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Digital In Arbeit

Mehr freiwillig als gezwungen

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So wie man Zigaretten- und Benzinpreise über Nacht erhöhen muß (weil sonst gehamstert wird), müssen auch Änderungen beim möglichen Pensionsantrittsalter überfallsartig beschlossen werden. Wozu eine lange, breit angelegte öffentliche Diskussion führt, zeigen die eben vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger vorgelegten Zahlen: Innerhalb nur eines Jahres ist die Zahl der Frühpensionisten um fast 25 Prozent gestiegen - obwohl mittlerweile bereits jeder zweite Antrag auf Frühpension wegen „geminderter Erwerbstätigkeit” abgelehnt wird. Das bisher einzige Ergebnis der Frühpensionsdiskussion ist, daß die Frühpensionswilligen vor den Personalabteilungen Schlange stehen, weil dank des öffentlich ausgetragenen Frühpensions-Hickhack jedermann in diesem Land kapjert hat, daß es bald wesentlich schwerer sein wird, in Frühpension zu gehen. Mit 60 arbeiten mittlerweile in Osterreich nur mehr sechs Prozent der Männer und zwei Prozent der Frauen. Dieser Frühpensionswelt-meistertitel kostet uns die Kleinigkeit von 30 Milliarden Schilling.

Zwei Drittel aller Frühpension i sten wechseln als Arbeitslose in den Ruhestand. Darf man daraus aber den Schluß ziehen, daß das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsprozeß nicht ein freiwilliger, sondern ein erzwungener Schritt ist? Dagegen spricht erstens, daß jene Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes unkündbar sind, nämlich die öffentlich Bediensteten, besonders früh in Pension gehen (AViener Gemeindebedienstete und Bundesangestellte im Durchschnitt mit 53 Jahren, Bundesbeamte mit 56 Jahren). Zweitens spricht dagegen die betriebliche Erfahrung. Jeder, der in einem mittleren oder größeren Unternehmen arbeitet, erlebt, wie „müde” Arbeitnehmer vor der Frühpension auch noch schnell zum letzten Mal (fai-s rerweise: in vielen Fällen zum ersten Mal) „die Arbeitslose” konsumieren wollen. Daß die Arbeitgeber darüber oft nicht allzu unglücklich sind, erleichtert meist die Erfüllung dieses Wunsches. Die Erfahrung hat die Arbeitgeber gelehrt, daß Arbeitnehmer, die nur mehr an ihre Pension denken, kein großer Gewinn mehr für das Unternehmen sind.

Meiner Meinung würde selbst ein Pensionsantrag („Strafsteuer”) von 20 Prozent nichts an dieser Praxis ändern. Die Kinder sind aus dem Haus, man hat, was man braucht - in der Regel vor allem eine billige Wohnung. Ein späteres „In-die-Pension-gehen” läßt sich daher nur durch die unpopuläre Anhebung des zulässigen Pensionsantrittsalters erreichen.

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