Die Stunde der Steuerpolitik

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Erst beim Abfassen der Steuererklärung kommt man drauf, wie viel Geld man sparen würde, wenn man gar keines hätte.“ Diese Einsicht verdankt die Menschheit dem 1971 verstorbenen französischen Schauspieler und Komiker Fernandel, der es in der Rolle des Dorfpfarrers Don Camillo zu Weltruhm brachte. Er beschreibt damit nicht nur ein Luxusproblem hochversteuerter Mitmenschen, sondern im Umkehrschluss gleich auch die zeitlose Tatsache, dass Steuersenkungen zuallererst jene begünstigen, die davor mehr zu bezahlen hatten.

Die von der Bundesregierung bereits im vergangenen Jahr umgesetzte Senkung des Eingangssteuersatzes von 25 auf 20 Prozent belegt dies ebenso wie Vorausberechnungen zur kommenden Etappe der Steuerreform, welche eine Senkung der beiden nächsten Tarifstufen der Lohnsteuer von 35 auf 30 Prozent und von 42 auf 40 Prozent vorsieht. Wer das Glas halbvoll sieht, darf sich darüber freuen, dass damit eine in Summe doch deutliche Entlastung der unteren und mittleren Lohneinkommen außer Streit steht. Wer sich hingegen daran stößt, dass mit dem Flacherwerden der Tarifstufen auch Vorteile für Besserverdienende verbunden sind, muss wohl mit dem Einwand leben, er/sie habe die innere Logik des Fernandel’schen Paradoxons noch nicht ganz verstanden.

Unnötige Verzerrungen

Im Unterschied zur Lohnsteuerreform wird um eine endgültige Einigung bei der Unternehmensbesteuerung derzeit noch gerungen. Die bereits im Regierungsprogramm fixierte – vermutlich etappenweise – Absenkung der Körperschaftsteuer von derzeit 25 auf 21 Prozent würde zweifellos die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Wenig sinnvoll erscheint hingegen die zuletzt von den Wirtschaftsvertretern forcierte Idee der steuerlichen Absetzbarkeit von Eigenkapitalkosten. Diese seit Jahrzehnten immer wieder für kurze Zeit aus dem Requisitenschrank hervorgeholte Forderung würde nämlich – neben anderen Nachteilen – zu unnötigen Verzerrungen zugunsten von Großunternehmen führen.

Deutlich zweckmäßiger wäre es, steuerliche Eigenkapitalförderung bei jüngeren Wachstumsunternehmen zu forcieren. So ließe sich der jährliche Steuerfreibetrag für Wertpapierveranlagungen – er wird derzeit vor allem für Wohnbauanleihen gewährt – auf Zahlungen an Risikokapitalfonds erweitern. Ebenso könnten Direktbeteiligungen an Unternehmen im Fall erfolgreicher Veräußerung bis zu einer definierten Obergrenze bessergestellt werden. Im Gegenzug sollte auf die angedachte Wiedereinführung der Steuerfreiheit von Gewinnen aus Aktienverkäufen nach einer einjährigen Mindestbehaltedauer verzichtet und Investitionen in Krypto-Veranlagungen aller Art in die volle Steuerpflicht einbezogen werden.

All diese Themen, einschließlich der ökologisch entscheidenden Einführung einer klugen Form der CO₂-Besteuerung, will man in den wenigen Tagen bis zum 13. Oktober, dem Tag der Budgetrede von Finanzminister Blümel, geklärt haben. Ein mehr als anspruchsvoller Zeitplan für die Fina- lisierung eines Gesamtkonzepts der steuerpolitisch „besten aller Welten“!

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