Geopolitik in allzu interessanten Zeiten
Warum die Abhängigkeit von China groß und die Zusammenarbeit mit dem "Reich der Mitte" in absehbarer Zeit unverzichtbar ist.
Warum die Abhängigkeit von China groß und die Zusammenarbeit mit dem "Reich der Mitte" in absehbarer Zeit unverzichtbar ist.
Ganze drei Jahre vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges lautete das aus heutiger Sicht geradezu prophetische Motto der Biennale Venedig 2019 „May you live in interesting times“. Ob es den Veranstaltern damals bewusst war, dass es als „chinesischer Fluch“ gilt, seinen Feinden interessante Zeiten zu wünschen, ist mir nicht bekannt. So interessant hätten sie jedenfalls nicht werden müssen!
Jetzt, mitten in den durch Putins Überfall ausgelösten geopolitischen Verwerfungen, werden Erklärungen dafür gesucht, warum wir auf die neuen Wirklichkeiten nicht vorbereitet waren.
Unbestritten scheint, dass die meisten Staaten Europas, Deutschland und Österreich allen voran, die Abhängigkeit vom russischen Erdgas nicht wahrhaben wollten. Schon weniger klar ist, ob die nicht weniger bedenklichen Abhängigkeiten von China zu erkennen waren. Die Angewiesenheit auf unverzichtbare Rohstoffe und seltene Erden ebenso wie auf Zulieferungen etwa von Solarzellen und digitalen Komponenten ist jedenfalls zu einem ganz realen „chinesischen Fluch“ geworden, den wir so rasch nicht loswerden.
Unverzichtbare Kooperation mit China
Wie darauf reagieren? Fatal wären voreilige Schlüsse in Richtung einer Abkoppelung. Denn auch wenn blindes Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt ist, bleibt es begleitend zum schrittweisen Abbau von Abhängigkeiten dennoch unverzichtbar, weiterhin arbeitsteilig zu kooperieren.
Auch spricht viel dafür, dass Staatschef Xi Jinping seinen marxistisch-marktwirtschaftlichen Großversuch eines „gemeinsamen Wohlstands für alle“ entschlossen weitertreiben will, gelang doch dem Reich der Mitte seit der Öffnung hin zur Welt des Austauschs und der Konkurrenz eine weitgehende Befreiung von Massenarmut und der Aufstieg zu der an der gesamten Kaufkraft gemessen schon heute größten Volkswirtschaft der Welt.
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