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„Sponsor" Gastarbeiter

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Die nützen ja nur unseren Sozialstaat aus, irgendwie Schmarotzer, die die hiesigen Sozialleistungen mißbrauchen. Solche und ähnliche Argumente tauchen in der Ausländerdiskussion oft auf. Sie werden aber auch durch die häufige Wiederholung nicht richtiger.

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Die nützen ja nur unseren Sozialstaat aus, irgendwie Schmarotzer, die die hiesigen Sozialleistungen mißbrauchen. Solche und ähnliche Argumente tauchen in der Ausländerdiskussion oft auf. Sie werden aber auch durch die häufige Wiederholung nicht richtiger.

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Tatsache ist, daß ausländische Arbeitkräfte deutlich mehr Geld in den gesamtösterreichischen Sozialtopf einbringen als sie umgekehrt an Leistungen daraus erhalten. Das Bild von den „Sozialschmarotzern" stimmt hinten und vorne nicht: So haben Ausländer erst nach drei Monaten Beschäftigung Anspruch auf Familienbeihilfe, auf Geburtenbeihilfe gar erst nach drei Jahren. Ein Anspruch auf Wohn- beziehungsweise Mietbeihilfen besteht überhaupt nicht. Und ihre Beiträge zur Sozialversicherung sind etwa weit höher als Pensionen und Unterstützungen, die Ausländer dann in Anspruch nehmen. Kurzum: Ausländische Arbeitskräfte fördern das österreichische Sozialnetz.

Am Beispiel der Arbeitslosenversicherung wird dieses Verhältnis besonders drastisch deutlich. Der „Topf, aus dem in Österreich Arbeitslosengeld bezahlt wird, ist aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung gespeist. Ausländer - also die Gastarbeiter - zahlen deutlich mehr ein als ausländische Arbeitskräfte ohne Job (siehe Graphik) an Arbeitslosengeld beziehen.

Eine Statistik der Wiener Arbeiterkammer belegt dies: Allein in den Jahren 1974 bis 1990 leisteten ausländische Beschäftigte rund zwölf Milliarden Schilling an Beiträgen für die Arbeitslosenversicherung. Nur die Hälfte wurde von arbeitslosen ausländischen Arbeitkräften wiederum in Anspruch genommen. Die verbleibenden sechs Milliarden (exakt 5,89) kommen Österreich und damit unmittelbar inländischen Arbeitslosen zugute. Dieser „Überschuß" sorgt letztlich auch dafür, daß die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Österreicher niedriger gehalten werden können.

Einer der Gründe dafür, warum Ausländer so wenig Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen, liegt darin, daß sie - abgesehen von wenigen Ausnahmefällen - keine Notstandshilfe erhalten. Diese finanzielle Unterstützung bei längerfristiger Arbeitslosigkeit steht im Prinzip nur Österreichern zu. Arbeitnehmer ohne öster-reichi sehe Staatsbürgerschaft können die Notstandshilfe nur dann beziehen, wenn sie aus Deutschland, Großbritannien oder Schweden kommen. Zwischen diesen Staaten und Österreich besteht ein gegenseitiges Abkommen über „Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung". Mit der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien hat Österreich keine derartigen Verträge unterzeichnet.

Allerdings haben Ausländer, die in Österreich geboren wurden und hier immer ihren Wohnsitz hatten, im Fall von Arbeitslosigkeit heute bereits Anspruch auf Notstandshilfe. Bisher war diese Gruppe allerdings zahlenmäßig noch sehr gering - und der Passus im Gesetz mehr theoretisch. Erst in einigen Jahren wird dieses Recht daher zur Geltung kommen.

Erst ab 1993 gilt auch, daß Ausländer, die fünf Jahre in Österreich gearbeitet und zusätzlich einen Befreiungsschein haben, zur Notstandshilfe anspruchsberechtigt sind. Andererseits werden aber auch Österreicher, die im Ausland gearbeitet, aber keinerlei Beiträge geleistet haben, in die Leistungen der Arbeitslosenversicherung zusätzlich einbezogen.

Wer allerdings die Notstandshilfe nicht in Anspruch nehmen kann, läuft bereits Gefahr, durch alle Maschen des „sozialen Netzes" zu fallen. In

Wien beispielsweise, wo im zahlenmäßig die meisten Ausländer Beschäftigung finden, haben sie auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe (es gibt nur eine „Kann-Bestimmung", die lediglich in äußerst seltenen Fällen angewendet wird). Ohne Sozialhilfe gibt es aber keine Möglichkeit einer Überbrückung, bis wieder ein Arbeitsplatz gefunden werden kann. Der letzte Ausweg besteht für Ausländer dann darin, bei der Caritas Hilfe zu suchen.

Als „nicht fair, wie mit den Leuten umgegangen wird", empfindet es daher Barbara Gerstbach von der Ausländerberatungsstelle der Caritas. Sie kenne zwei konkrete Fälle, wo Ausländer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, schildert die diplomierte Sozialarbeiterin. Grund dafür sei in beiden Fällen die Tatsache, daß den Betroffenen vier beziehungsweise sieben Tage Arbeitszeit fehlen, um doch Unterstützung zu erhalten.

Oftmals komme es nämlich vor, daß Ausländer gekündigt würden, ohne über die (sozial-)rechtlichen

Folgen informiert zu sein. Da sie „sprachlich ausgeliefert" seien, so Gerstbach, könnten sie ohne ihr Wissen schon nach einem einzigen Krankentag entlassen werden.

Auch ihr, Gerstbach, sei der Fall einer 62jährigen Frau aus dem ehemaligen Jugoslawien bekannt, die 23 Jahre lang in Österreich beschäftigt war. In dieser Zeit mußte diese als Putzfrau körperlich belastende und gefährliche Arbeiten durchführen -mit scharfen Chemikalien und zudem meist in kalten Rohbauten. Mittlerweile hat die Frau Rheuma, ist nicht mehr arbeitsfähig; eigentlich sollte ihr eine Invalidenpension zustehen. Allerdings wurde ihr, die immerhin zwei Jahrzehnte hindurch Pensionsversicherungsbeiträge eingezahlt hat, erklärt, sie besäße zu wenige Versicherungstage und sei zudem nicht krank genug. „Sie steht jetzt praktisch mit nichts da, sie bekommt auch keine Sozialhilfe", schildert Gerstbach das Schicksal dieser Frau. Glück sei allein, daß sich ein Arzt ihrer erbarmt hat und die gegen das Rheuma nötigen Spritzen herschenkt.

Außer dieser Frau zahlten im Jahr 1990übrigens 127.370 weitere Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien korrekt ihre Pensionsversicherungsbeiträge. Und zwar in der Höhe von 5,3 Milliarden. Die Pensionisten aus den Reihen der Landsleute bezogen im Jahr davor jedoch nur 757 Millionen Schilling an Leistungen. Wer nützt da wen aus?

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