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Spuren der Auferstehung

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Die Kirche in Österreich, besonders in der Erzdiözese Wien, feiert Ostern in diesem Jahr unter schwierigen Bedingungen. Nicht der Friede, sondern die Auseinandersetzung prägt ihr Bild.

Die einen sind entsetzt, daß auch führende Priester, Laien und Ordensleute sich offen gegen eine Entscheidung des Papstes oder der römischen Kurie wenden. Andere haben Angst vor Rom. Sie haben Angst, daß es Frieden mit Rom nicht durch Versöhnung der Gegensätze, sondern nur durch Unterwerfung gibt, wofür sie in der Art der Bischofsernennungen ein Zeichen sehen.

Andere, die der Kirche reserviert oder feindlich gegenüberstehen, sehen sich in ihrer Meinung bestätigt, daß es in der Kirche letztlich weder um den Menschen noch um Gott geht, sondern um Selbsterhaltung und um die eigenen Machtpositionen.

Wie können wir bei diesen kirchlichen Zuständen — die außerkirchlichen sind nicht besser — Ostern feiern?

Ostern ist von seinem Ursprung her nicht lauter Friede und Freude. Ostern ist nicht nur der Oster-

sonntag, sondern auch der Karfreitag. Zu Ostern gehört nicht nur der Auferstandene, sondern auch der Gekreuzigte, der um der Gerechtigkeit und Wahrheit willen Verfolgte. Zu Ostern gehören nicht nur die Jünger, die durch die Erfahrung der Auferstehung verwandelt und zu neuen Menschen werden, sondern auch jene, die Jesus kreuzigen, die ihn verraten, verleugnen und verlassen.

Was sich zu Ostern damals ereignet hat, das ereignet sich auch heute; sowohl in der Welt als auch in der Kirche. Auch heute gibt es Verfolger und Verfolgte. Es gibt Menschen, die um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen verfolgt und auf manche Weise gekreuzigt werden. Auch heute gibt es Menschen, die erkennen und erfahren, daß Jesus lebt, und die dadurch verwandelt werden.

Auch in unseren Tagen gibt es die Spuren des Kreuzes, die Zeichen der Zerstörung und des Todes, aber auch die Spuren des Auferstandenen wie auch der Auferstehung des Menschen. Es ist unsere Aufgabe, diese Spuren zu entdecken; die einen, um die Situation richtig einzuschätzen und das Böse in der Welt nicht zu verharmlosen, die anderen, um Resignation und Verzweiflung zu überwinden und neu Hoffnung zu schöpfen.

Wo gibt es nun die Spuren des Gekreuzigten? Wer sind heute die Verfolger und die Verfolgten?

Es ist gefährlich, die Menschen in böse Verfolger und gute Verfolgte einzuteilen. Dadurch entstehen die Feindbilder, die schon so viel Unheil in diese Welt gebracht haben. Vielfach sind die Menschen Verfolger und Verfolgte zugleich. Jeder tut sich oft schwer, die Wahrheit zu ertragen und ist versucht, den abzulehnen, der sie ihm vor Augen hält. Und fast jeder wird auch berechtigte Forderungen stellen, um derentwillen er abgelehnt wird.

Verfolger und Verfolgte sind auch in der Kirche schwer zu trennen. Auch der Papst und die römische Kurie können Menschen um der Gerechtigkeit und Wahrheit willen verfolgen. Nicht wenige Heilige haben unter Päpsten, Bischöfen und Priestern zu leiden gehabt. Die Besinnung auf Ostern kann mich nicht davor bewahren, auch in der gegenwärtigen kirchlichen Auseinandersetzung, mich selbst als ungerecht Verfolgten und die anderen als die bösen Verfolger zu betrachten. Die Grenzen zwischen beiden laufen meist mitten durch das eigene Herz.

Die Spuren des Kreuzes sind heute nicht schwer ausfindig zu machen. Gibt es auch Spuren des Auferstandenen und der Auferstehung des Menschen? Gibt es Erfahrungen und Zeichen, die erkennen lassen, daß Jesus lebt, und daß durch ihn Menschen verwandelt werden, als neue Menschen auferstehen?

