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Stadtische als Kultursponsor

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Allein die Willenserklärungen österreichischer Politiker, unser Land näher an die Europäische Gemeinschaft heranzuführen, bedeutete für die Versicherungswirtschaft (selbstverständlich auch für viele andere Wirtschaftszweige) einen Auftrag; nämlich, so schnell wie möglich so gut wie möglich für jede mögliche Situation, die sich aus den österreichischen Annäherungsversuchen an den Gemeinsamen Markt ergeben könnte, gewappnet zu sein.

Es hieße, geradezu sträflich zu handeln, würde man als Verantwortlicher eines großen Unternehmens einfach der Dinge harren, die da kommen mögen oder auch nicht. Fitsein für die harte Konkurrenz auf einem internationalen Markt - das bedingt jahrelange Vorbereitung, bedingt vor allem den Aufbau entsprechender Eigenmittel, die notwendig sein werden, wenn die österreichischen Versicherungsanstalten den Wettbewerb mit finanzstarken ausländischen Versicherungskonzernen bestehen wollen.

Daher bildeten die auch vom neuen österreichischen Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorgeschriebenen Eigenmittelerfordernisse einen wichtigen Schwerpunkt im Bericht von Generaldirektor Diplomkaufmann Dr. Erich Göttlicher vor der Mitgliedervertretung der Wiener Städtischen, die kürzlich zu ihrer 42. Sitzung zusammentrat.

Wer in der Lage sein will, die Veröffentlichungen der österreichischen Versicherungswirtschaft zu interpretieren, wird in Hinkunft zwischen zwei Eigenmittel-Begriffen zu unterscheiden haben: dem herkömmlichen bilanztechnischen Eigenmittel-Terminus und dem Begriff des Eigenmittelerfordernisses, wie er sich aus dem VAG ergibt. Er soll den Versicherungsunternehmungen die Möglichkeit bieten, die bei weiterer Verschärfung des internationalen Wettbewerbes, bei eventueller Einbeziehung in die Dienstleistungsfreiheit des westeuropäischen Raumes oder gar bei einer wie immer gearteten Assoziierung an die EG notwendige finanzielle Potenz aufzubauen.

Generaldirektor Göttlicher konnte die Mitgliedervertretung davon informieren, daß die Wiener Städtische dem Eigenmittelerfordernis des VAG bereits 1986 entsprechen konnte, obwohl dieses Gesetz eine Frist von sieben Jahren einräumt, um diese Auflage hundertprozentig zu erfüllen.

Die Wiener Städtische erfüllt aber auch gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgaben kultureller Art - Aufgaben von hoher Wichtigkeit. Entsprechend der Geschichte des Hauses, arbeitet die Wiener Städtische dabei intensiv mit der katholischen Geistlichkeit zusammen.

Die heutige Wiener Städtische entstand vor dem Zweiten Weltkrieg durch die Fusion der wechselseitigen „k. k. priv. Brandschaden-Versicherungs-Anstalt“, der „Allgemeinen wechselseitigen Capitalien und Renten-Versicherungs-Anstalt“ (des späteren „Janus“, der ersten Lebens-Spe-zialversicherung) und der „Städtischen Kaiser Franz Joseph-Jubiläums-Lebens- und Renten-Versicherungs-Anstalt“.

Das älteste Unternehmen war das erstgenannte, die von Georg Ritter von Högelmüller initiierte, nach mehreren Anläufen 1818 vom Hof bewilligte Brandschadens-Versicherung. Auf der im November 1821 vorgelegten Liste mit 364 Beitrittswilligen der ersten Stunde standen die Klöster und Stifte Altenburg, Geras, Gött-weig (das damals noch Göttweih hieß), Herzogenburg, Heiligenkreuz, Klosterneuburg, Lilienfeld, Melk, Seitenstetten, Schotten, Wiener Neustadt und Zwettl sowie das Wiener Domkapitel. Abt Marian zu Melk trat in den Direktionsausschuß des am 24. Dezember 1824 zugelassenen Unternehmens ein.

Die Geschichte der Wiener Städtischen und des Brandschadensversicherungswesens in Österreich ist also eng mit der Kirche verknüpft. In der Anlaufphase, in der es noch an ausreichenden Rücklagen mangelte, war Schotten-Abt Andreas unter jenen, die bis zur Erhöhung der Umlage mit Überbrückungskrediten aushalfen.

In einer Festschrift aus dem Jahr 1924, in dem die „Wechselseitige“ mit dem „Janus“ fusionierte, werden nicht weniger als 19 Kleriker der Erzdiözese Wien, unter ihnen der spätere Wiener Erzbischof und Kardinal Dr. Friedrich Piffl - damals noch als Abt und Propst von Klosterneuburg -, in unternehmerischen beziehungsweise Aufsichts-Funktionen angeführt. Auch heute gehören der Mitgliedervertretung und den Landesbeiräten der Wiener Städtischen geistliche Würdenträger an: Abt Präses Dr. Clemens Lashofer (Stift Göttweig), Prälat Kanonikus Monsignore Alexander Thiel (Graz) und Kon-sistorialrat Pater Petrus Tho-mann (Bad Vöslau) der Mitgliedervertretung, Dechant Matthias Reiner (Pfarrer von Deutschkreutz) dem Landesbeirat Burgenland, Abt Magister Albert Kurzwernhart (Stift Seitenstetten) und Stiftsdechant Professor Michael Schmid (Stift Klosterneuburg) dem Landesbeirat Niederösterreich, Abt Edgar Dietel (Stift St. Georgenberg zu Fiecht) dem Landesbeirat Tirol.

