Autor ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus (ACUS). Auszugsweiser Vorabdruck^ aus dem Beitrag „Die SPO und die Kirchen 4 in: ÖSTERREICHISCHES JAHRBUCH 82 FÜR POLITIK. Hrsg. Khol/Stirnemann, 01- denbourg und Verlag für Geschichte und Politik, München/Wien, 1983. Subskriptionspreis öS 298,- (erscheint Anfang März).

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