In der fast zweitausendjährigen Geschichte nach Christi Geburt können wir unzählige Spuren der Anwesenheit Jesu und seiner Wirkung entdecken. Er hat die Geschichte geprägt und das Leben gestaltet.

Gegenwärtig erleben wir, wie Eugen Biser in seinem Buch „Glaubensgeschichtliche Wende“ ausführt, eine „Neuentdeckung Jesu“. Von dieser Neuentdeckung zeugt nicht nur eine umfangreiche Jesusliteratur, sondern auch der fragwürdige Slogan „Jesus Ja, Kirche Nein“. Es gibt in allen Teilen der Welt Menschen, die Jesus als großartigen Menschen bewundern, über ihn staunen, als den „lichterfüllten Abgrund“ (Kafka), die an ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen, glauben und ähnlich wie Thomas bekennen „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).

Diesen Glauben zu ermöglichen und weiterzugeben ist die eigentliche und wesentliche Aufgabe der Kirche.

Zu Ostern feiern wir ja nicht nur , die Auferstehung Jesu, sondern auch die Auferstehung des Menschen, und zwar nicht nur die Hoffnung, daß alle Menschen einst von den Toten auferstehen, sondern auch die Auferstehung in dieser Welt. Gibt es Spuren und

Zeichen dieser Auferstehung auch in unseren Tagen?

Auferstehung des Menschen geschieht, wo die Kräfte des Negativen, der Zerstörung, des Bösen und des Todes überwunden werden. Auferstehung beginnt, wenn Menschen sich mit einem sinnleeren Leben nicht abfinden können und nach einem Ausweg suchen; wenn Menschen, die weder an sich, noch an ihre Mitmenschen noch an Gott glauben können, den Glauben wieder zurückgewinnen oder neu geschenkt bekommen. Auferstehung des Menschen geschieht, wo Verzweifelte wieder hoffen, wo Resignierte zu Engagierten werden, wo Lieblose zu lieben beginnen. Dies und ähnliches hat sich ereignet, als Jesus einst auferstand, und das ereignet sich auch heute.

Paulus schreibt im Brief an die Kolosser, daß die Christen jetzt schon mit Christus auferweckt sind und in einem neuen Leben wandeln, wenn auch verborgen und für viele schwer erkennbar (vgl. Kol 3,1-4). Ziel der Auferstehung ist der heute so oft herbeigesehnte neue Mensch, der neue Adam, der tatsächlich Gottes Ebenbild ist.

„Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider, und so werden wir in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn“ (2 Kor 3,16). Diese Gottesebenbildlichkeit soll sich durch die Auferstehung entfalten. „Die Gottesebenbildlichkeit bezeichnet keinen schon anfänglich gegebenen Zustand, sondern die Bestimmung des Menschen, die erst in der Geschichte Christi, in seinem Gehorsam und in seiner Auferstehung realisiert wird“ (Wolfhart Pannenberg).

Aber wo ist dieser neue Mensch nach nun fast schon 2000 Jahren Christentum?

Für Paulus ist das Sterben des alten Menschen und das Werden des neuen nicht ein punktuelles Ereignis, das etwa mit der Taufe abgeschlossen wäre, sondern ein Lebensprozeß, der irgendwie bei jedem Menschen neu beginnen muß. Dieser Prozeß kann mühsam und von Rückschlägen begleitet sein.

Aber trotzdem — und das ist der Glaube der Christen — ist ein Anfang gesetzt, der zu allen Hoffnungen berechtigt. Darum ist es auch wichtig, die Spuren der Auferstehung des Menschen zu erkennen, und das, was keimhaft da ist, zur vollen Entfaltung zu bringen.

Für den Christen ist der Glaube an die Auferstehung Jesu das Fundament für den Glauben an die Auferstehung des Menschen; hier und heute wie auch in einer zu erhoffenden Welt bei der Auferstehung der Toten.

Die Macht des Auferstandenen beschränkt sich nicht auf die Kirche. Der Auferstandene ist überall, wenn auch verborgen, wirksam und bewirkt die Auferstehung des Menschen. Dieser Glaube hat das Zweite Vatikanum ermutigt zu einem offenen Dialog mit allen Menschen guten Willens. Und diese Offenheit soll nicht durch neue Ängstlichkeit verlorengehen.

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