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Staatsschuld hoch genug

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Steigende Staatsverschul-dung treibt die Zinsen in die Höhe, macht private Investitionen unrentabel. Die Grenzen der Belastbarkeit sind in den meisten Ländern erreicht.

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Steigende Staatsverschul-dung treibt die Zinsen in die Höhe, macht private Investitionen unrentabel. Die Grenzen der Belastbarkeit sind in den meisten Ländern erreicht.

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Die siebziger Jahre unseres Jahrhunderts werden als das Jahrzehnt des steigenden Staatseinflusses in die Geschichte eingehen. Treibender Motor dieser Strukturverschiebung sind bekanntlich die Staatsausgaben gewesen, deren reales Wachstum weit über demjenigen des Bruttosozialprodukts lag.

Das Ergebnis dieses Prozesses läßt sich an einer einfachen statistischen Kennziffer ablesen. Die Staatsquote, d. h. das Verhältnis von Staatsausgaben zum Brutto-

Sozialprodukt, gibt an, wie groß der ökonomische Herrschaftsbereich unserer Regierungen ist.

Aus dem allgemeinen Aufwärtstrend der Staatsquoten schert nur ein Land aus: Wider Erwarten handelt es sich dabei um Großbritannien, dessen Regierung 1980 genau wie zehn Jahre zuvor 37 Prozent des Sozialprodukts verschlang.

Eine geringe Zunahme des Staatsanteils trat auch in den Vereinigten Staaten ein, wo alle öffentlichen Haushalte zusammen heute rund ein Drittel des gesamtwirtschaftlichen Outputs beanspruchen. Im internationalen Vergleich steht auch die Schweiz mit einem Staatsanteil von 28 Prozent noch relativ gut da. Im sogenannten Mittelfeld liegen Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland, wo die staatlichen Budgets inzwischen 30 Prozent bzw. 34 Prozent aus dem „Kuchen" herausschneiden.

In Ländern wie Belgien, Österreich, den Niederlanden, Italien und Kanada vergrößerte sich der Staatsanteil von 30 — 35 Prozent (1970) auf 40 - 45 Prozent im Jahre

1980 — ein quantitativer Sprung, der aus ordnungspolitischer Sicht ohne Zweifel als qualitativer Bruch beurteilt werden muß. Eine explosive Dynamik kennzeichnen schließlich die Regierungen von Schweden und Dänemark, die nunmehr über mehr als die Hälfte der nationalen Wirtschaftsleistung die Verfügungsgewalt ausüben.

Unsere Regierungen haben immer mehr Mühe, sich laufende Einnahmen zu beschaffen. Ein weiteres Zeichen dafür—und vielleicht eine Folge davon — sind die in den siebziger Jahren fast überall gewaltig anschwellenden Budgetdefizite. Sie zeigen, daß die Staatsquote noch schneller gestiegen ist als die Steuerquote.

Das bedeutet, daß der Eingriff des Staates in die Wirtschaft in Wirklichkeit größer ist als der Druck der fiskalischen Belastung. In diesem Blickwinkel erscheint die Verschuldung des Staates, die oft verharmlost oder gar angepriesen wird, erst im richtigen Licht.

Von 1970 bis 1980 hat die Neuverschuldung des öffentlichen Sektors zum Teil astronomische Dimensionen angenommen. In keinem von zwölf untersuchten Industrieländern hat die Gesamtschuld aller Gebietskörperschaften um weniger als 100 Prozent zugenommen. Auch bei realer Betrachtungsweise, d.h. unter Berücksichtigung des Preisniveauanstiegs, zeigt sich jedoch, daß das Problem der Staatsverschuldung durchaus zu Recht zu einem zentralen politischen Thema geworden ist. Japans Staatsschuld hat im letzten Jahrzehnt auch real gesehen noch um 340 Prozent zugenommen, diejenige Österreichs um rund 200 Prozent, allerdings von einer relativ niedrigen Basis ausgehend.

Real auf mehr als das Doppelte sind die ausstehenden öffentlichen Schulden auch in Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland und Italien gestiegen, während Schweden und die Schweiz den realen Zuwachs auf 100 Prozent begrenzen konnten.

Eine frappante Ausnahme unter den betrachteten Ländern bildet wiederum Großbritannien, dessen reale Staatsschuld im letzten Jahrzehnt um rund 15 Prozent zurückging.

Bei gegebenem Kapitalangebot bedeutet jede staatliche Mittelaufnahme eine Belastung der Finanzmärkte, was unweigerlich zu einer Erhöhung des Zinsniveaus führt. Diese Verteuerung des Kapitals grifft auch die gesamte Privatwirtschaft, indem die Rentabilität der bestehenden Produktionsanlagen abnimmt.

Will der Staat diese unerwünschten Auswirkungen einer starken Beanspruchung des Kapitalmarktes verhindern, aber dennoch nicht auf diese scheinbar bequeme Einnahmebeschaffung verzichten, bietet sich ihm eine auf den ersten Blick bestechende Alternative: die Verschuldung auf den ausländischen Finanzmärkten.

Im Zeitraum von 1975 -1980 haben die Industrieländer gemäß sorgfältigen Schätzungen rund ein Sechstel ihrer Budgetdefizite im Ausland finanziert. Bei den Entwicklungsländern betrug die-

ser Anteil das Doppelte. Berücksichtigt man auch die Kapitalaufnahme öffentlicher Unternehmen, für die keine Angaben vorliegen, müßten diese Quoten beträchtlich höher angesetzt werden.

Wie schnell die Struktur der öffentlichen Verschuldung sich ändern kann, zeigt z.B. die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, deren Auslandsverschuldung von 20 innert zwei Jahren auf 67 Milliarden Mark (von 1979 bis 1981) hochschnellte.

Trotz meines Berufs als Bankier, der auch im internationalen Geschäft tätig ist, möchte ich zur Verschuldung des Staates im Ausland einige kritische Bemerkungen anbringen. Während die Verschuldung im Inland den Staat praktisch nie zur Zahlungsunfähigkeit zwingen kann, stellt auch für ihn die Beschaffung von Devisen zur Verzinsung und Amortisation von Auslandschulden ein echtes ökonomisches Problem dar. Die Umschuldungsaktionen der jüngsten Vergangenheit haben der Welt diese unerbittliche Realität wieder deutlich vor Augen geführt.

Obwohl die Staaten der reichen Industrieländer diesen kritischen Bereich der Auslandverschuldung noch nicht erreicht haben, gibt es gewichtige Gründe, daß sie sich in dieser Hinsicht äußerste Zurückhaltung auferlegen. Zum einen läßt der Grad ihrer Verschuldung — unabhängig davon, ob im Inland oder Ausland — ohnehin keine weitere namhafte Kapitalaufnahme mehr zu. Zum andern sollte aber auch ihre weltwirtschaftliche und insbesondere ihre entwicklungspolitische Verantwortung sie dazu führen, auf den internationalen Finanzmärkten nicht in einen Verdrängungswettbewerb mit den kapitalarmen Entwicklungsländern zu treten.

Auszug aus einem Vortrag, den Dr. Robert Sutz, Generaldirektor der Schweizerischen Bankgesellschaft, auf einer Tagung des Europäischen Kartell-Verbandes im Mai 1982 gehalten hat

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