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Sprung über den Schatten

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Klar, selbstkritisch und glaubwürdig: Bundespräsident Kurt Waldheim hat in seiner Fernsehrede am Dienstag die richtigen Worte gefunden. Hat eigene Fehleinschätzung und Fehler eingestanden. Hat seine Sprachlosigkeit über die historische Tragödie des Nationalsozialismus einbekannt. Hat klargemacht, was er unter, J>flichterfüllung" verstanden wissen möchte. Hat kein Hehl daraus gemacht, daß er kein Held war. Und er hat der Illusion abgeschworen, „daß vergangene Leiden und vergangene Schuld vor der Geschichte vergessen werden können".

Zu spät?;,Ich hatte Sorge", sagte Waldheim, „daß meine Stellungnahme angesichts der ausländischen Angriffe als Taktik empfunden werden könnte." Damit wird er aber auch jetzt rechnen müssen.

Diese Worte am 8. Juli 1986 bei der Angelobung vor der Bundesversammlung hätten ihm und uns viel erspart. Wirklich?

Manches sicherlich, vor allem einige Mißverständnisse. Aber wir betrügen uns selbst, wenn wir uns auf solche Unterlassungen ausreden, Folgen zur Ursache erklären.

Kurt Waldheim im Femsehen, Franz Vranitzky in den Vereinigten Staaten - und die Übeltäter verkriechen sich in ihren Löchern. Wie lange noch?

Kurt Waldheim hätte verhindert werden sollen. Nicht die Welt, von der wir jetzt so gerne reden, hat, Österreicher haben sich aus politischen Motiven das zum Ziel gesetzt. Waldheim sollte fertig, unmöglich gemacht werden. Sein bruchstückhafter Lebenslauf war die Waffe, der man sich bedient hat.

Das „Material" kam zuerst aus Osterreich. Warum soll etwa ein Bruno Kreisky, der das von amerikanischen Journalisten bestätigt erhalten hat, auf seine alten Tage in dieser Sache lügen?

Wenn man von „ehrlosen Gesellen" redet, hat man sie hierzulande zu suchen. Und wenn jemand das Image dieses Landes demoliert hat, dann war es ihr Werk.

Kurt Waldheim Bereitschaft zur Einsicht imd Mut zum Be-keimtnis abverlangen, selbst aber feige untertauchen: Wehe dem Land, wenn solche Typen auch noch Erfolg haben! Das beunruhigt mich mehr als der Name Kurt Waldheims auf der amerikanischen „watch list". Letzteres ist zwar kein Renommee, ersteres aber eine ernste Gefahr.

Wir sind — unsinnig, es zu leugnen - in einen Belagerungszustand geraten, ohne uns zu erinnern, daß die Angreifer unter uns sind. So schnell vergessen Menschen.

Wir stehen im Scheinwerferlicht, das auch harte Schatten wirft, die Schatten der Vergangenheit.

Kurt Waldheim ist jetzt über seinen Schatten gesprungen. Es ist nie zu spät, auch wenn die Uhr schon fünf nach zwölf zeigt.

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