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Digital In Arbeit

SPRACHE UND DATEN GEMEINSAM „AUF DRAHT"

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Ein neues Kommunikationszeitalter bricht auch in Österreich an: Seit Mitte Februar dieses Jahres wird ISDN, das „Integrated Services Digital Network" in einem Pilotversuch mit etwa 120 Teilnehmern erprobt.

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Ein neues Kommunikationszeitalter bricht auch in Österreich an: Seit Mitte Februar dieses Jahres wird ISDN, das „Integrated Services Digital Network" in einem Pilotversuch mit etwa 120 Teilnehmern erprobt.

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1993 führt die Post das Kommunikationsnetz zur gleichzeitigen digitalen Übertragung von Sprache, Texten und Daten über die Telefonleitung als regulären Dienst ein. Der weitere Ausbau soll so zügig erfolgen, daß bis 1995 die Digitalisierung des österreichischen Telefonnetzes „eingeholt" wird. Dann werden alle Wirtschaftsund Ballungsräume - mit etwa 70 Prozent der bestehenden Telefonanschlüsse - auf die digitale Technik umgestellt und gleichzeitig ISDN-fähig sein.

Vorerst steht der Basisanschluß (Basic Access) für maximal acht Endgeräte zur Verfügung. Er besteht aus zwei Amtsleitungen - sogenannten „B-Kanälen" - und einem „D-Kanal" für die Zeichengebung. Zur Übertragung der „Nutzdaten" mit einer Geschwindigkeit von je 64 kbit/s (Kilobit pro Sekunde) und der Steuerungssignale mit 16 kbit/s wird das bestehende Netz der Teilnehmeranschlüsse, so wie es ist, verwendet. An die „ISDN-Steckdose" der Post kann der Anwender einen digitalen Telefonapparat und ein Faxgerät anschließen, sowie - mit Hilfe einer speziellen ISDN-Steckkarte - den PC mit dem Telefon verbinden. Ab 1993 werden auch die ersten Primärgrup-penanschlüsse (Primary Read Access) installiert und mit ihrer Kapazität von 30 Amtsleitungen zur Verbindung größerer Nebenstellenanlagen mit dem öffentlichen Netz taugen.

Wer bloß telefonieren will, dem wird ISDN vorerst nicht viel Neues bringen: Wahl Wiederholung, Kurzwahl, Abspeichern der zuletzt gewählten Nummer, Sperren von Rufnummern und das Selektieren von Anrufmöglichkeiten können schon die heutigen Komfort-Telefone. Ein zusätzliches Leistungsmerkmal des öffentlichen ISDN ist die Anzeige der Telefonnummer des Anrufers am Display des Endgerätes beim Empfänger. Gebührenanzeigen, verschiedene Formen der Anrufumleitung - generell, bei besetztem Anschluß oder bei Nichtmelden -, das „Anklopfen",, mit dem während eines Gesprächs ein weiterer Anruf angekündigt wird, das Halten einer Verbindung oder Bilden geschlossener Benutzergruppen.

Die ISDN-Karte macht einen PC zum Terminal, mit dem Dienste zur Sprach-, Daten-, Text- und Bildübertragung gleichzeitig genutzt werden können. Dabei ist - angenehmer Nebeneffekt - der Arbeitsplatz stets aufgeräumt, denn der heutige „Kabelsalat" gehört der Vergangenheit an. Eine typische Anwendung: Während eines Telefonates überträgt man zur Erläuterung eine schnell angefertigte Handskizze per Fax an den Gesprächspartner.

Wer Kommunikations- und Informationstechnologie mit ISDN „verheiraten" will, zahlt dafür monatlich 400 Schilling. Mit diesem Tarif gehöre sie „zu den billigsten ISDN-Anbietern in Europa", lobt sich die österreichische Post. In der Bundesrepublik kostet der Basisanschluß 130 DM -umgerechnet etwa 910 Schilling - pro Monat. Diesem Aufwand steht eine Gebühreneinsparung durch die kürzere Belegungsdauer der Leitungen im ISDN gegenüber: Derzeit überträgt ein Faxgerät der Gruppe 3 eine DIN A4-Seite mit allem Drumherum in 50 und 60 Sekunden. Künftig wird das Blatt in weniger als zehn Sekunden „durch" sein. Eine A4-Textseite ist bei herkömmlicher Datenübertragung mit Modem einige Sekunden unterwegs; mit ISDN geht es in 0,4 Sekunden.

Österreich gehört zwar nicht zu den ersten Ländern, die ISDN einführen, aber zu den ersten, die von Anfang an das „Europrotokoll" verwenden. Bislang haben viele Staaten ihr eigenes „ISDN-Süppchen" gekocht, das zwar schneller zubereitet war, aber leider nicht jedermanns Geschmack ist: Endgeräte müssen auf die nationalen Protokolle abgestimmt werden und vertragen daher nur eine spezielle Norm. Die Umstellungsphase auf das Europrotokoll wird einige Zeit dauern, weil Länder mit nationalen Spezifikationen damit keine Eile haben. Daraus ergibt sich das Dilemma, daß für die europaweit einheitliche ISDN-

Lösung gegenwärtig nur wenige Endgeräte angeboten werden. Ein gutes Dutzend hievon ist übrigens in Österreich bereits postgenehmigt.

Daß multifunktionale Endgeräte in Massen kommen werden, ist jedoch ohnedies nicht zu erwarten: Deren Bedienung wird mit wachsendem Leistungsumfang immer komplizierter und der Anwender will kein Handbuch lesen, nur um mit dem Telefbn umgehen zu können. Letztlich wird die Akzeptanz von ISDN auch vom Erfindungsreichtum der Software-Häuser abhängen. Bedarf besteht vor allem an branchenspezifischen Lösungen.

Ein Beispiel: Mitarbeiter in den Kundenabteilungen von Versicherungen, Kreditkartenorganisationen oder Versandhäusern können ihre Telefonate künftig PC-unterstützt abwickeln und haben dann schon beim Abheben des Hörers alle erforderlichen Informationen, weil über die Rufnummernanzeige die kundenspezifischen Daten automatisch aus dem Rechner geholt und auf dem Bildschirm ausgegeben werden.

Der Autor i:;t Fachjournalist.

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