Übrigens blieb die Wiener Städtische auch während der NS-Zeit der Kirche verbunden - als einzige Versicherung, wie Domherr Johann Reinisch vor Jahren bei der Eröffnung des neu erbauten Sitzes der Landesdirektion Steiermark, des Grazer Gürtelturmes, betonte.

Diese Verbundenheit spiegelt sich auch im Engagement für die ebenso dringliche wie schwere Aufgabe der Rettung jener baulichen Kulturschätze wider, für die die Kirche allein einfach nicht aufkommen kann, machen sie doch einen erheblichen Teil des Gesamtbestandes österreichischer Kulturdenkmäler aus. Eine Versicherung kann sich nicht im großen Maßstab mäze-natisch betätigen, aber sie kann doch punktuell helfen.

So konnte die Restaurierung des Stiftsportals von Seitenstetten mit einem sechsstelligen Betrag gefördert werden.

Dieses Engagement hat Tradition:

1985 leistete die Wiener Städtische einen finanziellen Beitrag zur Renovierung der St. Josefs-Kapelle im gotischen Hochchor der Franziskanerkirche in Salzburg.

1984 konnte, mit Unterstützung der Wiener Städtischen, nach mehrjähriger Arbeit die Sanierung des barocken, künstlerisch überaus wertvollen, 1980 baufällig gewordenen Pfarrhofes der Wiener Peterskirche abgeschlossen werden.

Von 1981 bis 1983 wurde mit Hilfe zahlreicher Stifter, darunter der Wiener Städtischen, die eine Pfeife im Wert von 80.000 Schilling beisteuerte, anläßlich des 900-Jahr-Jubiläums von Stift Göttweig eine neue, prachtvolle Orgel erbaut.

In den vorangegangenen Jahren hatte das Unternehmen zur Sanierung des barocken Hochaltars von Stift Stams und zu den Renovierungsarbeiten in Stift Melk beigetragen.

(Wer denkt noch daran, daß am 15. September 1947 die Kuppel der Stiftskirche von Melk einem Brand zum Opfer gefallen ist? Von- der Entschädigungssumme in der Höhe von 330.000 Schilling waren 235.000 Schilling auf die Wiener Städtische entfallen - damals ein hoher Betrag.)

Notwendige Voraussetzung jeglichen kulturellen Engagements eines Versicherungsunternehmens ist selbstverständlich dessen wirtschaftliche Gesundheit. Generaldirektor Dr. Göttlicher gab den Vertretern der Mitglieder Einzelheiten über das Geschäftsjahr 1986 der Wiener Städtischen bekannt.

Die Gesamteinnahmen des Unternehmens überschritten, mit einer Steigerung um 770 Millionen Schilling oder 7,8 Prozent, 1986 zum erstenmal die Zehn-Milliarden-Schilling-Grenze. Dabei betrugen die Prämieneinnahmen 9,1 und die Kapitalerträge 1,6 Milliarden Schilling.

Auf der anderen Seite ging das unversteuerte Jahresergebnis um 152 Millionen auf 695 Millionen Schilling zurück.

Erich Göttlicher: „Dieser scheinbare Widerspruch von Expansion auf der Einnahmen- und Reduktion auf der Ergebnisseite verlangt nach Erklärung der Ursachen, die in der Lebens- und Sachversicherung allerdings unterschiedlicher Natur sind. Der expansivste Geschäftszweig war im vergangenen Jahr die Lebensversicherung: Einschließlich der Renten- und Risikoversicherungen stieg das versicherte Kapital von rund 54,5 auf 63 Milliarden Schilling. Mit einer Prämiensteigerung um 15,6 Prozent auf 2,35 Milliarden konnte die Lebensversicherung der Städtischen erstmals einen absolut höheren Prämienzuwachs erzielen als die Sachversicherung. Da hier im Gegensatz zur Sachversicherung die Verkaufskosten im wesentlichen im Abschlußjahr konzentriert anfallen, ist die Kostentangente stark gestiegen. Der andere Faktor, der das Jahresergebnis entscheidend beeinflußt hat, ist entsprechend der Entwicklung der gesamten Zinslandschaft der relative Rückgang der Kapitalerträge ... Es ist diese Zinsentwicklung, die uns, ebenso wie die meisten unserer Konkurrenten, zwingt, die Gewinnbeteiligung in der Lebensversicherung zu reduzieren.“

In der Sachversicherung war 1986 ein Jahr mit ungünstigem Schadensverlauf, die Schadenssätze in der Sturmschaden schnellten zum Beispiel von 39 auf 118 Prozent, in der Kfz-Haft-pflicht erreichten sie 94 Prozent. Hier stieg der Verlust von 128 auf 135 Millionen Schilling.

Der Gewinnrückstellung der Versicherungsnehmer konnten 517 Millionen Schilling zugeführt werden, davon allein in der Lebensversicherung 457 Millionen Schilling.

Der Freigabe der Kfz-Haft-pflicht-Prämien steht die Wiener Städtische prinzipiell positiv gegenüber. Kämpfen wird man vor allem um den guten, schadensfreien Fahrer.

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