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Staatsideologen und Religion

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„Die Religion wird von den regierenden Staatsideologen in der CSSR als Opium des Volkes’ betrachtet. Deswegen werde ich von der Polizei ordnungsgemäß direkt in den strafverfolgten Abschaum der Nationalgemeinschaft, nämlich die .Drogenabhängigen und Drogenvermitt- ler’, eingeordnet“ , sagt die Dichterin Iva Kotrlä aus Brünn über ihre derzeitige Lage.

Und die Lage ist symptomatisch für Christen in der Tschechoslowakei. Im Vorjahr wurden Dutzende Christen von der Geheimpolizei und über Antrag der Staatsanwaltschaft Richtern vorgeführt. Dabei konnte die klare Unbescholtenheit der Angeklagten manchmal nicht so einfach hinweggeleugnet werden.

Im Privatleben als sorgsame Väter von mehrköpfigen Familien bekannt, im Dienst als vorzügliche Fachleute anerkannt und in ihrem Kollegenkreis beliebt - so lauteten beispielsweise die Zeugnisse für die sechs

Prager katholischen Aktivisten im Dezember des Vorjahres, bevor sie zu bedingten Strafen verurteilt wurden.

Es gibt jedoch verschiedene Taktiken bei jener Staatsbehörde, die für die Aufsicht über die Kirchen zuständig ist und in enger Zusammenarbeit mit der Staatspolizei agiert, um den Glauben und die Religion aus dem Leben der Menschen zu eliminieren. Gesetz hin, Gesetz her, jede Methode scheint dabei zulässig und angebracht. Die Diffamierung populärer Priester gehört seit Jahren zu diesem Repertoir. So beschuldigte man den slowakischen Pfarrer Stefan Gerboc des sexuellen Mißbrauchs Jugendlicher. Als einen Irren versuchte man den katholischen Aktivisten Augustin Navratil aus der mährischen Ortschaft Lutopecny darzustellen.

Charakteristisch für die Haltung der Justiz in der CSSR gegenüber Christen verlief der

Prozeß gegen den 54jährigen Katholiken Frantisek Adamik aus Prerau vor dem Kreisgericht in Ostrau. Die Anklage erblickte das Handlungsmotiv Adamiks darin, daß er sich als „bigotter Anhänger des römisch-katholischen Glaubens“ nicht mit dem abfinden konnte, was ihm als unzureichende Befriedigung der geistlichen Bedürfnisse der Gläubigen erschien, besonders mit dem Mangel an religiöser Literatur. Deshalb habe er sich entschlossen - so die Anklage —, durch die eigene Erzeugung und Verbreitung religiöser Literatur diesem Mangel Abhilfe zu schaffen.

Derzeit befinden sich — nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte - in der CSSR acht Personen aus religiösen Gründen in Haft, 26 Personen wurden in letzter Zeit zu bedingten Strafen verurteilt oder werden gegenwärtig auf freiem Fuß strafverfolgt.

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