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Politiker Papageien

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Es ist bekannt, daß Mandatare der zweiten Garnitur immer wieder versuchen, durch bizarre Äußerungen Aufmerksamkeit zu erregen. Spitzenpolitiker haben dies nicht notwendig. Und doch kommt es immer wieder vor, daß auch sie Erklärungen abgeben, die besser unterblieben wären. Ein gutes Beispiel dafür ist die Debatte über die Frage, ob die Beitrittsverhandlungen Österreichs mit Brüssel bis März abgeschlossen werden können. Der Bundeskanzler zeigt sich davon überzeugt, der Vizekanzler ist skeptisch und die Europa-Staatssekretärin widerspricht ihm unter Berufung auf den Small Talk freundlicher Funktionäre in Brüssel.

Nun gibt es für beide Standpunkte überzeugende Argumente: Es scheint, daß in Brüssel und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) der Wille besteht, mit den Beitrittswerbern zu einer raschen Einigung zu kommen. Das hat gute Gründe: Die EU braucht Erfolg. Das Europa- Parlament wird 1994 neu gewählt, der schon heute ausgeprägte Wunsch, die Frage der Erweiterung mit institutionellen Reformen zu koppeln, könnte sich verdichten und zu weiteren Verzögerungen führen.

Die größeren EU-Staaten befürchten, daß sie durch den Beitritt kleinerer Länder majorisiert werden könnten. Daher lassen hinausgeschobene Verhandlungen nicht unbedingt-ein besseres Ergebnis erwarten.

Andererseits muß über die noch offenen, extrem schwierigen Fragen Landwirtschaft, Niederlassungsrecht und Verkehr Einigung erzielt werden. Es ist höchst unsicher, ob in der kurzen Zeit eine Lösung gefunden werden kann.

In Wahrheit sind alle Prognosen über einen Vertragsabschluß bis zum März reine Spekulation, die verständlich wäre, wenn sie die schwierigen Gespräche mit der EU erleichterten. Man kann argumentieren, daß optimistische Aussagen die Verhandlungen beflü-

S:ln, zurückhaltende hingegen arte in der Verteidigung seiner Interessen signalisieren. Beides macht Sinn. Wenn aber Regierungsmitglieder einander widersprechen, geht nicht nur dieser Effekt verloren: Die EU wird geradezu eingeladen, sich die Uneinigkeit zunutze zu machen.

Der dänische Atomphysiker Niels Bohr erzählt, daß einst ein enttäuschter Kunde seinen Papagei in das Geschäft zurückbrachte und klagte, der Vogel sei stumm geblieben. Da meinte der Tierhändler: „Hier liegt eine bedauerliche Verwechslung vor. Ich habe Ihnen nicht den Sprecher, sondern den Denker verkauft.“

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