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SPÖ will Monopol für populäre Maßnahmen

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SP-Klubobmann Heinz Fischer hat es dem ÖAAB so richtig hineingesagt: Er hat ihn mit den Kommunisten verglichen. Die ÖVP - beglückt eine „Wa- tergate”-Retourkutsche gefunden zu haben - proklamiert eine „Eiszeit”. Die schwarze Prominenz bleibt sogar- oh Untergang des Abendlands - der Galapremiere der „Spitzbuben” fern. Na, wenn das dem Kreisky nicht in die Knochen fahrt!

Worum geht es aber im Meritori- schen? Fischer beschuldigt die ÖVP - und speziell den ÖAAB - des Doppelspiels: Auf der einen Seite stellen sie immer neue Forderungen an das Budget auf der anderen Seite polemisiere sie wegen des hohen Defizits. Dies aber sei eine destruktive und daher typisch kommunistische Politik.

Die Volkspartei reagiert auf solche Vorwürfe zumeist mit Verlegenheit, ihre Vertreter nehmen zu gewundenen Tiraden Zuflucht - und wirken unglaubwürdig. Dabei wäre es zweifellos die beste Politik, der Bevölkerung ganz ehrlich die Problematik zu explizieren, welche sich hinter dem Propaganda-Bla-Bla versteckt

Zunächst sollten die Sozialisten nicht darauf vergessen, daß ja sie mit dieser Form des Doppelspiels begonnen haben, und ihnen deshalb die nunmehrige Empörung nicht besonders zu Gesicht steht. Solange die ÖVP den Finanzminister stellte, waren sie es, die - gleichgültig ob in der Opposition oder als Koalitionspartner - eine konstante Lizitationspolitik betrieben, sich dann aber über das auf diese Weise herbeigeführte Budgetdefizit al- terierten.

Erinnern wir uns nur noch an die Polemik gegen den „Schuldenmacher Karnitz”, wegen dessen - im Vergleich zu heute - mikroskopisch kleine Defizite die Sozialisten bereits den Staatsbankrott an die Wand malten, obwohl sie es selbst waren, die durch geschickte propagandistische Manöver vorher Mehrausgaben erzwungen hatten.

Wenn also ein derartiges Doppelspiel kommunistisch ist, dann wären es ja die Sozialisten, die bis zum Beginn ihrer Alleinregierung eine kommunistische Politik betrieben haben. Dann aber wäre die „rote Katze” keine ÖVP-Fiktion gewesen, sondern eine sehr reale springlebendige Kreatur.

Nun könnte man sicherlich argumentieren, daß dies noch immer kein Grund für die ÖVP sein müßte, die sozialistische Politik - noch dazu nicht sehr geschickt- zu imitieren. Nur: Was bleibt der Opposition übrig, als auch zu lizjtieren, wenn die Regierungspartei selbst lizitiert - ohne Rücksicht auf den katastrophal verschuldeten Staatshaushalt? Da wird eine UNO- City überdimensional gebaut, da sollen gegen jede wirtschaftliche Vernunft eine Automobil- und eine Sulfatzellstoffabrik mit Milliardenaufwand - welcher letzten Endes doch vom Staat kommen muß - errichtet werden. Da mußte der scheidende Sozialminister Rudolf Häuser noch einige sündteure Sozialpläne realisieren und der neugebackene Sozialminister Gerhard Weissenberg neue Monsterpläne auf den Tisch legen, da fordern die sozialistischen Frauen eine Aufstockung der Geburtenbeihilfe, da wird trotz wachsendem Budget- und Außenhandelsdefizit die Arbeitszeit verkürzt und der Urlaub verlängert, etc. etc. Der Finanzminister weiß zwar vor lauter Schulden nicht mehr aus und ein, er redet lauthals vom Sparen, erfüllt aber dann doch immer wieder unfinanzierbare Forderungen, weil die Partei es befiehlt.

Und die Regierung verabsäumt es dann selbstverständlich nicht, mit ihren Leistungen, speziell auf sozialem Gebiet, Propaganda zu betreiben. Anderseits reagiert sie aber sehr indigniert, wenn dann die Opposition auch ihre sozialen Konzepte präsentiert, deren Verwirklichung fordert: Ob sie denn nicht wisse, daß kein Geld vorhanden sei?

Nun kann man es der Opposition nicht verübeln, wenn sie - häufig sogar mit gutem Grund - ihre sozialen Anliegen für wichtiger hält als diejenigen, welche die Regierung selbst ohne Rücksicht auf die Staatsfinanzen durchpeitscht Wenn die Sozialisten der - sicherlich berechtigten - Meinung sind, daß gegenwärtig der Staat kein Geld für zusätzliche Ausgaben hat, dann müssen wohl sie selbst als Regierungspartei mit gutem Beispiel vorangehen. Aber selbst munter drauflos zu lizitieren und dann die Empörten zu mimen, wenn die anderen Parteien beim Lizitationshasard mitmachen wollen - ist nicht gerade das jenes Doppelspiel, das die SPÖ der ÖVP vorwirft?

Nun ist sicherlich auch in Zukunft eine aktive Sozialpolitik notwendig, denn es gibt noch viele ernste soziale Probleme zu lösen. Aber, wie viele kostspielige, von der sozialen Substanz her außerordentlich dürftige Maßnahmen wurden nicht in den letzten Dezennien beschlossen, nur weil sie angeblich oder tatsächlich wählerwirksam sind, während die wirklich wichtigen Forderungen immer wieder zurückgestellt werden!

Sicherlich, die Opposition betreibt häufig Lizitations politik, aber es ist die Regierungspartei selbst, die durch ihr Verhalten diese provoziert Wenn die Regierung ein Stillhalten der Opposition will, dann muß sie sich wohl zuerst selbst zu einem Stillhalten verpflichten, ja darüber hinaus ein gleiches Wohl verhalten für den Fall garantieren, daß ihre Partei vielleicht doch wieder einmal die Oppositionsbänke drücken sollte. Aber für sich selbst ein Monopol für populäre Maßnahmen in Anspruch nehmen zu wollen und von der Opposition womöglich zu erwarten, daß sie das Odium des unpopulären Bremsens auf sich nimmt ist unrealistisch und auch nicht gerade fair.

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