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Stadtreparatur — die Alternative

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Die Zeit seit 1978 ist von der SP trotz des Denkanstoßes ihrer Wahlniederlage schlecht genutzt worden. Nur weniges hat sich in den letzten fünf Jahren zum Besseren gewendet, hingegen haben sich viele Probleme verschärft, so vor allem die Wohnungssituation, die Umweltproblematik und die Arbeitsmarktlage; neu hinzugekommen sind AKH-Skandal,

Rinter-Zelt, EBS-Kläranlage, Konferenzpalast und so fort — Probleme, die den finanziellen Spielraum für die Zukunft aufs äußerste einschränken.

Es hat nun nichts mehr mit persönlicher Koketterie zu tun, wenn ich guten Gewissens behaupten kann, daß wir als Oppositionspartei im Wiener Rathaus keines dieser Probleme übersehen oder verschlafen haben, sondern auf alle diese Entwicklungen frühzeitig hingewiesen, entsprechende Initiativen entwickelt und auch nach deren üblicher Abweisung durch die Mehrheitspartei nicht lockergelassen haben. Die Bilanz der sachpolitischen Erfolge der Wiener ÖVP kann sich auch vor sehr kritischen Augen sehen lassen.

Sie betreffen Hunderte „kleine“ Dinge, die aber in ihrer Gesamtheit das Leben in einer Großstadt menschlicher und besser machen. In den großen Linien der Kommunalpolitik konnten wir als Opposition freilich nur wenig Einfluß ausüben, doch immerhin in einigen wenigen Fällen gerade das Schlimmste verhindern: die Flötzersteig-Stelzenautobahn etwa oder die Verbauung der Steinhofgründe. Doch die alten Saurier leben weiter: das amtliche „Verwesen“ der Stadt durch seelenlose Administration, die weitere Ver- betonierung der Landschaft, der Verschwendungssaurier besteht auf seinem Konferenzzentrum und schickt sich an, die Stadt durch kilometerlange Tunnel zu untergraben, die Otto-Wagner- Brücke über das Wiental soll frech abgerissen und hernach, noch frecher, imitiert werden …

Ich führe diese Kritik-Punkte an der Wiener Stadtregierung an, weil zum Programm einer Oppositionspartei — und das wird die Wiener ÖVP trotz erhoffter Mandatszuwächse zweifellos auch nach der Wahl noch sein — naturgemäß auch Kritik gehört. In der Demokratie ist es keine Schande, Opposition und daher zwangsläufig gegen ein Vorhaben oder eine Maßnahme der Regierung zu sein. Der Wähler soll daher konkret wissen, wogegen wir sind und was wir mit demokratischen Mitteln zu verhindern trachten werden. Wozu jemand entschieden „nein“ sagt, ist ebenso wichtig zu wissen wie das, was er anstrebt.

Was wir anstreben und in den nächsten fünf Jahren durchzusetzen trachten werden, sind vor allem:

• eine nachhaltige Verbesserung der Umweltbedingungen in Wien,

• eine Belebung der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch

• eine umfassende Stadtreparatur und Stadterneuerung.

Diese Punkte sind aufs engste miteinander verschränkt. In Wien steigt die Zahl der Delogierungen aus Sozialwohnungen, weil die Mieten zu hoch sind, weil manche Bewohner arbeitslos geworden sind. In Wien sollen Milliarden für ein unnützes Konferenzzentrum ausgegeben werden, bei dem riesige Maschinen und wenige Arbeiter beschäftigt werden — um einen winzigen Bruchteil dieses Geldes könnte man das bestehende Konferenzzentrum in der Hofburg adaptieren und ebenso viele Arbeitskräfte beschäftigen —, ein Stück Stadtreparatur, das die Identität und den Charakter Wiens erhält.

Mit den übrigen Milliarden könnte man einen erheblichen Teil jener 80.000 bis 100.000 leerstehenden Wohnungen herrichten, die vor den Augen Zehntausender Wiener Familien, die dringend eine Wohnung suchen, zur völligen Abbruchreife vor sich hin verrotten. Zum sozialen Skandal kommt ein kultureller Skandal—wertvolle Bausubstanz zerbröselt, ganze Stadtviertel siechen dahin.

Hier gäbe es Arbeit in Hülle und

Fülle, die aber durch die Fehlleitung von Milliarden in teure Prestigeobjekte liegenbleibt und nicht angerührt wird; hier könnte es Wohnungen für Tausende Wiener geben, nicht teurer als in den Stadtrandsiedlungen, und ohne Verursachung neuer Verkehrsprobleme und Luftverpestung.

Durch den Verzicht auf ein paar Großprojekte, die unübersehbare Geldmittel verschlingen, nur wenige Arbeitsplätze für kurze Frist schaffen und dem Bürger keinen Nutzen, sondern nur finanzielle Belastungen bringen, könnte man eine umfassende Stadtreparatur einleiten.

Stadtreparatur ist ein soziales, ökonomisches, kulturell-gestalterisches, öko-logisches Programm. Und ein dringend notwendiges Programm. Denn Wien braucht Arbeit, Wohnungen, saubere Luft und Ideen. Und eine neue Politik.

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